Coronavirus

Bundesnetzwerk: Kinder- und Jugendarbeit ist auch in Corona-Zeiten unverzichtbar

Das Bundesnetzwerk Kinder- und Jugendarbeit betont in einer Stellungnahme die derzeitigen Bedeutung der Kinder- und Jugendarbeit und appelliert, die Bedarfe Jugendlicher bei Lockerungs-Debatten zu berücksichtigen. Außerdem fordert das Bundesnetzwerk eine stärkere Unterstützung und Einbeziehung der Kinder- und Jugendarbeit.

29.05.2020

Das Statement des Sprecher/-innen-Kreises des Bundesnetzwerks Kinder- und Jugendarbeit im Wortlaut:

Die weitreichenden Maßnahmen zur Einschränkung der COVID-19 Pandemie haben für Kinder und Jugendliche in den vergangenen Wochen Möglichkeiten für soziale Teilhabe, Beteiligung und Bildung verschlossen. Es ist die Aufgabe der Kinder- und Jugendarbeit, Erlebnis- und Begegnungsräume zur Verfügung zu stellen und zu gestalten. Unter den geltenden Kontaktbeschränkungen ist dies jedoch nur sehr eingeschränkt möglich.

Die Kinder- und Jugendarbeit hat in der Phase des Shutdown kreative digitale Lösungen entwickelt und erprobt, um Kinder und Jugendliche zu erreichen und sich weiterentwickelt. Digitale Formate eröffnen viele neue Möglichkeiten. Sie ersetzen jedoch nicht die direkte Begegnung junger Menschen mit ihren Peers und den Fachkräften der Kinder- und Jugendarbeit vor Ort. Mittlerweile können Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit wieder begrenzt nach den Maßgaben der von der jeweils zuständigen Behörde getroffenen Regelungen öffnen. Ebenso sind Angebote im Sport, in der kulturellen Bildung, in der jugendverbandlichen und offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Beschränkungen überwiegend wieder möglich. Es ist zu erwarten, dass Freizeiten – v.a. mit Übernachtungen – und internationale Begegnungsmaßnahmen im Sommer 2020 unter den geltenden Regeln überwiegend nicht stattfinden werden. Kooperationen mit Schulen können durch Erlasse der Länder bis auf Weiteres nicht stattfinden.

Kinder- und Jugendarbeit ist für das Aufwachsen relevant

Kinder- und Jugendarbeit leistet einen bedeutenden Beitrag für das Aufwachsen junger Menschen. Sie stellt ihnen die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote zur Verfügung und schafft Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe und Mitbestimmung (vgl. § 11(1) SGB VIII). Die Kinder- und Jugendarbeit berücksichtigt zudem die unterschiedlichen
Interessen von Mädchen* und Jungen*, trägt zur Identitätsbildung bei und fördert die Gleichberechtigung (vgl. § 9 SGB VIII).

Kinder und Jugendliche brauchen Begegnungen mit Gleichaltrigen. Mit zunehmenden Alter wollen sie ihren Kontaktkreis erweitern, Neues entdecken, sich erproben und messen. Dafür braucht es Erlebnis- und Begegnungsräume gerade auch außerhalb von Familie und Schule. Kinder- und Jugendarbeit macht dazu vielfältige Angebote.

Jugendliche sind gefordert, Haltungen zum Leben, zur Gesellschaft und zur Welt zu entwickeln und sich selbst zu positionieren. Sie wollen und sollen am öffentlichen Leben teilhaben und sich einbringen. Sie sind dabei in besonderer Weise auf die Gleichaltrigengruppe angewiesen, die eine nicht zu ersetzende Ressource für selbstbestimmte und selbsttätige Bildungs- und Reflexionsprozesse in der Entwicklung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit ist. Die aktuellen Beschränkungen bringen es nach wie vor mit sich, dass jungen Menschen altersgemäße Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und Beteiligung verschlossen bleiben.

In ganz besonderer Weise sind junge Menschen, die unter schwierigen Umständen (z.B. in Armut, in Krankheit, ohne oder mit nur einem Elternteil, mit körperlichen und geistigen Behinderungen oder anderen Beeinträchtigungen) aufwachsen, betroffen.

Kinder- und Jugendarbeit in Pandemie-Zeiten ermöglichen

Die Gefahren des Corona-Virus und die sich daraus ergebenen Anforderungen für das Leben werden weiterhin eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung bleiben. Junge Menschen sind in den letzten Wochen positiv mit der Situation umgegangen. Öffentlich thematisiert werden sie allerdings vorwiegend, wenn über negative Beispiele für einen unangemessenen Umgang mit den Beschränkungen berichtet wird, z.B. Corona-Partys. Die Folgen der verschiedenen Einschränkungen insbesondere für Kinder und Jugendliche wurden dagegen bisher kaum öffentlich diskutiert oder politisch aufgegriffen. Im Vordergrund der Debatten stehen die Sicherung des Gesundheitssystems und der Wirtschaft. Kinder und Jugendliche werden reduziert auf die Rolle der Adressat(inn)en von Betreuung und Beschulung.

Auch in Corona-Zeiten stellt die individuelle Förderung und die gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen ein zentrales gesellschaftliches Anliegen dar. Deshalb müssen bei den aktuellen Debatten über mögliche Lockerungen auch die Perspektiven und die Bedarfe junger Menschen systematisch in den Blick genommen werden. In den Strategien von Bund, Ländern und Kommunen sind sie zu berücksichtigen. Die Träger der Kinder- und Jugendarbeit unterstützen junge Menschen darin, ihre Interessen und Positionen in ihren Lebenswelten und darüber hinaus einzubringen und sich zu beteiligen. Die Kompetenzen der Kinder- und Jugendarbeit gilt es verstärkt einzubeziehen. Denn die gesellschaftliche Beteiligung und Teilhabe junger Menschen ist demokratierelevant!

Es ist zu erwarten, dass die pandemiebedingten Einschränkungen das Leben noch länger bestimmen werden. Für die Kinder und Jugendarbeit ergibt sich daraus der Auftrag, der Situation angemessene Angebotsformen gemeinsam mit jungen Menschen zu entwickeln. Kooperationen im Feld der Kinder- und Jugendarbeit sowie darüber hinaus, sind dabei zu fördern.

Die politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingen müssen gesichert werden, damit Kinder- und Jugendarbeit als sozialer Ort für Begegnung, Bildung, Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen auch in Pandemie-Zeiten und darüber hinaus möglich bleibt.

Quelle: Bundesnetzwerk Kinder- und Jugendarbeit

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