Jugendarbeit

Verwaltung und Steuerung von Jugendarbeit

Steuerung

Jugendarbeit, wie sie im vorherigen Kapitel definiert wurde, verfügt über eine komplexe horizontal wie vertikal ausdifferenzierte Akteurs- und Governance-Struktur. Diese gliedert sich einerseits in die drei Ebenen der föderalen Struktur der Bundesrepublik – Bund, Länder und Kommunen – wobei Akteure auf allen Ebenen über weitreichende, verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrechte verfügen (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik im Allgemeinen: Entscheidungsfindung in der Jugendpolitik“). Im „dualen Wohlfahrtsstaat“ (Tennstedt 1992) der Bundesrepublik Deutschland ist die Struktur auf allen Ebenen geprägt durch das Nebeneinander von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Wichtige nichtstaatliche Akteure im Feld der Jugendarbeit sind die freien Träger unter anderem auch die Jugendverbände (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Freiwilliges Engagement: Verwaltung und Steuerung des freiwilligen Engagements Jugendlicher“). Für die Jugendarbeit wesentlich ist die kommunale Ebene. Besonders auf dieser Ebene werden Angebote und Aktivitäten der Jugendarbeit angeboten, koordiniert und finanziert.

Staatliche Strukturen

Auf der kommunalen Ebene kommt den örtlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe eine besondere Rolle zu. Dies sind die Landkreise und kreisfreien Städte sowie nach Landesrecht auch kreisangehörige Gemeinden mit eigenem Jugendamt. Teilweise liegt die Verantwortung für die Jugendarbeit auch direkt bei den Gemeinden, auch wenn diese kein eigenes Jugendamt haben. Die kommunalen Jugendämter bestehen aus zwei Säulen: Zum einen der Jugendamtsverwaltung, die für die Umsetzung operativer Aufgaben zuständig ist, zum anderem dem Jugendhilfeausschuss, in dem Grundfragen der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe diskutiert und beschlossen werden – unter anderem zu Angebotsstrukturen und zur finanziellen Förderung der Jugendarbeit (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik im Allgemeinen: Entscheidungsfindung in der Jugendpolitik“). Dem Jugendhilfeausschuss, gehören häufig auch Vertreter/innen von Jugendverbänden an. Dem Jugendamt obliegt die Planung, Koordination, Unterstützung und Qualitätsentwicklung sowie schließlich die Finanzierung von Einrichtungen und Verbänden der Kinder- und Jugendarbeit (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Unterstützung der Jugendarbeit“ sowie Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Qualität und Innovation in der Jugendarbeit“). 

Viele Jugendämter oder Kommunen haben eine eigene Abteilung oder Stelle, die sogenannten Jugendreferate/kommunale Jugendpflege, die sowohl die von Jugendlichen selbstorganisierten Aktivitäten, als auch Angebote freier Träger und Aktivitäten der Jugendverbände im Feld der Jugendarbeit unterstützen. Sie tun dies beispielsweise durch Beratung, Fortbildung und Vernetzung. Die Funktionen dieser Stellen variieren dabei in den einzelnen Ländern deutlich. Die Kommunen sind außerdem Träger von Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit (z.B. Jugendzentren).

Die Länder setzen einerseits Rahmenbedingungen für die Jugendarbeit, andererseits haben sie die Funktion, Träger auf der kommunalen Ebene fachlich und finanziell zu unterstützen. Wichtige Akteure der Länderebene sind die Länderparlamente mit ihrer Gesetzgebungskompetenz zu Fragen der Kinder- und Jugendhilfe sowie die einschlägigen Ministerien. Die einzelnen Bundesländer verfügen über eigene (Ausführungs-)Gesetze zur Kinder- und Jugendhilfe, die auch Regelungen zur Jugendarbeit beinhalten. In einzelnen Ländern werden Leistungen und Fördermittel der Kinder- und Jugendarbeit zudem in eigenständigen Gesetzen zur Jugendförderung definiert. Zudem existieren auf der Landesebene häufig Jugend(förder)pläne als Finanzierungsinstrumente (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Unterstützung der Jugendarbeit > Finanzierung“). 

Ebenfalls auf der Landesebene angesiedelt sind die Landesjugendämter. Sie übernehmen wichtige Unterstützungs- und Koordinationsaufgaben für die Jugendarbeit. Auch die Landesjugendämter bestehen aus einer Fachverwaltung und dem Landesjugendhilfeausschuss, in den Fachpolitiker/-innen und Expert(inn)en berufen werden. Zu den für die Jugendarbeit relevanten Funktionen der Landesjugendämter zählen etwa die Beratung von Praxiseinrichtungen und Verbänden, die Veranstaltung von Fortbildungen für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Förderung von Jugendbildungsstätten (vgl. § 85 (2) SGB VIII).

