Stellungnahme

ver.di sieht massiven Novellierungsbedarf beim KJSG-Referentenentwurf

Im Zuge des Referentenentwurf zur Reform des achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) veröffentlicht ver.di eine kritische Stellungnahme, die in Abstimmung mit den ehrenamtlichen Gremien im Fachbereich Gemeinden sowie weiteren Expert(inn)en aus der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe erarbeitet wurde. Wenngleich das geltende Recht eine gute Arbeitsgrundlage bilde, sieht auch ver.di an verschiedenen Stellen Novellierungsbedarf. Der vorgelegte Gesetzesentwurf enthalte neben einigen kleinen Verbesserungen weitgehend Regelungen die Verunsicherung schaffen oder die Leistungsqualität in Frage stellen.

04.11.2020

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bedankt sich für die Möglichkeit zum vorliegenden Referent*innenentwurf zum Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen Stellung zu nehmen. Wenngleich das geltende Recht eine gute Arbeitsgrundlage bilde, sieht ver.di jedoch an verschiedenen Stellen Novellierungsbedarf, der insbesondere die rechtliche Verbindlichkeit und Durchsetzung von Rechtsansprüchen sowie die Sicherung der erforderlichen Rahmenbedingungen für eine fachgerechte und rechtskonforme Aufgabenwahrnehmung betrifft.

In den Vorbemerkungen der Stellungnahme zitiert ver.di die vom BMFSFJ formulierte Zielstellung des Gesetzentwurfes: „In Deutschland leben 21,9 Millionen Menschen zwischen 0-27 Jahren. Zielgruppe des Gesetzes sind rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe, die zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben.“

Dem entgegnet ver.di: „Es waren politische (Fehl-) Entscheidungen in der Steuer-, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, die zugunsten privaten Reichtums die Misere der öffentlichen Haushalte sowie die Zunahme prekärer Beschäftigung und Armut verursacht haben. Sie haben zu einem Zustand beigetragen, in dem heute den Kommunen und anderen öffentlichen Akteur*innen teilweise der Zugriff auf Ressourcen im notwendigen Umfang für Leistungen der Daseinsvorsorge entzogen ist, um aktiv Sozialpolitik zu gestalten. Diese Form der öffentlichen Armut bewirkt eine schleichende Missachtung der gesetzlichen und fachlichen Vorgaben. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der stets notwendigen Prioritätensetzung im Rahmen der Aufstellung öffentlicher Haushalte erhebliche Teile der vom SGB VIII adressierten Zielgruppen individuell und gesellschaftlich benachteiligt sind.

Vor diesem Hintergrund wäre Ausbau und finanzielle Absicherung des Leistungsangebotes insbesondere der Leistungen auf die kein individueller Rechtsanspruch besteht (sog. freiwillige Leistungen) und der Rahmenbedingungen der Leistungserbringung notwendig, um den entstandenen Defiziten gute Leistungsangebote gegenüber zu stellen.
Der hier vorgelegte Referent*innenentwurf setzt diesen argumentierten Mängeln nichts entgegen, sondern enthält neben einigen kleinen Verbesserungen weitgehend Regelungen die Verunsicherung schaffen oder die Leistungsqualität in Frage stellen. In erster Linie stellen wir fest, dass an den notwendigen Stellen keine Änderungen vorgesehen sind.

Auch wenn die Erfahrungen frisch sind, wäre angesichts der dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche eine Reaktion des Gesetzgebers im zentralen Leistungsrecht notwendig. Die jüngsten, pandemiebedingten Einschränkungen bedeuten eine massive Beschneidung der Rechte und Möglichkeiten junger Menschen. Den ebenfalls deutlichen Bedrohungen von Fachlichkeit und Professionalität, insbesondere durch den vermehrten Einsatz von unausgebildetem Hilfspersonal, muss entgegengewirkt werden. Unsere Anmerkungen und Kritikpunkte im Einzelnen stellen wir anhand der zentralen Bereiche des KJHG und der relevanten Themen von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe dar.“

Die ausführliche Stellungnahme von ver.di steht als Download (PDF, 370 KB) zur Verfügung.

Neben der Stellungnahme hat ver.di eine Broschüre (PDF, 1,47 KB) erstellt, in der Stellung bezogen wird für ein gutes Kinder- und Jugendhilferecht im Sinne der Beschäftigten und der Adressat(inn)en Sozialer Arbeit.

KJSG-RefE 2020

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG-RefE 2020) wurde am 5. Oktober zur schriftlichen Anhörung an die Verbände versandt. Die Stellungnahmefrist lief bis zum 26. Oktober 2020.

Quelle: ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vom 26.10.2020

Redaktion: Thekla Noschka

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