#future_fabric
Selbst gestalten und aktiv einbringen: Demokratie digital denken
Was heißt Demokratie? Was hat Demokratie mit dem eigenen Alltag zu tun? Wie können sich Kinder und Jugendliche in die Gesellschaft einbringen und diese aktiv mitgestalten? Das Projekt #future_fabric des ServiceBureaus Jugendinformation in Bremen zeigt, wie vielfältig (digitale) Teilhabe aussehen kann.
11.03.2022
Was heißt Demokratie? Was hat Demokratie mit dem eigenen Alltag zu tun? Was hat Demokratie mit Medien zu tun? Wie können sich Jugendliche und junge Menschen in die Gesellschaft einbringen und diese aktiv mitgestalten? Darüber sprach das Initiativbüro „Gutes Aufwachsen mit Medien“ mit Barbara Westhof und Johanna Runge, die beide im Modellprojekt #future_fabric – demokratie.digital.denken des ServiceBureaus Jugendinformation in Bremen tätig sind.
Das ServiceBureau Jugendinformation ist Teil des Lokalen Netzwerkes „MEKOcloud“ in der Initiative „Gutes Aufwachsen mit Medien“.
Worum geht es im Projekt?
Das Projekt, welches im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert wird, widmet sich der zentralen Frage nach der Bedeutung einer digitalisierten Gesellschaft und damit einhergehenden Chancen wie zum Beispiel digitaler Partizipation und Open Educational Resources (Englisch= freizugängliche Lern- und Lehrmaterialien) sowie Risiken wie beispielsweise Desinformationen und Beeinflussung der Meinungsbildung im Netz. Im Projekt werden neue Ideen und kreative Zugänge rund um die Themen Demokratie und Medien entwickelt. „Dafür steht auch unser Projektname, „future“ für Zukunft und „fabric“ für „Gewebe“. Beide Bereiche, Demokratie und Medien, sollen also miteinander verknüpft und zusammengedacht werden“, erklärt Barbara Westhof.
Workshops für Jugendliche
In Workshops für junge Menschen ab 14 Jahren ist es das Ziel, diese in ihrem Medienhandeln zu begleiten und dabei zu unterstützen, Medien- und Informationskompetenzen zu entwickeln, damit sie sich gut und sicher in der digitalen Welt bewegen können. Dazu gehört, für Chancen und Herausforderungen einer digitalisierten Gesellschaft zu sensibilisieren und eine kritische Auseinandersetzung mit Themen zu fördern, damit junge Menschen eine eigene Haltung entwickeln können. Sprechen wir zum Beispiel über die Themen Datenschutz, Privatsphäre und Nutzung Sozialer Plattformen, werden auch mögliche Widersprüche deutlich: Nutze ich Plattformen dennoch, weil ich mit Freund:innen im Austausch sein möchte, obwohl das Thema Datenschutz bei einigen Plattformen nicht im Vordergrund steht?
„Hier gibt es keine einfache Antwort, das Ganze ist ein Abwägungsprozess, bei dem es darum geht, für sich selbst eine eigene Haltung zu finden. Und das versuchen wir zu vermitteln“, erläutert Barbara Westhof. „Gleichzeitig verstehen wir das Projekt auch als einen Prozess des gegenseitigen voneinander Lernens: Junge Menschen sind Expert:innen für ihre Lebenswelt, hier ist es spannend und inspirierend, in einem Austausch zu erfahren, was sie bewegt und beschäftigt.“
Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte und Multiplikator:innen
Auch im Jahr 2022 werden im Rahmen des Projektes #future_fabric wieder sogenannte „train-the-trainer“-Fortbildungen durchgeführt. Die Fortbildungsreihe besteht insgesamt aus drei Modulen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten: Meinungsbildung, Spuren im Netz (z.B. Datenschutz) und Chancen der Digitalisierung. Zudem ist dieses Jahr eine Kreativwerkstatt mit anschließendem Fachtag zu den Themen Augmented und Virtual Reality (Englisch = erweiterte und virtuelle Realität) in der Bildungsarbeit geplant. Interessierte Fachkräfte und Multiplikator:innen können sich außerdem an das Projekt wenden, wenn Fortbildungsbedarf zu bestimmten Themen im Feld von Demokratie und Medien, wie zum Beispiel zu Desinformationen, besteht. „Wichtig für uns ist insbesondere der fachliche Austausch und die Vernetzung im Rahmen von Veranstaltungen und Fachtagen“, sagt Johanna Runge.
