Kinderschutz
Genitalverstümmelung: Mehr als 15.000 Mädchen und junge Frauen in Deutschland gefährdet
Auch in Deutschland sind Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht. Darauf macht die Kinderhilfsorganisation Plan International zum UN-Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar aufmerksam.
01.02.2019
Mit der globalen Migration ist die menschenrechtsverletzende Tradition der Genitalverstümmelung auch in Europa angekommen. Deutschland zählt zu den europäischen Ländern mit einer besonders hohen Anzahl an Mädchen und Frauen aus den praktizierenden Herkunftsländern in Afrika und dem Nahen Osten. Mittlerweile leben in Deutschland nach Schätzungen von Terre des Femmes rund 65.000 betroffene Mädchen und Frauen, weitere 15.500 gelten als gefährdet. Das sind fast doppelt so viele Betroffene wie noch vor vier Jahren, die Zahl der als gefährdet eingestuften Mädchen hat sich in diesem Zeitraum sogar fast verdreifacht.
In Hamburg werden Change-Agents ausgebildet
Um gefährdete Mädchen vor einer möglichen Beschneidung zu schützen und von Genitalverstümmelung betroffene Mädchen und Frauen zu unterstützen, führt Plan International in Hamburg das Projekt „Let's CHANGE“ durch. Das Projekt wird von der EU-Kommission und der Stiftung Hilfe mit Plan gefördert. In speziellen Trainings werden sogenannte Change-Agents ausgebildet, die als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren die Aufklärung über die lebensbedrohliche Praktik in ihren jeweiligen Communities vorantreiben. Die betroffenen Familien erfahren, welche Folgen die Genitalbeschneidung für die Mädchen und Frauen hat, wie sie ihre Töchter davor schützen können und welche medizinische Hilfe und rechtlichen Aspekte es gibt.
„Genitalverstümmelung ist in vielen betroffenen Familien ein Tabuthema“, sagt Plan-Projektkoordinatorin Gwladys Awo. „Um das Schweigen zu brechen und Männer wie Frauen zu einer nachhaltigen Abkehr von dieser Tradition zu bewegen, müssen wir sehr umsichtig und behutsam vorgehen. Gerade Menschen, die aus Ländern kommen, in denen Mädchen beschnitten werden, stehen bei uns vor großen Herausforderungen. Viele beherrschen die deutsche Sprache kaum, finden keine Arbeit und haben keinen sicheren Aufenthaltsstatus. Dieser Schwebezustand erschwert einen offenen Austausch zusätzlich. Umso wichtiger ist es, den sozialen Druck für die betroffenen Familien herauszunehmen und Vertrauen aufzubauen.“
Bei der Umsetzung von „Let's CHANGE“ greifen Gwladys Awo und ihr Team auf konkrete Erfahrungen und Erkenntnisse aus bereits umgesetzten Plan-Projekten in Deutschland und mehreren afrikanischen Ländern zurück. So war Plan International bis vor kurzem auch in Hamburger Flüchtlingsunterkünften tätig, um Fachkräfte und Mitarbeitende aus diesem Bereich sowie anderen sozialen Einrichtungen zum Umgang mit weiblicher Genitalverstümmelung zu schulen und betroffene Familien zu beraten.
Neue Informationsbroschüre bietet Handlungsempfehlungen
Sozialwissenschaftlerin Gwladys Awo, in Benin geboren, treibt Plans Arbeit gegen weibliche Genitalverstümmelung in Deutschlang bereits seit 2013 mit großem Erfolg voran. Ihre Expertise im Umgang mit den betroffenen Communities ist auch in das Handbuch „Weibliche Genitalverstümmelung im Flüchtlingskontext“ eingeflossen, das Plan International zum 6. Februar 2019 veröffentlichen wird. Ein solches Nachschlagwerk gibt es bisher noch nicht. Mit der Sach- und Informationsbroschüre richtet sich Plan International an Berufsgruppen wie Angestellte von Sozialbehörden, medizinisches Personal und Mitarbeitende in Flüchtlingsunterkünften und beschreibt Herausforderungen und Handlungsempfehlungen. „Unser Anliegen“, so Awo, „ist es, auch erst seit Kurzem in Deutschland lebende Familien für das Thema zu sensibilisieren - und sie so besser zu integrieren. Das geht nur, wenn wir alle Beteiligten mit in unsere Arbeit gegen die weibliche Genitalverstümmelung einbeziehen.“
Quelle: Plan International Deutschland e.V. vom 01.02.2019
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