Flucht und Migration

Philologenverband kritisiert Wahrnehmungs- und Handlungsdefizit der Kultusministerkonferenz in der Integrationsdebatte

Enttäuscht hat sich der Deutsche Philologenverband über die kürzlich erfolgten Verlautbarungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zur schulischen Integrationsförderung gezeigt. Der DPhV-Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger sagte dazu in Berlin: "Anstatt die derzeitigen Probleme, angefangen von erschreckenden Sprachdefiziten bei Kindern mit Migrationshintergrund bis hin zu kulturell, ethnisch und sozial bedingten Konflikten an nicht wenigen Schulen, klar zu benennen und konkrete Maßnahmen zu beschließen, hat sich die Mehrheit der Minister gegenseitig auf die Schulter geklopft und auf die angeblichen Erfolge bisheriger Programme und Maßnahmen verwiesen. Es gibt bei der KMK in der Integrationsfrage ganz offensichtlich ein Wahrnehmungs- und Handlungsdefizit."

18.10.2010

"Ehrlicherweise hätte die KMK einräumen müssen, dass sich seit ihrer Erklärung von 2007 zum Thema 'Integration als Chance - gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit' die Situation an den Schulen, insbesondere in sozialen Brennpunktgebieten, nicht wesentlich verbessert sondern eher verschlechtert hat. Missstände wie z.B. verstärkt auftretende Fälle von Schulverweigerung, Beschimpfung von Lehrkräften und Deutschenfeindlichkeit sind auf der KMK-Tagung ausgespart worden. Viele Lehrkräfte haben deshalb nach wie vor das Gefühl, in ihrer schwierigen Aufgabe nicht ausreichend unterstützt zu werden", betonte der DPhV-Bundesvorsitzende.

Meidinger kritisierte auch die Haltung einiger Migrantenverbände, die die diskutierte Deutschpflicht auf dem Schulgelände als 'Stigmatisierung' von Kindern mit Migrationshintergrund und 'Verbot' von deren Herkunftssprache abgewertet hätten. "Natürlich löst eine von oben angeordnete Deutschpflicht die Integrationsprobleme an Schulen nicht grundsätzlich. Dass aber die Einführung einer Deutschpflicht äußerst sinnvoll sein kann, wenn sie auf einer gemeinsamen Übereinkunft von Schülern, Eltern und Lehrern beruht, zeigen inzwischen mehrjährige sehr gute Erfahrungen an Schulen in Hannover, Berlin und Stuttgart. Dort haben die Konflikte ab- und das Gemeinschaftsgefühl zugenommen. Es ist doch allemal besser, wenn sich Kinder auf den Pausenhöfen in einer Sprache miteinander verständigen statt in Gruppen getrennt gegeneinander zu arbeiten und abwertend übereinander zu reden", sagte der Verbandschef.

Dass die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache das Haupthindernis zu einer gelingenden Integration sei, habe - so Meidinger - eine leider zu wenig bekannte PISA-Begleituntersuchung von 2006 (Prof. Petra Stanat) gezeigt, wonach die Chancen eines türkischstämmigen Jugendlichen, das Gymnasium zu besuchen, insgesamt um 80 Prozent geringer sei als bei seinen deutschen Mitschülern. Bei gleicher deutscher Sprachkompetenz jedoch verringere sich dieses Chancendefizit auf Null. Dann bestünden gleiche Bildungschancen bei deutschen und türkischen Schülern. "Dies ist ein eindeutiger Hinweis darauf, wo die Integrationsförderung ansetzen muss, nämlich bei der möglichst frühzeitigen, bereits vorschulischen Sprachförderung!" sagte der Verbandsvorsitzende.

Quelle: Deutscher Philologenverband

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