Gesundheit

Jugendliche aus bildungsnahen Familien sind sportlich aktiver

Fragt man junge Erwachsene, ob sie in ihrer Jugend Sport getrieben haben, bejahen das unabhängig vom Bildungshintergrund der Eltern rund drei Viertel. Betrachtet man hingegen, wie viel Zeit Jugendliche mit sportlichen Aktivitäten verbringen, zeigen sich deutlich niedrigere Werte bei Befragten aus bildungsferneren Elternhäusern. Diesen Befund erläutert Dr. Wido Geis, zuständig für Bildung, Zuwanderung und Innovation am Institut der deutschen Wirtschaft Köln in Ausgabe 30/2017 der IW-Kurzberichte.

31.05.2017

Sport verbessert die Zukunftsaussichten von Jugendlichen deutlich

Sportliche Aktivitäten sind für eine gute Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sehr wichtig. Sie verbessern nicht nur die körperliche Fitness, sondern steigern auch unmittelbar das Selbstwertgefühl und wirken emotional stabilisierend (Tittlbach et al., 2011). Da Selbstwertgefühl und emotionale Stabilität für den Erfolg im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt von Bedeutung sein können, hat Sport selbst hier einen positiven Einfluss. Zudem wirken sich sportliche Aktivitäten in der Jugend positiv auf die Gesundheit im Erwachsenenalter aus, wobei sich der Effekt nicht nur daraus ergibt, dass in der Jugend aktivere Personen auch später aktiver bleiben (Herman et al., 2010). Insgesamt lässt sich also sagen, dass Sport die Zukunftsaussichten von Jugendlichen deutlich verbessern kann.

Die meisten jungen Menschen haben in ihrer Kindheit und Jugend Sport getrieben

Betrachtet man zunächst auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (Wagner et al., 2007), ob junge Erwachsene in ihrer Jugend Sport getrieben haben, scheint der Bildungshintergrund keine Rolle zu spielen. Wertet man die im Alter von 17 Jahren erhobenen Angaben der Jahrgänge 1994 bis 1997 aus und rechnet sie mit den Gewichten für das Jahr 2015 hoch, kommt man zu folgendem Ergebnis: Rund 76 Prozent der jungen Menschen mit Eltern, die beide keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben oder von denen ein Elternteil keinen berufsqualifizierenden und das andere Elternteil einen beruflichen Abschluss hat – im Folgenden der Einfachheit halber Eltern ohne Abschluss genannt –, haben in der Jugend Sport gemacht. Bei Menschen mit Eltern, von denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat – im Folgenden Eltern mit Hochschulabschluss –, liegt der Anteil ebenfalls bei 76 Prozent. Und auch bei Befragten mit Eltern, die einen beruflichen Abschluss haben, ist der Anteil mit 77 Prozent auf demselben Niveau. Dies ist bemerkenswert, da sich die Situation beim Thema Musik völlig anders darstellt. So geben 23 Prozent der jungen Menschen mit Eltern ohne Abschluss, 30 Prozent derer mit Eltern mit beruflichem Abschluss und 45 Prozent derer mit Eltern mit Hochschulabschluss an, in der Jugend aktiv musiziert zu haben.

Der Bildungshintergrund entscheidet über den Umfang der sportlichen Aktivität

Nimmt man die aktuelle sportliche Aktivität der betrachteten jungen Menschen im Jahr 2015 in den Blick, ergibt sich ein deutlich anderes Bild. So betreiben 81 Prozent derjenigen mit Eltern mit Hochschulabschluss, aber nur 59 Prozent derjenigen mit Eltern mit beruflichem Abschluss und 57 Prozent derjenigen mit Eltern ohne Abschluss ihren eigenen Angaben zufolge jede Woche aktiv Sport. Hingegen machen nur 7 Prozent der jungen Menschen mit Eltern mit Hochschulabschluss aber jeweils 19 Prozent derjenigen mit Eltern ohne Abschluss und mit beruflichem Abschluss nie Sport. Dabei ist allerdings anzumerken, dass Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern häufiger eine akademische Karriere anstreben (Fischer / Geis 2013) und sich sportliche Aktivitäten in der Regel mit dem Besuch von Gymnasium und Hochschule besser vereinbaren lassen als mit einer betrieblichen Ausbildung.

