Kinder- und Jugendhilfe im Kontext Rechtsextremismus

Sicherung der Integrität und Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe

Die Kinder- und Jugendhilfe sieht sich einer wachsenden Bedrohung durch Einflüsse von rechts ausgesetzt. Doch wie genau beeinflussen rechtsextreme Akteur*innen die Kinder- und Jugendhilfe? Und welche Gegenmaßnahmen kann es geben? Im folgenden Artikel untersucht Nadine Salihi die Machtinstrumente rechtsextremer Organisationen und zeigt Wege auf, wie Fachkräfte die Integrität der Jugendhilfe schützen können.

10.10.2024

Im Rahmen unseres Redaktionsschwerpunkts „Kinder- und Jugendhilfe im Kontext Rechtsextremismus“ beschäftigen wir uns in den kommenden Wochen intensiv mit den aktuellen Herausforderungen, denen die Kinder- und Jugendhilfe angesichts des wachsenden Rechtsextremismus in Deutschland und Europa – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Parlamente – gegenübersteht. Neben dem folgenden Artikel beleuchten wir in einer kommenden fünfteiligen Interviewreihe nicht nur die Probleme, sondern diskutieren auch konkrete Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus sowie wertvolle Praxiserfahrungen aus dem Feld.

Die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland ist ein essentielles Fundament unserer Gesellschaft. Sie soll jungen Menschen eine gesunde Entwicklung ermöglichen und soziale Ungleichheiten abbauen. Doch in einer Welt, in der politische Strömungen zunehmend polarisiert sind, beobachten wir eine beunruhigende Tendenz: Rechtsextreme Parteien und Bewegungen gewinnen an Einfluss und versuchen, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu verändern sowie politische und ideologische Vorstellungen in die Arbeit mit jungen Menschen einzubringen. Auch wenn diese Entwicklung nicht neu ist, hat sie doch an Fahrt aufgenommen und gefährdet somit in besonderem Maße demokratische Werte. Langfristige negative Auswirkungen auf die Entwicklung von jungen Menschen sind wahrscheinlich.

Aber was genau bedeutet das für die Kinder- und Jugendhilfe? Welche Strategien verfolgen Rechtsextreme, und wie können demokratische Akteur*innen und Fachkräfte reagieren?

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Machtinstrumente rechtsextremer Parteien und außerparlamentarischer Akteur*innen mit rechtsextremer Gesinnung sowie ihre Strategien und Erfahrungen in Parlamenten mit entsprechender Beteiligung. Zudem werden die politischen und praktischen Möglichkeiten zur Abwehr dieser Einflüsse und zur Stärkung der Resilienz der Kinder- und Jugendhilfe diskutiert. Es wird ausgeführt, wie demokratische Akteur*innen und Fachkräfte reagieren können, um die Integrität der Kinder- und Jugendhilfe zu wahren und die gesunde Entwicklung sowie das sichere Aufwachsen junger Menschen zu gewährleisten.

Rechtsextremismus auf dem Vormarsch: Eine wachsende Bedrohung für die Demokratie

In den letzten Jahren hat Deutschland eine Zunahme rechtsextremistischer Vorfälle erlebt. Die jüngsten Anschläge und Morde, wie die an Walter Lübcke sowie die Terrorakte in Halle und Hanau , haben deutlich gemacht, dass Rechtsextremismus eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Allein in 2023 gab es 25.660 rechtsextremistische Straftaten – rund 70 am Tag. Außerdem gab es im letzten Jahr es einen deutlichen Anstieg von rechtsextremen Demonstrationen und Kundgebungen. Laut dem Innenministerium   wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 dreimal so viele rechtsextreme Märsche verzeichnet wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Diese Demonstrationen richteten sich häufig gegen Flüchtlingsunterkünfte und Migrationspolitik. Darüber hinaus hat eine Studie im Jahr 2023  gezeigt, dass die Unterstützung für autoritäre und antidemokratische Positionen in Deutschland zunimmt. Ein alarmierender Teil der Bevölkerung – jede*r Zwölfte – teilt ein rechtsextremistisches Weltbild.

