Demokratie
Antidiskriminierungsstelle des Bundes legt Jahresbericht 2019 vor
Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldeten Diskriminierungsfälle ist erneut gestiegen. Das gilt insbesondere für rassistische Diskriminierung. Dies geht aus dem Jahresbericht 2019 hervor, den die Antidiskriminierungsstelle vorgestellt hat.
11.06.2020
Deutlicher Anstieg der Anfragen zu rassistischer Diskriminierung
Die Zahl der Beratungsanfragen zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. rassistischen Zuschreibungen stieg 2019 um knapp zehn Prozent auf 1.176 Fälle oder 33 Prozent aller Anfragen bei der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle. Noch 2016 lag ihr Anteil bei nur 25 Prozent. Insgesamt hat die Stelle im vergangenen Jahr in 3.580 Fällen rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent gestiegen (2018: 3.455 Fälle).
Diskriminierung vor allem im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften
Neben der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verteilen sich die Anfragen auf die anderen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmale wie folgt: Zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gingen 29 Prozent der Beschwerden ein. Es folgen Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung (26 %), des Lebensalters (12 %), der Religion (7 %), der sexuellen Identität (4 %) und der Weltanschauung (2 %). Der größte Anteil der berichteten Diskriminierungen geschieht im Arbeitsleben: 36 Prozent der Anfragen bezogen sich 2019 auf Benachteiligungen im Beruf oder bei der Jobsuche. Am zweithäufigsten (26 %) ging es um Diskriminierung bei Alltagsgeschäften, also bei der Wohnungssuche, beim Einkauf, in der Gastronomie oder bei Versicherungs- und Bankgeschäften. Darüber hinaus gingen zahlreiche Anfragen zu Lebensbereichen ein, in denen das AGG nicht greift; dazu zählt auch staatliches Handeln.
Forderung: Deutschland muss mehr für Gleichbehandlung tun
„Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung“, sagte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, bei der Vorstellung des Berichts. „Das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, hat auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Diskriminierung zermürbt.“
Die Antidiskriminierungsstelle fordert den Gesetzgeber in Bund und Ländern deshalb auf, die Rechtsstellung und die Hilfsangebote für Betroffene deutlich zu verbessern. Dabei geht es zum einen um eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und zum anderen um konsequenteres Vorgehen gegen Diskriminierung von Seiten der Länder.
„Eine AGG-Reform gehört dringend mit auf die Tagesordnung des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus. Nötig sind längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, ein Auskunfts- und Klagerecht der Antidiskriminierungsstelle und ein Verbandsklagerecht. Denn wir werden gegen rassistischen Hass in seiner extremsten Form nicht erfolgreich vorgehen können, wenn wir die Diskriminierung im Alltag als nachrangig behandeln“, sagte Franke.
Schutz vor Diskriminierung bei staatlichem Handeln stärken
Auch der Schutz vor Diskriminierung bei staatlichem Handeln müsse eindeutiger gefasst und mit klaren Rechtsfolgen versehen werden. Hier seien vor allem die Länder gefragt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht vor diesem Hintergrund in dem kürzlich in Berlin verabschiedeten Landesantidiskriminierungsgesetz, dem ersten seiner Art in der Bundesrepublik, einen wichtigen Schritt, der Betroffenen unter anderem auch bei Diskriminierung durch Polizeibeamte oder im Bildungsbereich Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffnet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich zudem für den Aufbau von Landes-Antidiskriminierungsstellen in allen Bundesländern aus. Bisher ist das nur in acht von 16 Ländern geschehen. Erst in diesem Frühjahr habe der Europarat Deutschland aufgefordert, ein stimmigeres System zur Unterstützung Betroffener zu schaffen. „Die Stärkung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes darf auch und gerade in der Krise nicht auf bessere Zeiten vertagt werden“, sagte Franke.
Der Jahresbericht steht auf den Internetseiten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Download zur Verfügung.
Zum Hintergrund
Seit dem Jahr 2019 veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Jahresberichte über ihre Tätigkeit. Diese ergänzen den umfassenden Bericht an den Bundestag , den die Stelle einmal in der Legislaturperiode gemeinsam mit den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen und für Migration, Integration und Flüchtlinge sowie anderen zuständigen Beauftragten dem Parlament übermittelt.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie wurde 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingerichtet. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit und Forschung zum Thema Diskriminierung und bietet eine rechtliche Erstberatung für Menschen, die aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuellen Identität, des Alters, einer Behinderung oder des Geschlechts benachteiligt worden sind.
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom 09.06.2020
Termine zum Thema
-
08.04.2024
Fachinput zum Parteienverbot(sverfahren)
-
09.04.2024
Distanzierungsprozesse begleiten. Qualifizierung zum Umgang mit Radikalisierungen bei jungen Menschen
-
17.04.2024
3. Praxisforum CLICK!
-
24.04.2024
Fortbildung: Umgang mit grenzüberschreitendem Verhalten im Team
-
25.04.2024
Vorstellung des neuen Open Source Fördermittelportals für (KJP-) Zentralstellen
Materialien zum Thema
-
Expertise / Gutachten
JAdigital-Expertise: "Digitalisation of social services for children, young people and families in Denmark""
-
Broschüre
Broschüre „Politische Bildung und Jugendarbeit. Handreichung für eine verbindende Perspektive“
-
Zeitschrift / Periodikum
Außerschulische Bildung Nr. 4/2023: Gender und Diversity
-
Broschüre
Diagnostisches Fallverstehen – Psychosoziale Arbeit mit jungen geflüchteten Menschen
-
Zeitschrift / Periodikum
Außerschulische Bildung Nr. 2/2023: „Soziale Ungleichheit in Deutschland“
Projekte zum Thema
-
AGJF Sachsen e.V.
pro:dis – Distanzierungsberatung in Jugendarbeit und angrenzenden Arbeitsfeldern
-
Stadtjugendring Leipzig e.V.
leipzig-wählt.de
-
Künstler-Advokat-Innen e.V.
Af Al Pi Chen – Trotz Alledem
-
Agentur für Soziale Perspektiven e.V.
Queere-Jugend-Berlin.de
-
Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung
Demokratieförderung im Übergangssystem
Institutionen zum Thema
-
Verband / Interessenvertretung
Stadtjugendring Leipzig e.V.
-
Sonstige
cultures interactive e.V.
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
BellZett e.V.
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V.
-
Sonstige
Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.