Demokratiebildung und Medienpädagogik zusammendenken
Selbst zu erfahren und zu begreifen, was Demokratie bedeutet, warum sie wichtig ist und was Demokratie mit dem eigenen Alltag zu tun hat, ist ein zentraler Aspekt im Projekt #future_fabric. „Uns geht es hier vor allem darum, praxisnahe, niedrigeschwellige und kreative Angebote für junge Menschen zu schaffen, welche sich auf die Lebenswelt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beziehen, sodass Demokratie erlebbar und erfahrbar wird“, schildert Johanna Runge. „Unsere Bildungsangebote nehmen daher das Thema Digitale Medien und Mediennutzung junger Menschen in den Blick und verknüpfen dies mit Aspekten rund um Demokratie. Der Umgang miteinander, Beteiligung, Aushandlungsprozesse und Machtverhältnisse spielen zum Beispiel auch eine Rolle, wenn Jugendliche in Sozialen Medien unterwegs sind.“
Barbara Westhof sieht zudem gerade in der außerschulischen Bildung großes Potenzial, junge Menschen schon früh an demokratische Prozesse heranzuführen und das Thema Digitalisierung in demokratie- sowie medienpädagogischen Angeboten aufzugreifen: „Die digitale Transformation hat unser Leben radikal verändert, nicht nur unser alltägliches, sondern auch das politische und gesellschaftliche Leben. Daher ist es sehr wichtig, digitale Themen auch im Bereich der Demokratiebildung mitzudenken.“
Aktive Teilhabe: Wie junge Menschen die Gesellschaft mitgestalten können
In verschiedenen Angeboten im Projekt #future_fabric, können sich Jugendliche mit unterschiedlichen Aspekten rund um das Themenfeld Demokratie und Medien auseinandersetzen. „Wichtig in unseren Workshops ist uns, spielerisch Wissen zu vermitteln, in einen Austauschprozess zu gehen und immer einen Bezug zu den digitalen Plattformen bzw. Kanälen herzustellen, die junge Menschen in ihrem Alltag nutzen. Außerdem steht das eigene Erfahren und Ausprobieren im Vordergrund“, schildert Johanna Runge.
In einer aktuellen Kooperation mit der Bremer Tageszeitung „Weser-Kurier“ geht es darum, sich mit Fragen rund um Journalismus, Presse- und Meinungsfreiheit zu beschäftigen: Wie bilden sich Menschen eine Meinung? Wie können wir mit Desinformationen und Fake News (Englisch = Falschmeldungen) im Netz umgehen? Wie kann Journalismus darauf reagieren? Jugendliche lernen die Grundlagen des Journalismus kennen und entwickeln ihre eigenen Ideen, die sie dann in kreativen Formaten wie zum Beispiel Podcasts, Virtual-Reality-Touren (Englisch = virtuelle Realität) oder 360 °-Filmen umsetzen. Ziel ist es, eine Wanderausstellung zu gestalten, in denen die Ergebnisse an verschiedenen Orten in Bremen gezeigt werden.
Eigene Medienprodukte zu Fragen der Zukunft Europas, erstellten Teilnehmende auch in einem Workshop, der im Rahmen der „Code Week, der europaweiten Woche zum Programmieren 2021 in Kooperation mit der Europaabteilung des Senats für Wirtschaft, Arbeit und Europa der Freien Hansestadt Bremen stattfand. Ob das Programmieren mit der Programmiersprache CoBlocks, eine digitale Stadttour mit 360 °-Fotos oder Zukunftsvisionen in Virtual Reality: Über die Erstellung kreativer Medienprodukte, haben sich Jugendliche mit europapolitischen Themen, den Europäischen Institutionen und der EU im Alltag auseinandergesetzt.
„Gerade freuen wir uns zudem auf die Umsetzung eines von uns entwickelten Escape Games (Englisch = Spiel, bei dem mehrere Spieler:innen ein Rätsel lösen müssen, um aus einem Raum zu entkommen bzw. das Spiel zu meistern) zum Thema Microtargeting“, sagt Barbara Westhof. Microtargeting bezeichnet die gezielte Ansprache von Menschen mit (Werbe-)Botschaften, die genau auf sie und ihre Interessen abgestimmt sind, um sie so politisch zu beeinflussen. „Wir haben lange überlegt, wie wir solch ein komplexes Thema gut in einem medienpädagogischen Format umsetzen können, sodass es jungen Menschen Spaß macht, sich damit zu beschäftigen.“ Im Spiel geht es um eine entführte Whistleblowerin, die befreit werden soll. Das Spiel ist in einen mehrtägigen Workshop eingebettet.