In der Politikwissenschaft ist der Begriff Rechtsextremismus umstritten. Für den Berliner Parteienforscher Richard Stöss  ist Rechtsextremismus ein ''Sammelbegriff für verschiedenartige gesellschaftliche Erscheinungsformen, die als rechtsgerichtet, undemokratisch und inhuman gelten''. Auch wenn Rechtsextremismus in Deutschland kein einheitliches Phänomen darstellt, wird davon ausgegangen, dass demokratische Grundwerte von rechtsextremen Akteur*innen abgelehnt werden. Hingegen wird oft nach einer homogenen, autoritär geführten Gesellschaft gestrebt, in der ethnische, religiöse und kulturelle Minderheiten ausgegrenzt oder unterdrückt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz formuliert: „Eine Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit und damit einhergehend die Ablehnung des Gleichheitsprinzips der Menschen sind […] bei allen Rechtsextremisten festzustellen.“ Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus prägen die rechtsextremistische Agitation. 

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz beobachtet eine neue Dynamik im Bereich des Rechtsextremismus: „Sicherheitsbehörden sehen sich dabei neben den alten Strukturen auch mit ganz neuen Formen wie rechten Netzwerken im Internet oder sich selbst radikalisierenden Einzeltätern konfrontiert.“  

Erfahrungen aus der Politik: Von Gesetzesänderungen bis Propaganda

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist eine rechtspopulistische Partei, die sowohl gemäßigte als auch extremere Strömungen aufweist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft, womit sie in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt.

Auf Bundesebene hat die Präsenz der  AfD seit ihrer Gründung im Jahr 2013 zugenommen. Besonders seit der Bundestagswahl 2017 ist die AfD als drittstärkste Kraft vertreten und nutzt diese Plattform, um rechtsextreme und nationalistische Ansichten in den politischen Diskurs einzubringen. Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks zeigt , dass die AfD-Bundestagsfraktion über 100 Mitarbeiter*innen beschäftigt, die dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden, darunter Neonazis und Mitglieder der „Identitären Bewegung“. Viele dieser Personen sind in verfassungsfeindlichen Organisationen aktiv, was erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Einflussnahme im Bundestag aufwirft. Themen wie Migration, nationale Sicherheit und Euroskeptizismus werden häufig mit rechtsextremen Narrativen verknüpft, die auf das Schüren von Angst und Fremdenfeindlichkeit abzielen. 

Auf Landesebene gelten die AfD Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor dem Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem.  In Thüringen ist die AfD seit September stärkste Partei. In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die AfD zweitstärkste Partei im Landtag und hat erheblichen Einfluss erlangt. Grundsätzlich kann die Präsenz der AfD zu einer Normalisierung rechtsextremer Diskurse führen, was wiederum die politische Kultur auf Landesebene prägt und zu einer allgemeinen Verschiebung des politischen Spektrums nach rechts beitragen kann.

Auf kommunaler Ebene ist die rechtsextreme Einflussnahme oft weniger sichtbar, aber nicht weniger problematisch. Rechtsextreme Gruppierungen und Parteimitglieder nutzen kommunale Plattformen, um lokale Politik direkt zu beeinflussen, beispielsweise in Fragen der städtischen Entwicklung, lokalen Kulturpolitik oder Bildung. Hier agieren sie oft subtiler, indem sie sich als Verfechter*innen lokaler Interessen darstellen und gleichzeitig ihre rechtsextremen Ideen in die Gesellschaft zu tragen.

Ein zentraler Aspekt, die Kinder- und Jugendhilfe vonseiten rechtsextremer Parteien zu beeinflussen, ist die Gesetzgebung. Initiativen, die darauf abzielen, Ressourcen abzubauen, Mittel zu kürzen oder die Vielfalt innerhalb der Hilfesysteme zu begrenzen, stehen häufig auf der politischen Agenda. So forderte die AfD jüngst , die Finanzierung des Bayerischen Jugendrings nahezu zu halbieren, da dieser ihrer Meinung nach nicht ausreichend neutral agiert. Initiativen wie diese zielen darauf ab, die Ressourcen und damit die potentielle Reichweite von Projekten, die sich für Vielfalt und Toleranz einsetzen, zu minimieren. 

