Digitalisierung und Medien

Kooperation auf Augenhöhe? Medienbildung zwischen Schule und außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit

Jugendhilfe und Schule stehen gleichermaßen vor der Aufgabe einen Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung zu finden. Aus Sicht der Medienbildung ergeben sich hieraus vielversprechende Kooperationsmöglichkeiten. Diese werden bislang allerdings nur zögerlich entwickelt. Wo genau liegen Potentiale und Hürden der Zusammenarbeit? Im Rahmen ihres Studiums der Sozialen Arbeit haben Studierende der TH Köln sich mit der Kooperation von Jugendhilfe und Schule im Bereich der Medienbildung beschäftigt und veröffentlichen ihre Ergebnisse in dem folgenden Beitrag.

25.05.2018

Wozu Medienkompetenz fördern?

Um die soziale, kulturelle und berufliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, ist die Förderung von Medienkompetenz unabdingbar. Mit ihr können Lernanforderungen und die Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft bewältigt werden. Medienkompetenz äußert sich in einer kritisch-reflektierten, sozial verantwortlichen und kreativen Auseinandersetzung mit Medien, wie es die Kultusministerkonferenz für den schulischen Bereich betont (vgl. KMK 2012: 3). Der Zugang zum Erwerb dieser Kompetenz muss für alle Kinder und Jugendliche in ihren Bildungsbiographien systematisch verankert werden. An dieser Stelle sind Jugendhilfe und Schule mehr denn je gefordert Kooperationen einzugehen. Anstatt jeweils nur eine Perspektive einzunehmen, käme man durch eine gelingende Kooperation dem Anspruch einer ganzheitlichen Medienbildung von Kindern und Jugendlichen ein gutes Stück näher. Diese setzt sich dabei maßgeblich aus drei Elementen zusammen. Sie beinhaltet den adäquaten Umgang mit den Medien, die Fähigkeit, sie zu reflektieren und die Kompetenz sich auf unbekannte Mediensituationen einlassen zu können (vgl. Aufenanger 1999: 23). Die Förderung von Medienbildung und Medienkompetenz ist zusätzlich eine grundsätzliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe und betrifft alle Handlungsfelder (vgl. Deutscher Bundestag 2017: 320).

Unterschiedliche Bildungsaufträge anerkennen

Jugendhilfe kann es gelingen eine ihr zugeschriebene, bisher unveränderte Position im Diskurs von Jugendhilfe und Schule zu überwinden: Seitens der Schule werden außerschulische Akteur/-innen häufig als Zuständige für kompensatorische Aufgaben wahrgenommen (vgl. Deutscher Bundestag 2017: 359). Die Offenheit, Wertschätzung und Anerkennung beider Perspektiven kann dazu beitragen, dass sich Medienbildung in Schule und an außerschulischen Lernorten stärker etabliert. Gleichzeitig können beide Seiten von der Fachkompetenz der Partner profitieren. Für Kinder und Jugendliche in der Schule eröffnen sich neue Formen von Bildungsprozessen. Sie erfahren lebensweltnahe und selbstorganisierte Formen des sozialen Lernens, beispielsweise in Projektarbeiten. Dort werden Inhalte und Methoden von Kindern und Jugendlichen selbst bestimmt, wodurch sie Erfahrungen machen, die unterrichtsbezogenes Lernen ergänzen.

Jugendhilfe als fester Bestandteil von Ganztagsschule

Die Forschung und Entwicklungen in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule mit Blick auf medienbildnerische Projekte bewegen sich damit mitten im Diskurs um die Öffnung von Schule (vgl. Deinet 2015: 127). Als besonders relevant erscheint die Möglichkeit, die Programme des ganztägigen Lernens stärker an den Belangen Jugendlicher ausrichten zu können. Bisher ist das jedoch nicht nachweisbar erfolgt. Erschwert wird dieser Prozess unter anderem durch die Komplexität der in offenen Ganztagsschulen ganz spezifischen Strukturen und eigenen Konzeptgebungen (vgl. Deutscher Bundestag 2017: 363). Für die Medienpädagogik bietet sich als ein Bereich Sozialer Arbeit die Chance, sich in Zukunft in Zusammenarbeit mit Schule zu etablieren. So kann sie als Teil von Jugendhilfe dazu beitragen die Ganztagsschule jugendorientierter zu gestalten, indem sie das reflexive Verstehen von Jugend im schulischen Alltag betont und Partizipationsmöglichkeiten als Grundlage ihrer Arbeit in Schule setzt.

Erste Untersuchungen bestehender Zusammenarbeit

Doch wie genau gestaltet sich die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in der Medienbildung? Erste Erkenntnisse dazu liefert die Studie Bildungspartnerschaften zwischen Schule und außerschulischen Akteuren der Medienbildung (2017) des FSM Berlin. Die Untersuchung gilt als eine der ersten wissenschaftlichen Forschungsprojekte, die sich konkret mit der Zusammenarbeit zwischen Schulen, außerschulischen Bildungseinrichtungen, gemeinnützigen Vereinen und Unternehmen im Bereich der Medienkompetenzförderung beschäftigt. Im Fokus der Studie stehen dabei die Formen bestehender Zusammenarbeit, die jeweiligen Zielvorstellungen und Schwerpunkte der Akteur/-innen sowie die zentralen Potentiale und Schwierigkeiten, die sich aus einer solchen Kooperation ergeben.