Weitere Workshop-Themen sind Hate Speech (Englisch = Hassrede) und Desinformationen. „Hier schauen wir uns unter anderem mit jungen Menschen zusammen an, welche Mechanismen Desinformationen und Hate Speech zu Grunde liegen. Indem Jugendliche dann selbst im Workshop ausprobieren, lernen sie zum Beispiel, wie sie im Netz glaubwürdige Quellen von unseriösen Nachrichten unterscheiden können“, erläutert Johanna Runge. Geht es darum, ein Zeichen gegen Hate Speech im Netz zu setzen, sind auch schon vermeintlich kleine Handlungen wie das Liken von Counter-Speech-Beiträgen (Englisch = Gegenrede) und das Melden von Hassbeiträgen, Möglichkeiten, sich einzubringen und ein klarer Ausdruck von politischer Beteiligung, betont Barbara Westhof.
Welche Chancen Digitalisierung bietet, sich gesellschaftlich zu beteiligen
Für Johanna Runge geht mit Digitalisierung einher, dass ein niedrigschwelliger Zugang zu verschiedenen Beteiligungsformaten ermöglicht wird. „Digitalisierung bietet Raum, sich auszuprobieren, zu gestalten und auszutesten, wie etwas sein bzw. ob etwas funktionieren könnte. Prinzipiell kann jede:r eine Nachricht oder Meinung verfassen, digital übermitteln und so sehr schnell, viele Menschen erreichen sowie mobilisieren.“ Gerade im ländlichen Raum, sind digitale Formate zudem eine gute Möglichkeit, um gesellschaftlich teilzuhaben, ohne an einen bestimmten Veranstaltungsort gebunden zu sein. Gleiches gilt, wenn Eltern ihre Kinder beispielsweise nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwohin fahren können, dass aber insofern dann keine Rolle mehr spielt, wenn die Teilhabe auch digital möglich ist. Barbara Westhof sieht auch viel Raum für Kreativität in der Entwicklung der Digitalisierung. „Das zeigt sich aktuell zum Beispiel an digitalen Räumen, in denen positive Bewegungen und Empowerment (Englisch = Bestärkung) - wie unter anderem die Body Positivity-Bewegung - entstehen und sich Menschen dadurch gegenseitig stärken, unterstützen und miteinander vernetzen.“
Wie Demokratie auf Herausforderungen wie Desinformationen, Hate Speech, etc. reagieren kann
„Ich denke, dass man aktuellen Herausforderungen wie Desinformationen, Hate Speech oder Microtargeting auf unterschiedlichen Ebenen begegnen muss. Zum einen die Ebene der Plattformbetreiber, auf der mehr Transparenz, das Bereitstellen von Daten für die wissenschaftliche Forschung und eine enge Kooperation mit Behörden beim Nachverfolgen von Hate Speech, etc. wünschenswert sind. Zum anderen die Ebene der Politik, auf der regulativ auf aktuelle Herausforderungen reagiert werden sollte. Und schließlich die Ebene der Zivilgesellschaft, auf der auch wir uns mit unserem Projekt verorten. Hier sind vor allem auch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse zu Fragen des Zusammenlebens in einer digitalen Gesellschaft wichtig. Gerade bei den Aushandlungsprozessen finde ich es sehr wichtig, junge Menschen aktiv miteinzubeziehen und sie frühzeitig in ihren Medien- und Informationskompetenzen zu stärken“, schildert Barbara Westhof. Johanna Runge sieht es außerdem als besonders wichtig an, dass junge Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen machen. „Das versuchen wir auch immer in unserem Projekt zu vermitteln. Es geht darum, Jugendliche darin zu stärken, dass ihre Stimme wichtig ist und sie als Einzelperson mit ihrem Alltagshandeln auch im Kleinen etwas bewirken können.“
Weitere Informationen
- Im Interview berichtet die TINCON, das Festival für digitale Jugendkultur, wie sie Jugendliche und junge Erwachsene dabei unterstützt, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten und teilzuhaben.
- Um die kreative Auseinandersetzung und die Potenziale digitaler Medien geht es beim Deutschen Multimediapreis mb21.
- Weitere Informationen zum Thema „Digitale Jugendbeteiligung“ gibt es auch in der Online-Konferenz „Digital dabei – Jugendbeteiligung in der Praxis gestalten“ vom Initiativbüro „Gutes Aufwachsen mit Medien“.
Quelle: Initiativbüro „Gutes Aufwachsen mit Medien“
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Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gGmbH
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medien.rlp – Institut für Medien und Pädagogik e.V.
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Oberste Landesjugendbehörde
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