Politische Blockaden können die Umsetzung von neuen Maßnahmen erheblich erschweren. Auf parlamentarischer Ebene versuchen rechtsextreme Abgeordnete häufig, durch provokative Anträge und Reden die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Agenda zu beeinflussen.  Ein spezifisches Beispiel ist die Opposition der Partei gegen Inklusionsmaßnahmen. Björn Höcke bezeichnete gegenüber dem MDR  Inklusionsbestrebungen als Teil von "Ideologieprojekten", die aus dem System entfernt werden sollten. Dies zeigt, wie die Partei gegen integrative Ansätze vorgeht, die darauf abzielen, benachteiligte Kinder und Jugendliche in das Bildungssystem und die Gesellschaft einzubinden   Die AfD steht damit im Widerspruch zu rechtlichen Vorgaben im Rahmen einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ) und internationalen Empfehlungen, wie der UN-Behindertenrechtskonvention. Insgesamt blockiert die AfD konkrete Inklusionsprojekte nicht direkt durch legislative Mehrheiten, da sie in den meisten Parlamenten nicht die nötige Macht besitzt. Vielmehr hemmen sie durch ihren politischen Einfluss und ihre öffentliche Rhetorik die Akzeptanz und Weiterentwicklung von Inklusionsmaßnahmen in Deutschland.

Auch die Besetzungen von Schlüsselpositionen mit Personen, die rechtsextremen Ideologien nahestehen, beeinflussen die Ausrichtung und Arbeit von Legislative und Exekutive nachhaltig. Rechtsextreme besetzen Schlüsselpositionen oft durch die gezielte Förderung und Platzierung von Gleichgesinnten, die bereits in politische oder administrative Strukturen integriert sind, um langfristig Einfluss auf Entscheidungen auszuüben. Diese strategischen Personalentscheidungen können die Effektivität und die Grundwerte der Kinder- und Jugendhilfe erheblich verändern.

Die strategische Nutzung von Medien, einschließlich sozialer Netzwerke, dient der Verbreitung rechtsextremer Ideologien und der Mobilisierung junger Menschen. In Deutschland nutzt die AfD gezielt Plattformen wie X (vormals Twitter), TikTok, Facebook, Instagram und YouTube, um ihre Botschaften zu verbreiten und Menschen jeden Alters zu erreichen. Die AfD führte 2017 eine „Propaganda 4.0“ ein , so Politikberater Johannes Hillje. Die Partei diffamiere traditionelle Medien als "Systempresse", nutze sie aber für Provokationen und Abgrenzungen. Sie setze dabei auf Verzerrungen und Desinformation, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und nicht nur den rechten Rand, sondern auch die Breite der Gesellschaft zu erreichen.

Außerparlamentarische Akteur*innen: Gezielte Einflussnahme

Außerparlamentarische rechtsextreme Akteur*innen nutzen einige oben genannte und weitere Machtinstrumente, um Einfluss auf die Kinder- und Jugendhilfe zu nehmen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen, Mobilisierung und Einschüchterung gehören ebenfalls zu den Instrumenten rechter Gruppen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die „Identitäre Bewegung Deutschland e. V.“ (IBD) erregte Anfang der 2010er Jahre durch provokative Aktionen Aufmerksamkeit, verlor jedoch mit der Zeit an Wirkung. Das Erstarken rechtsextremer Parteien in Parlamenten macht die IBD-Aktionen zunehmend überflüssig, dennoch bleibt ihr ideologischer Einfluss in rechtsextremen Diskursen bestehen.