Wesentlicher Akteur auf der Bundesebene ist das primär zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Siehe Youth-Wiki-Kapitel: „Jugendpolitik im Allgemeinen: Entscheidungsfindung"). Als oberste Bundesbehörde soll das BMFSFJ „die Tätigkeit der Jugendhilfe anregen und fördern, soweit sie von überregionaler Bedeutung ist und ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden kann“. (§ 83 (1) SGB VIII). Eine wichtige Funktion des BMFSFJ liegt in der Erarbeitung von Bundesgesetzen. Sofern Bundesgesetze die Belange der Länder tangieren, ist zudem ein zustimmender Beschluss der Länderkammer (Bundesrat) nötig. Die gesetzgeberischen Aktivitäten auf Bundesebene zielten in der jüngeren Vergangenheit nicht direkt auf die Kinder- und Jugendarbeit, hatten aber dennoch auch Auswirkungen auf das Feld, so etwa die mit dem Bundeskinderschutzgesetz von 2012 eingeführten Regelungen zur Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses für Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Gleiches gilt auch für die seit Juni 2021 geltenden Vorgaben zu einer inklusiven Öffnung der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit.

Im Verantwortungsbereich des BMFSFJ liegt auch der Kinder- und Jugendplan des Bundes. Mit diesem Finanzierungsinstrument (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Unterstützung der Jugendarbeit > Finanzierung“) werden besonders überregionale, bundeszentrale Trägerstrukturen und Vereinigungen der offenen und verbandlichen Jugendarbeit, aber auch modellhafte Projekte, die Weiterentwicklungen des Praxisfeldes anstoßen sollen, gefördert.

Zudem ist das BMFSFJ verantwortlich für den in jeder Legislaturperiode vorzulegenden Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, der die Situation von Kindern und Jugendlichen und der Kinder- und Jugendhilfe zum Gegenstand hat. Dieser jeweils von einer Fachkommission erstellte Bericht versammelt empirische Bestandsaufnahmen, Diskussionen und fachpolitische Positionen zu wechselnden Themenschwerpunkten. In den vergangenen Jahren wurde der Kinder- und Jugendarbeit in den Berichten immer wieder große Aufmerksamkeit geschenkt, so in den Berichten der Jahre 2006, 2012, 2017 und 2020.

Freie Träger

Die Mehrheit der Einrichtungen der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit werden von freien Trägern der Jugendhilfe betrieben. Zudem zählen auch die Akteure der verbandlichen Jugendarbeit (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel: „Jugendarbeit: Allgemeiner Rahmen“) zu den freien Trägern der Jugendhilfe. Auch wenn Angebote der Jugendarbeit überwiegend staatlich finanziert sind, so agieren diese freien Träger und Verbände weder formal rechtlich noch in ihrem Selbstverständnis als Auftragnehmer, die staatliche Politik umsetzen. Vielmehr handeln sie als eigenständige und gleichberechtigte Akteure der Sozialpolitik neben dem Staat. Die Ausgestaltung des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements und damit auch der Kinder- und Jugendarbeit ist somit gleichermaßen Resultat staatlicher Steuerung, wie auch organisationaler und verbandlicher Steuerung aufseiten der freien Träger und der Verbände im Feld der Kinder- und Jugendarbeit.

Auch die freien Träger, besonders die sechs anerkannten Wohlfahrtsverbände (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel: „Freiwilliges Engagement: Verwaltung und Steuerung des freiwilligen Engagements Jugendlicher"), haben parallel zur Ausbildung föderaler staatlicher Ebenen ab dem 19. Jahrhundert verbandliche Strukturen auf der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene ausgebildet. Die internen Strukturen variieren dabei von Verband zu Verband. Aufseiten der freien Träger und Verbände lassen sich zwei wesentliche Akteursgruppen unterscheiden (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel: „Jugendarbeit: Allgemeiner Rahmen“). Dies sind zum einen Jugendverbände als Träger der verbandlichen Jugendarbeit. Die andere Akteursgruppe stellen die Träger der Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit dar. Diese Gruppe ist sehr heterogen, sie besteht aus Kirchengemeinden, den Wohlfahrtsverbänden sowie vielfältigen Initiativen und Vereinen.

Wesentlich ist auch im Falle der freien Träger und Verbände die kommunale Ebene. Es sind in der Regel die verbandlichen Gliederungen der Orts- und Kreisebene, die die Träger von Einrichtungen der offenen Jugendarbeit (z.B. Jugendzentren) sind sowie Angebote der verbandlichen Jugendarbeit bereitstellen und mitfinanzieren (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Unterstützung der Jugendarbeit > Finanzierung“). Die Funktion überregionaler verbandlicher Strukturen liegt in der administrativen, rechtlichen und finanziellen Unterstützung der Angebote auf der kommunalen Ebene, in der Qualifizierung von hauptamtlichen Fachkräften und ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie in der Anregung fachlich-inhaltlicher Weiterentwicklungen. Nach außen kommt den Trägern und Verbänden die Funktion zu, die Interessen ihrer Jugendabteilungen oder Einrichtungen – etwa in Ausschüssen – zu vertreten und so das organisationale Feld mitzugestalten.

