Demokratiebildung
Wahlzeit: Jetzt Mut zur Zukunft.

In drei Bundesländern wählte deutlich mehr als ein Drittel der jungen Wähler*innen im Alter von 18 bis 29 Jahren Parteien, die Angst und Hass schüren, einfache Lösungen anbieten und populistische Sicherheitsversprechen verbreiten: eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie. Was bringt diese jungen Menschen dazu, ihre Stimme solchen Gruppierungen zu geben und was können wir dagegen tun?
07.10.2024
Peggy Eckert, Kindheitswissenschaftlerin und DKJS-Expertin für Demokratiebildung, verweist auf die aktuelle Zeit multipler Krisen und Sorgen um die Zukunft, in der Jugendliche heute aufwachsen. Letztlich haben die Jungen nicht so viel anders als ihre Eltern gewählt.
„Dabei sind für junge Menschen Zukunftsängste weitaus realer, wie wir gerade in der in der SINUS-Jugendstudie sehen konnten. Der Großteil ihres Lebens liegt schließlich noch vor ihnen. Was wir heute entscheiden, wird ihr Leben am meisten beeinflussen.“
Das Problem: Junge Menschen fühlen sich mit ihren Bedürfnissen und Problemen oft nicht gehört und haben das Gefühl, keinen Einfluss auf Entwicklungen und Entscheidungen zu haben.
Laut der SINUS Jugendstudie 2024 hat sich die Situation im Vergleich zu 2020 deutlich verschlechtert: Die konstruktive Perspektive, dass man sich auch als Einzelperson informieren, mitreden und selbst in kleinem Rahmen etwas verändern kann, teilen immer weniger Jugendliche. Gerade junge Menschen aus den Mainstream-Lebenswelten fühlen sich oft machtlos und nicht gehört. Immer mehr schreiben Verantwortung häufig nur „den Politikern“ zu. Peggy Eckert sieht hier eine große Gefahr:
„Wenn Jugendliche sich nicht ernst genommen fühlen, der Politik immer weniger vertrauen und keine positiven Beteiligungserfahrungen machen, nutzen das demokratiefeindliche Kräfte, um auf Stimmenfang zu gehen.“
Generationengerechtigkeit bröckelt
Dass junge Stimmen bei Wahlen und in Diskursen geringere Bedeutung haben, wird durch die demografische Entwicklung noch verschärft. Bereits heute ist mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten älter als 53 Jahre. Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass in einer älter werdenden Gesellschaft die Interessen der Kinder und Jugendlichen immer weniger mitgedacht werden. Sie bringen sogar eine Art Minderheitenschutz ins Gespräch, einen institutionalisierten Mechanismus wie beispielsweise den Jugend-Check, der alle politischen Vorhaben auf negative Auswirkungen für Kinder und Jugendliche prüft und gegebenenfalls Korrekturen erwirkt.
„In Zukunft wird es wesentlich mehr Großeltern geben als Enkelkinder. … Das ist auch eine Herausforderung für die Demokratie … und eine Verschiebung der demografischen Kräfte, die es dringend nötig macht, ganz anders über die Generationengerechtigkeit nachzudenken.“
Peggy Eckert unterstützt diesen Gedanken und erinnert daran, dass es auf kommunaler Ebene schon viele gute Beispiele gibt, wie Kinder und Jugendlichen ihre Bedarfe und Interessen einbringen können. Das Team des Programms Jugend bewegt Kommune begleitet beispielsweise kleine Städte und Gemeinden in Sachsen attraktive Lebensbedingungen für junge Menschen zu schaffen.
Was wir jetzt tun können und was es dafür braucht
„Wir müssen stärker dafür sorgen, dass sich alle jungen Menschen in unserer Gesellschaft gesehen und zu Hause fühlen. Und wir müssen sie für ihre persönliche Zukunft und die Veränderungen, die unsere Welt gerade durchmacht, rüsten,“
betont DKJS-Expertin Annekathrin Schmidt und fügt hinzu, dass genau das schwieriger werden wird und Sicherheiten beim Thema Zukunft per se ein Widerspruch sind.
Wichtig dabei: Die Jugend gibt es nicht. Gebraucht wird ein differenzierter Blick auf die Lebenswelten junger Menschen und besondere Ansätze und Formate für die größer werdende Gruppe derjenigen, die besondere Unterstützung benötigen. Dazu gehören jene, die – wie es unter Fachleuten heißt – in Risikolagen aufwachsen:
Ein Viertel der Kinder in Deutschland ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Physische und psychische Erkrankungen unter jungen Menschen nehmen zu. Zunehmend berichten Jugendliche von Diskriminierung und Ausgrenzung. Besorgniserregend ist auch: Die Zahl von Schulabgänger*innen ohne Abschluss wächst wieder. Diese Gruppe wird in ihren Bedürfnissen oft übersehen und kaum adressiert. Fatal, denn gerade Menschen mit geringem Schulabschluss haben in Sachsen und Thüringen auffallend häufig die die AfD gewählt.
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