Die bisher dargestellten Zahlen liefern also keine befriedigende Antwort auf die Frage, ob und, wenn ja, wie stark der Bildungshintergrund die sportliche Aktivität Jugendlicher beeinflusst. Dies lässt sich nur anhand des tatsächlichen zeitlichen Umfangs dieser Aktivitäten zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Jugendlichen noch zur Schule gehen, also etwa im Alter von 12 bis unter 16 Jahren, klären. Eine geeignete Datenbasis hierfür liefert die Zeitverwendungserhebung des statistischen Bundesamts. Sie basiert auf einer repräsentativen Stichprobe an Haushalten, deren Mitglieder jeweils drei Tage lang Tagebuch darüber führen, welchen Aktivitäten sie zu welchen Uhrzeiten nachgegangen sind. Die aktuellsten verfügbaren Daten stammen aus einer Erhebung in den Jahren 2012/2013. Als Sport werden im Folgenden alle Hauptaktivitäten außer Spazierengehen gezählt, die der üblichen Abgrenzung zufolge in den Bereich „Körperliche Bewegung“ fallen. Hinzugerechnet werden Schul-AGs im Bereich Sport, nicht jedoch der reguläre Sportunterricht, da dieser nicht auf freiwilliger Basis erfolgt.

"Chillen" wird sportlicher Aktivität vorgezogen

Wie die Abbildung zeigt, ist über die Hälfte der 12- bis 16-Jährigen aus Elternhäusern ohne Abschluss an den Beobachtungstagen keiner sportlichen Aktivitäten nachgegangen, während dies nur auf rund ein Drittel der Jugendlichen aus Elternhäusern mit Hochschulabschluss zu-traf. Nur rund jeder siebte Jugendliche aus einem Elternhaus ohne Berufsabschluss war im Schnitt über die Beobachtungstage mehr als eine Stunde sportlich aktiv, wohingegen dies auf mehr als jeden vierten aus einem Haus mit Hochschulabschluss zutraf. Anders als bei der Frage, ob junge Menschen in ihrer Jugend jemals Sport getrieben haben, zeigen sich beim Umfang der sportlichen Aktivitäten von Jugendlichen also deutlich ungünstigere Werte für bildungsfernere Elternhäuser.
Geht man der Frage nach, womit die Jugendlichen aus bildungsferneren Elternhäusern ihre Zeit stattdessen verbringen, zeigt sich, dass sie vor allem mehr „Chillen“ oder „Abhängen“, also fernsehen, Musik hören, Computer spielen oder nichts tun. Die Zeitpotenziale für mehr sportliche Aktivitäten wären also in der Regel durchaus vorhanden.

Ganztagsschulen sollten ausreichend Bewegungsaktivitäten anbieten

Ganztagsschulen können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen so wichtigen sportlichen Aktivitäten zu fördern. Allerdings muss die Konzeption von verpflichtendem Unterricht und freiwilligen Angeboten stimmen. So ist die Warnung des dritten Deutschen Kinder- und Jugendsportberichts (Schmidt et al., 2015), dass es Ganztagsschulen Kindern und Jugendlichen schwerer machen können, sportliche Angebote wahrzunehmen, durchaus berechtigt. Zunächst ist es wichtig, dass Ganztagsschulen in ausreichendem Maße sportliche und Bewegungsaktivitäten anbieten. Dies kann eine große Herausforderung darstellen, wenn ein Engpass an Sportstätten oder geeignetem Personal besteht. Dann sollten die freiwilligen Aktivitäten so gestaltet werden, dass sie auch weniger sportliche Schüler ansprechen, da gerade diese sich in ihrer Freizeit ansonsten zu wenig bewegen.

Sportliche Grundkompetenzen über den Schulsport vermitteln

Insgesamt sollte der Schulsport die Grundlagen für eine aktive Lebensweise auch nach Verlassen der Schule legen. Dafür sollte er insbesondere sportliche Grundkompetenzen vermitteln. So sollten etwa Kinder, die noch nicht schwimmen können, in der Schule schwimmen lernen und Jugendliche den richtigen Umgang mit Hilfsmitteln für den Individualsport, wie Hanteln, einüben. Auch sollte die Schule jungen Menschen nahebringen, warum sportliche Aktivitäten wichtig sind, und den Pflichtsport vorwiegend als Gesundheitssport gestalten. Stark leistungs- und wettkampforientierter Sport sollte den Vereinen und speziellen AGs überlassen bleiben, da dieser für schwächere Schüler demotivierend wirken kann.

<link https: www.iwkoeln.de _storage asset storage master file download iw-kurzbericht_29_2017_jugendliche_aus_bildungsnahen_familien_sind_sportlich_aktiver.pdf external-link-new-window>Download des IW-Kurzberichts mit Literaturangaben (PDF, 180 KB)

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Autor: Dr. Wido Geis

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