Um die politische Meinung junger Menschen zu beeinflussen, wird auch versucht, ideologische Inhalte in Schulen und Jugendzentren zu vermitteln. Angehörige der rechtsextremen Szene sind sowohl Zielgruppe als auch Anbieter der Kinder- und Jugendhilfe.  Zwei Studien, die zwischen 2019 und 2021 in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Mecklenburg-Vorpommern (MV) durchgeführt wurden , zeigen, dass rechtsextreme Akteur*innen gezielt versuchen, Themen, Strukturen und Angebote der Sozialen Arbeit zu beeinflussen. Diese Einflussnahme erfolgt durch eigene Angebote, externe Angriffe und interne Praktiken, die rassistische und antidemokratische Ideologien fördern. Besonders betroffen sind Bereiche wie Migrationssozialarbeit, Demokratieförderung und Gender-Gleichstellung.

Der Aufbau paralleler Strukturen ist eine Strategie rechtsextremer Akteur*innen. Durch die Gründung eigener Jugendorganisationen und Netzwerke wird versucht, Alternativen zu staatlichen und gemeinnützigen Angeboten zu schaffen und dadurch ihre ideologischen Inhalte zu verbreiten. In Deutschland gibt es verschiedene Jugendbewegungen mit rechtsextremistischem Charakter, wie beispielsweise die Jugendorganisation von "Der III. Weg" und die "Freien Kameradschaften". Die Junge Alternative (JA) als Jugendorganisation der AfD gilt in fünf Bundesländern als gesichert rechtsextrem, zahlreiche weitere Landesverbände sind Verdachtsfälle. Das typische Einstiegsalter liegt zwischen 12 und 15 Jahren. Auch in anderen Lebensbereichen junger Menschen verbreiten sich rechtsextreme Angebote schnell. Ursprünglich dominierten Fußballfan-Szenen und Rechtsrock die Rekrutierungsstrategien der extremen Rechten. In den letzten Jahren wurde dies jedoch durch Kampfsport ergänzt, professionalisiert und kommerzialisiert. Die Kampfsport-Szene ist mittlerweile stark von rechtsextremen und völkischen Ideologien durchdrungen und wirkt besonders attraktiv auf Jugendliche und junge Erwachsene.

Rechtsextreme Jugendkulturen in Deutschland haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Heutzutage sind rechtsextreme Ideologien in viele verschiedene jugendkulturelle Stile eingeflossen, einschließlich Hip-Hop und Reggae, was eine größere Anziehungskraft auf verschiedene Jugendgruppen ausübt. Diese Modernisierung und Diversifizierung rechtsextremer Jugendkulturen zeigen sich auch in der Übernahme von Symbolen und Stilen aus ursprünglich linken oder unpolitischen Szenen. Rechtsextreme Jugendkulturen richten sich gezielt an junge Menschen, die nach Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Identität suchen. Besonders Jugendliche, die sich von traditionellen gesellschaftlichen Strukturen entfremdet fühlen oder Orientierung suchen, werden angesprochen. Durch Musik, Mode und Lifestyle versuchen diese Gruppen, eine breite und diversifizierte Zielgruppe anzusprechen, wobei der Einstieg oft über soziale Kontakte oder kulturelle Angebote erfolgt. Die Szene ist vielfältig, mit verschiedenen Gruppierungen, die unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen nutzen. Diese Kulturen bieten klare Feindbilder und einfache Antworten auf komplexe soziale Fragen, was sie besonders in Zeiten persönlicher Unsicherheit attraktiv macht. Die Angebote sind professionell organisiert und nutzen gezielt moderne Medien zur Verbreitung ihrer Ideologien.

Internationale Perspektiven: Ein Blick über die Grenzen

Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Seit mehreren Jahren sind rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in europäischen Parlamenten vertreten und haben in einigen Ländern sogar Regierungsverantwortung übernommen. Parteien mit stark rechtsgerichteten Positionen spielen somit eine zunehmende Rolle in der politischen Landschaft Europas.

