Verfassungsrecht
Einrichtung kommunaler Kinder- und Jugendparlamente möglich


Ein im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes erstelltes Rechtsgutachten sichert die Einrichtung von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland ausdrücklich ab. Die Gutachter kommen zu der Einschätzung, dass Kinder- und Jugendparlamente aus verfassungsrechtlicher Perspektive von Gemeinden eingerichtet werden können.
06.07.2022
Das Rechtsgutachten kommt außerdem zum Schluss, dass Städte und Gemeinden Kinder- und Jugendparlamenten eigenständige Rede- und Antragsrechte zuweisen können, solange dabei die Arbeitsfähigkeit der Gemeindevertretung gewährleistet ist. Außerdem dürfen die Gemeindevertretungen einem Kinder- und Jugendparlament ein festes Budget zuweisen.
Hintergrund des Rechtsgutachtens ist das Vorgehen einiger Kommunalaufsichten in verschiedenen Bundesländern, die Kommunen untersagten, in ihren Satzungen bestimmte institutionalisierte Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche bzw. für Angehörige von Kinder- und Jugendparlamenten einzuräumen. Das Gutachten legt nahe, dass einige dieser Entscheidungen nicht haltbar sind und die Kommunalaufsichten die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen stärker berücksichtigen müssen. Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes, betont:
„Durch das Rechtsgutachten wird die Stellung der Kinder- und Jugendparlamente in Deutschland deutlich gestärkt. Sie haben ein allgemeinpolitisches Mandat für die Vertretung der Interessen von Gleichaltrigen und tragen dazu bei, dass die Anliegen von Kindern und Jugendlichen gegenüber Erwachsenen verstärkt Gehör finden. Idealerweise sind Kinder- und Jugendparlamente Teil einer vielfältigen Beteiligungslandschaft in den Kommunen, mit denen Kinder und Jugendliche gleichberechtigte Teilhabe und Einfluss auf Entscheidungen vor Ort einfordern können.“
Jeweiliges Landesrecht berücksichtigen
Das Gutachten stellt zudem fest, dass Mitgliedern von Kinder- und Jugendparlamenten von der Gemeinde in eigener Verantwortung generelle oder einzelfallbezogene Rede- und Antragsrechte auch im Plenum und den Ausschüssen der Gemeindevertretung eingeräumt werden können, wobei Landesgesetze dies beschränken können.
Bindende Entscheidungsrechte im Plenum der Gemeindevertretung müssen hingegen bei den von allen Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreterinnen und Vertretern verbleiben und können für Kinder und Jugendliche ohne passives Wahlrecht nicht eingeräumt werden. Gleichwohl können bestimmte Entscheidungen im Einzelfall auf die Kinder- und Jugendparlamente übertragen werden, solange die Gemeindevertretung das Letztentscheidungsrecht behält.
Nach Ansicht der Gutachter bedarf die Entscheidung, ob Kinder und Jugendliche in kommunalen Ausschüssen ein Stimmrecht erhalten, einer gesetzgeberischen Entscheidung im jeweiligen Bundesland. Liegt eine solche nicht vor, haben auch in den Ausschüssen der Gemeindevertretung Kinder und Jugendliche kein Stimmrecht. Zudem wurde festgestellt, dass sich Jugendhilfeausschüsse mit ihrer spezifischen Struktur und Funktion von demokratisch vollständig legitimierungsbedürftigen Ausschüssen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften unterscheiden. Die Mitglieder von Jugendhilfeausschüssen, die nicht von den Kommunalparlamenten entsandt werden, können aus bundesrechtlicher Perspektive auch jünger als 18 Jahre sein. Das jeweilige Landesrecht kann jedoch etwas anderes bestimmen.
Das Rechtsgutachten
Das Rechtsgutachten „Rechtliche Rahmenbedingungen der institutionellen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland“ wurde im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes von Prof. Dr. Philipp B. Donath (University of Labour - Europäische Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt) sowie von Dipl.-Jur. Alexander Heger und Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann (Goethe-Universität Frankfurt am Main) erstellt. Es kann kostenlos heruntergeladen werden.
Eine jugendgerechte Version des Rechtsgutachtens kann ebenfalls konstelos heruntergeladen werden.
Zum Hintergrund
Das Gutachten ist ein Produkt der Initiative Starke Kinder- und Jugendparlamente. Diese wird getragen von der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente in Trägerschaft des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e. V, dem für die „Jugendstrategie und eigenständige Jugendpolitik“ zuständigen Fachreferat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie aus der Servicestelle Starke Kinder- und Jugendparlamente beim Deutschen Kinderhilfswerk. Das Gutachten wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Termine zum Thema
-
18.10.2023
AGJ-Fachveranstaltung: Aufwachsen in Krisenzeiten. Wie die psychische Gesundheit junger Menschen gestärkt werden kann – Ansätze von der EU bis zur lokalen Ebene
-
15.04.2024
Baukulturelle Bildung in der Kita
-
06.09.2023
Umfrage für Fachkräfte – Kinderrechtebasierte Demokratiebildung im Primarbereich
-
27.11.2023
Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe
-
07.11.2023
„Demokratieprojekte stark machen!“
Materialien zum Thema
-
Anleitung / Arbeitshilfe
Reflexionsbogen zur Erstellung und Weiterentwicklung von Beteiligungs- und Beschwerdekonzepten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 45 SGB VIII
-
Broschüre
Geschichten von Leon und Jelena – Der Rollerführerschein
-
Broschüre
Geschichten von Leon und Jelena – Damit niemand guckt
-
Broschüre
jumblr-Dialog 01: Denkanstöße für die Medienbildung in ländlichen Räumen
-
Zeitschrift / Periodikum
Außerschulische Bildung Nr. 2/2023: „Soziale Ungleichheit in Deutschland“
Projekte zum Thema
-
Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt
-
labconcepts GmbH
Generationen im Gespräch
-
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Kann Spuren von Rechts(populismus) enthalten – Zwischen modernen Mythen und radikalen Vereinnahmungen
-
Diakonie Wuppertal – Soziale Teilhabe gGmbH
„Do it! - Transfer Bund“
-
Beyond A Single Story – Instagram-Kanal zur Sensibilisierung für Migrationsgesellschaft in der Kinder-und Jugendhilfe
Institutionen zum Thema
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
faX Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend für Stadt und Landkreis Kassel
-
Oberste Landesjugendbehörde
Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung
-
Sonstige
Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V.
-
Sonstige
ZAnK – Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation
-
Sonstige
Koordinationsstelle Kinderarmut des LVR-Landesjugendamts (Landschaftsverband Rheinland)