DJI-Survey AID:A

Gestresste Jugendliche fühlen sich öfter einsam

Junge Menschen, die sich beim Erwachsenwerden unter Zeit- und Leistungsdruck setzen, erleben laut aktueller DJI-Daten häufiger Einsamkeit. Besonders betroffen sind queere Jugendliche, junge Menschen mit Behinderung oder aus benachteiligten Verhältnissen. Freundschaften helfen – aber nicht immer.

19.06.2025

Schulabschluss, Berufswahl, Auszug aus dem Elternhaus – die gesellschaftliche Erwartung, diese Schritte auf dem Weg des Erwachsenwerdens möglichst reibungslos und zielstrebig zu bewältigen, kann Zeit- und Leistungsdruck erzeugen. Dies geht bei jungen Menschen mit einer erhöhten Einsamkeit einher, wie aktuelle Auswertungen des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz AID:A, erstmals belegen: Demnach fühlen sich unter den 12- bis 17-Jährigen diejenigen signifikant häufiger einsam, die stark oder sehr stark das Gefühl haben, sich mit dem Erwachsenwerden beeilen zu müssen, als Gleichaltrige, die weniger Stress und Zeitdruck empfinden (Mittelwert 5,0 vs. 4,3). Umgekehrt fühlen sich diejenigen seltener einsam, die stark oder sehr stark das Gefühl haben, sich auch mal eine Auszeit oder Zeiten des Nichtstuns leisten zu können als diejenigen, die sich das wenig oder überhaupt nicht vorstellen können (Mittelwert 4,3 vs. 4,7). Erfasst wurde die Einsamkeit anhand der Kurzform der UCLA-Einsamkeitsskala (University of California, Los Angeles) mit Ausprägungen von „3 = selten“ bis „9 = oft“.

„Der Zusammenhang zwischen empfundenem Stress und Einsamkeit kann darauf zurückzuführen sein, dass junge Menschen unter Leistungsdruck weniger freie und selbstbestimmte Zeit für sich selbst und soziale Beziehungen haben“,

erklärt DJI-Jugendforscherin Dr. Anne Berngruber, die zusammen mit Dr. Lisa Hasenbein und Dr. Christine Steiner die Daten auswertete. Umgekehrt sei aber auch möglich, dass die Erfahrung von sozialer Isolation bei den Betroffenen zu einer erhöhten Belastung bei der Bewältigung alterstypischer Herausforderungen führe.

Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung oder Behinderung sind besonders betroffen

Überdurchschnittlich stark von Einsamkeit betroffen sind den Analysen zufolge zudem junge Menschen, die sich nicht der Norm zugehörig fühlen und die oft Diskriminierung oder Mobbing erleben: Junge Menschen, die eine nicht-heterosexuelle Orientierung angeben, also zum Beispiel queere junge Menschen sowie diejenigen, die eine Behinderung oder Beeinträchtigung haben, bei denen also lang andauernde körperliche, kognitive, psychische, emotionale oder gesundheitliche Umstände zu Einschränkungen im Alltagsleben führen.

„Gefühle des Andersseins und des Nicht-Dazugehörens spielen für Einsamkeit eine zentrale Rolle“, 

betont Psychologin und Jugendforscherin Dr. Lisa Hasenbein. Dies trifft in etwas geringerem Maß auch auf diejenigen zu, die selbst oder deren Elternteile beide im Ausland geboren sind sowie auf diejenigen, die in materieller Deprivation leben, was bedeutet, dass sie oder ihre Familie sich notwendige und für den üblichen Lebensstandard charakteristische Ausgaben nicht leisten können. Der Zusammenhang lässt sich sowohl für die Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen als auch für die gesamte Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen von 12 bis 32 Jahren nachweisen, für die mit den AID:A-Daten erstmals eine deutschlandweit repräsentative Stichprobe vorliegt.

Freund*innenschaften können vor Einsamkeit schützen

Ein wirksamer Schutzfaktor gegen Einsamkeit können den aktuellen Auswertungen zufolge Freund*innenschaften sein, wobei es nicht allein auf die Anzahl der Kontakte ankommt. Zwar fühlen sich junge Menschen mit mindestens zwei guten Freund*innen deutlich weniger einsam als jene mit weniger engen sozialen Beziehungen, doch eine noch größere Anzahl an Freund*innen wirkt sich nicht weiter positiv auf das Einsamkeitsempfinden aus. Zudem bewahren Freund*innenschaften Jugendliche nicht generell vor Einsamkeit: Mit soziale Beziehungen sind mitunter auch negative Erfahrungen wie Mobbing verbunden, die zu erhöhter Einsamkeit führen können.

„Um Einsamkeit unter jungen Menschen zu bekämpfen, braucht es niedrigschwellige Unterstützungsangebote, die die spezifischen Bedürfnisse von Risikogruppen berücksichtigen“,

fordert DJI-Wissenschaftlerin Dr. Christine Steiner. Denn Einsamkeit kann erhebliche Konsequenzen für die psychische und physische Gesundheit sowie die soziale Teilhabe haben. Gerade bei jungen queeren Menschen zeigen die AID:A-Daten, dass eine erhöhte Einsamkeit mit einem deutlich eingeschränkten Wohlbefinden, einer deutlich geringeren Lebenszufriedenheit sowie einem subjektiv schlechter empfundenen Gesundheitszustand einhergeht.

Weitere Informationen

Quelle: Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 28.05.2025