In Ungarn beispielsweise hat die Fidesz-Partei unter Viktor Orbán Bildungsprogramme gefördert, die stark nationalistisch geprägt sind und Minderheiten wie die Roma sowie LGBTQ+-Gemeinschaften ausgrenzen. Gleichzeitig werden Mittel für Projekte, die der Demokratieförderung und Extremismusprävention dienen, gezielt gekürzt. Ähnlich hat in Italien die Lega Nord den Versuch unternommen , Finanzmittel für Integrationsprojekte und Initiativen zur Förderung von Toleranz zu reduzieren.

Die wachsende Verbreitung rechtsextremer Ideen in Europa stellt eine erhebliche Herausforderung für die Demokratien des Kontinents dar, da sie die Werte von Toleranz, Gleichheit und Menschenrechten untergraben und zu einer Zunahme von Hass und Gewalt beitragen. Diese Entwicklungen sind ein Weckruf für alle, die sich für die Kinder- und Jugendhilfe einsetzen. In vielen europäischen Ländern sind die Herausforderungen ähnlich, was die Wichtigkeit von internationaler Vernetzung und Austausch unterstreicht. Mit einer starken gemeinsamen Stimme können demokratische Akteur*innen gegen diese Einflüsse ankämpfen.

Abwehrstrategien: Demokratische Akteur*innen im Handeln

Wie können sich die demokratischen Parteien und außerparlamentarischen Akteur*innen gegen den Einfluss rechter Tendenzen wehren? Eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit ist entscheidend. Es gilt, eine positive und aufklärende Kommunikation über die Erfolge und Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe zu fördern. Gute Geschichten und erfolgreiche Maßnahmen müssen in die Öffentlichkeit getragen werden, um das wahre Bild der Jugendhilfe darzustellen.

Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen können über die Gefahren des Rechtsextremismus informieren. Sie sollten darauf abzielen, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen und die Resilienz gegenüber rechtsextremen Ideologien zu stärken. Die Stiftung gegen Rassismus hat beispielsweise in 2023 die Statement Kampagne "Einmischen bedeutet für mich..." durchgeführt.

Ein weiterer Ansatzpunkt sind Bündnisse. Wenn verschiedene Akteur*innen in der Kinder- und Jugendhilfe, seien es NGOs, Fachkräfte oder politische Parteien, zusammenarbeiten, können sie eine starke Lobby bilden und politische Entscheidungen beeinflussen. Die Kinder- und Jugendlobby kann Stimmen für eine gerechte und zukunftsfähige Kinder- und Jugendhilfe lauter werden lassen und zu einer nachhaltigen Finanzierung beitragen. Ein Zusammenschluss gegen Rechtsextremismus in Deutschland insbesondere im Hinblick auf präventive Arbeit ist das "Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention" (KompRex). Zu den Mitgliedern gehören unter anderem die Amadeu Antonio Stiftung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, Cultures Interactive, Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland und die Fachstelle Rechtsextremismus und Familie.

Doch auch rechtliche Mittel können genutzt werden. In den letzten Jahren wurden in Deutschland mehrere rechtsextreme Organisationen verboten. 2023 verbot Bundesinnenministerin Nancy Faeser die „Hammerskins Deutschland“ und die „Artgemeinschaft“, die als „kultartig, tief rassistisch und antisemitisch“ beschrieben wurde und besonders Kinder indoktrinierte. 

Träger und Institutionen können präventiv arbeiten, indem sie Menschenrechte und Demokratie als zentrale Ziele in ihren Satzungen und Leitbildern verankern. Dies ermöglicht es, klare Maßnahmen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu definieren und bei Kritik darauf zu verweisen. Die Betonung von Vielfalt und Teilhabe hilft, externe Torpedierungen zu vermeiden und rechtsextreme Mitarbeitende auszuschließen.