Eine Herausforderung zeigt sich darin, dass oftmals kein gemeinsames Verständnis von Medienbildung existiert. Lediglich 52% der befragten Kooperationspartner/-innen gaben an, dass mit einem gemeinsamen Verständnis gearbeitet wird, während ein Viertel der Befragten (27%) dies verneinte. 40% weisen darauf hin, dass es keinen Austausch über Medienbildung gibt und es an Transparenz in der Zusammenarbeit fehlt. Deutlich wird auch, dass die Zielsetzung der Kooperationsangebote zwar zwischen den schulischen und außerschulischen Akteur/-innen abgestimmt werden, die Ausgestaltung der Inhalte und der methodischen Umsetzung der gemeinsamen Medienbildungsangebote jedoch weitestgehend in den Händen der außerschulischen Partner liegen. Offenbar lässt sich derzeit noch nicht von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe sprechen.

Hürden auf dem Weg zu einer gemeinsamen Förderung von Medienbildung

Jugendhilfe und Schule stellen strukturell verschiedene Systeme, mit je eigenen fachlichen Herangehensweisen und unterschiedlichen Zielsetzungen, dar. Der schulische Alltag ist geprägt durch standardisierte Arbeitsabläufe und festgelegte institutionelle Rahmenbedingungen, was die Einbettung von medienpädagogischen Projekten zusätzlich erschwert. Die Kinder- und Jugendarbeit als Handlungsfeld der Jugendhilfe folgt keinem primären Qualifikationsgedanken, bringt Flexibilität und Handlungsspielräume mit und hat die Möglichkeit schulische Bildung durch die Schaffung lebensweltbezogener Angebote zu ergänzen. Vor diesem Hintergrund liegt eine der zentralen Herausforderungen in der Überwindung von Strukturunterschieden zwischen Jugendhilfe und Schule mit dem Ziel, einen Rahmen der wechselseitigen Wertschätzung und Offenheit zu entwickeln (vgl. Deutscher Bundestag 2017, 360).

Starken Lebensweltbezug als Chance wahrnehmen

Wenngleich ein gemeinsames Verständnis von Medienbildung noch nicht in Sicht ist, zeigen sich doch vielversprechende Ansatzpunkte für eine fruchtbare Zusammenarbeit. So liegen die Stärken der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit in der Flexibilität und Offenheit. Die Arbeit ist nicht durch Lehrpläne festgeschrieben und bietet so die Möglichkeit individuell auf ihre Zielgruppen einzugehen und gemeinsame Themen zu erarbeiten. Damit holt sie die Jugendlichen stärker in ihrer Lebenswelt und bei ihren alltäglichen Medienpraktiken ab. Schule kann umgekehrt im Rahmen ihres formalen Bildungsauftrags theoretische Inhalte vermitteln, die Kinder und Jugendliche für die Medienpraxis qualifizieren. So kann etwa Schule im Rahmen einer gelingenden medienpädagogischen Kooperation das Thema Big Data, z.B. im Gemeinschafts- bzw. Sozialkundeunterricht, behandeln. Außerschulische Kooperationspartner können das dort vermittelte Wissen und die Inhalte im Rahmen der schulbezogenen Projektarbeit, etwa mit der mit der Veranstaltung von Cryptoparties, die Räume für die Umsetzung bzw. Erprobung des Wissens zur Verfügung stellen.
 
Eine solche Verschränkung unterrichtsbezogener und außerunterrichtlicher Settings ist bislang nicht systematisch verankert. Das liegt nicht zuletzt auch in den professionellen Selbstverständnissen begründet. Für Jugendhilfe und Schule gilt: Die Kooperationspartner bestimmen, inwieweit eine Annäherung oder Verschränkung des jeweils eigenen Umgangs mit Medienbildung von schulischer und außerschulischer Seite möglich und nötig ist.

Hintergründe und weiterführende Informationen zur Studie „Bildungspartnerschaften zwischen Schule und außerschulischen Akteuren der Medienbildung“ finden sich auf den Seiten der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.V.

Autor/-innen: Franziska Wotzka, Birthe Billmeier und Jan Wolf

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Köln im  Studiengang Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit (Master) entstanden. Die Studierenden haben sich über ein Semester mit den Herausforderungen der Digitalisierung für die Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt und fassen ihre Ergebnisse in verschiedenen Beiträgen auf dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe zusammen.

Literatur

Aufenanger, S. (1999): Medienkompetenz oder Medienbildung? Wie die neuen Medien Erziehung und Bildung verändern. In: Bertelsmann Briefe, H. 142, S. 21-24

Brüggen, N./ Bröckling, G./ Wagner, U. (2017): Bildungspartnerschaften zwischen Schule und außerschulischen Akteuren der Medienbildung. Herausgegeben von FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. Berlin. 2017

Deinet, U. (2015): Öffnet die Schulen! Schulsozialarbeit im Spannungsfeld zwischen Assistenz und sozialräumlicher Öffnung. In: Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2015

Deutscher Bundestag, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2017): 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. [https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/15--kinder--und- jugendbericht/115440, zuletzt geprüft am 16.02.2018], S. 359-361

KMK: Kultusministerkonferenz (2012): Medienbildung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. März 2012. Herausgegeben von Kultusministerkonferenz. URL: [http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_Medienbildung.pdf, zuletzt geprüft am 16.02.2018]

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