Stärkung der Fachkräfte vor Ort: Resilienz aufbauen 

Träger und Fachkräfte im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe stehen an vorderster Front. Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind unabdingbar für eine effektive Abwehr von antidemokratischen Einflussnahmen. Ein Ansatz zur Stärkung dieser Akteur*innen ist die Investition in Fortbildungen und Vernetzungsangebote. Workshops, Seminare und Netzwerktreffen können Fachkräfte auf die Herausforderungen vorbereiten und ihnen das nötige Rüstzeug geben, um selbstbewusst in ihren Räumen aufzutreten. Der Resilienzaufbau durch gezielte Maßnahmen und Trainings stärkt die Widerstandsfähigkeit der Einrichtungen und Fachkräfte gegenüber ideologischen Einflüssen. Interne und externe Beratung ist essenziell, um rechtsextreme Phänomene in der Jugendhilfe zu bewältigen. Der Austausch mit Expert*innen und Kolleg*innen hilft, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und effektive Handlungsstrategien zu entwickeln. Externe Beratungsstellen können zusätzliche Unterstützung bieten und spezifische Fachkenntnisse einbringen. Notfallpläne sind ebenfalls ein wichtiges Element. Die Entwicklung von Strategien für den Ernstfall – sei es durch politische Einflussnahme oder eine Bedrohung gegenüber Mitarbeiter*innen – kann entscheidend sein, um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten und die Qualität der Hilfsangebote aufrechtzuerhalten. Rechtsextreme Akteur*innen berufen sich oft auf das Neutralitätsgebot, um Maßnahmen für Menschenrechte und Inklusion zu kritisieren. Es ist wichtig, sich nicht juristisch irreführen zu lassen, da diese Maßnahmen dem Grundgesetz entsprechen. Bei wiederholten Diskussionen und Anfeindungen sollte Rechtsberatung für Mitarbeitende organisiert werden. Dies hilft, sich gegen aggressive und fehlinformierte Angriffe zu wappnen und sicherzustellen, dass Projekte zur Förderung von Demokratie und Inklusion weiterhin unterstützt werden. Für konkrete Beratungsthemen sowie die Erstellung von Notfallplänen können sich Organisationen an Beratungsstellen wenden, so z. B. an die Amadeu Antonio Stiftung, den Bundesverband Mobile Beratung, das Projekt ElternStärken oder die Fachstelle Rechtsextremismus und Familie

Die Schaffung sicherer Räume für Kinder und Jugendliche, die vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt sind, ist ein zentrales Anliegen in der pädagogischen Arbeit. Diese Räume bieten einen Rückzugsort, in dem junge Menschen respektvoll und unterstützend begleitet werden, ohne dem Risiko von Vorurteilen oder negativen sozialen Einflüssen ausgesetzt zu sein. Fachkräfte tragen dazu bei, diese Umgebungen diskriminierungssensibel zu gestalten. Diese Räume bieten Schutz und Unterstützung und fördern eine gesunde Entwicklung junger Menschen.

Erfolgreiche Beispiele und Best-Practice-Modelle sollten gefördert und unterstützt werden. Diese Projekte und Initiativen, die sich erfolgreich gegen Rechtsextremismus engagieren, können als Vorbilder und anderen Akteur*innen als Orientierungshilfe dienen. 

Ausblick: Gemeinsam für eine inklusive und demokratische Zukunft

Rechtsextreme Einflüsse stellen eine ernstzunehmende Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe dar, sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern. Diese und andere antidemokratischen Bestrebungen untergraben die Werte von Demokratie und Gleichheit und erfordern einen umfassenden Schutz der Kinder- und Jugendhilfe, um Vielfalt, Toleranz und Demokratie zu bewahren.

Ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz ist notwendig, um sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche in einer offenen und inklusiven Gesellschaft aufwachsen können. Dies erfordert die Zusammenarbeit von Fachkräften, NGOs, politischen Akteur*innen und der Öffentlichkeit. Nur durch vereinte Kräfte und strategische Ansätze kann das Fundament der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt und die Bedrohung durch antidemokratische Ideologien minimiert werden.

Für kommende Generationen müssen wir sicherstellen, dass die Kinder- und Jugendhilfe zugänglich, divers und verlässlich bleibt. Dies ist nicht nur eine nationale, sondern auch eine internationale Verantwortung, die wir gemeinsam angehen müssen, um die Werte, die die Kinder- und Jugendhilfe prägen, zu schützen und weiterzuentwickeln.

Autorin des Artikels ist Nadine Salihi

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