Daneben weisen besonders die Jugendverbände eine vertikale Strukturierung jenseits der verbandlichen und organisationalen Einbindung aus. So bestehen einerseits Zusammenschlüsse der spezifischen Verbände auf Landes- und Bundesebene, etwa die Hessische Landjugend oder die Deutsche Landjugend. Daneben stellen die Jugendringe freiwillige Zusammenschlüsse unterschiedlicher Jugendverbände und Jugendorganisationen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene (Deutscher Bundesjugendring, DBJR) dar. Auch über diese Strukturen wird das Praxisfeld der Jugendarbeit nach innen durch fachliche Impulse und Unterstützung gestaltet und nach außen die Interessen der Jugendverbände und junger Menschen gegenüber Dritten vertreten. Analog bestehen auch aufseiten der Träger von Einrichtungen der offenen Jugendarbeit Zusammenschlüsse auf Landes- und Bundesebene, beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Offene Türen Nordrhein-Westfalen (AGOT NRW) auf Landesebene oder die Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen e. V. (BAG OKJE) auf Bundesebene.

Ressortübergreifende Zusammenarbeit

Auf der Bundesebene bestand seit 2018 eine durch das BMFSFJ geleitete Interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) "Jugend", die die Umsetzung der Jugendstrategie der Bundesregierung und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts koordinieren soll. Die Jugendstrategie der Bundesregierung wurde im Dezember 2019 verabschiedet. Zudem bestehen etablierte Kooperationsformen der Kultus- und Jugendminister der Länder, in denen auch für die Jugendarbeit relevante Positionen – etwa zu einem weiten, auch Jugendarbeit integrierenden Bildungsverständnis – beschlossen werden. Eine quasi doppelte Kooperationsstruktur auf der Landes-, vor allem aber auf der kommunalen Ebene stellen die (Landes-) Jugendhilfeausschüsse dar. Dort werden Belange der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt diskutiert. Somit tritt die Jugendarbeit in diesen Gremien in Austausch und Kooperation mit anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Allgemeiner Rahmen“). Zudem gehören den Ausschüssen auch Vertreter*innen anderer Systeme als beratende Mitglieder an, etwa aus dem Bildungssystems oder der Polizei, mit denen kooperiert wird.

Auch die übergeordneten organisationalen und verbandlichen Strukturen, in die Einrichtungen der offenen Jugendarbeit eingebunden sind bzw. die Erwachsenenorganisationen, zu denen Jugendverbände bzw. Jugendabteilungen gehören, lassen sich als Kooperationsstrukturen ansehen. Beispielsweise kooperiert die Jugendabteilung eines Verbandes (z.B. eines Brauchtums-, Feuerwehr- oder Sportvereins) mit der oder den jeweiligen Erwachsenenabteilungen und damit mit Akteuren jenseits des Feldes der Jugendarbeit.

Da die Jugendarbeit ein Element der Kinder- und Jugendhilfe darstellt, lassen sich auch die allgemeinen Gremien der Jugendhilfe als Foren beschreiben, in denen Jugendarbeit mit anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe kooperiert. Solche Kooperationsformate sind etwa der Zusammenschluss der Landesjugendämter in der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Landesjugendämter oder die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), die als zentrale Vertretung der Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe regelmäßig Positionen und Empfehlungen zur Jugendhilfe und eben auch zur Jugendarbeit im Besonderen formuliert. Ihr gehören u.a. die Jugendverbände und Jugendringe, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, Fachorganisationen sowie die Jugendbehörden der Länder und die Landesjugendämter an. Zudem bestehen Zusammenschlüsse der Wohlfahrtsverbände auf kommunaler, Landes-, und Bundesebene („Ligen“ und Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege BAGFW). Weiter stellt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge einen Kooperationszusammenhang dar, dem Vertreter/-innen öffentlicher und freier Träger der Wohlfahrtspflege angehören und der ebenfalls über Empfehlungen, Positionspapiere und Fortbildungsveranstaltungen fachliche Impulse setzt.

Schließlich existieren auf kommunaler Ebene zahlreiche Kooperationen der Jugendarbeit mit Akteuren anderer Sektoren (z.B. Schule, Behindertenhilfe, Politik), etwa bei der Mitwirkung in Gremien und Projekten der Stadtteilarbeit oder bei Projekten zur politischen Bildung. In diesem Zusammenhang wird immer wieder vor Gefahren der Verzweckung der Jugendarbeit für außerhalb ihres Selbstverständnisses liegende Zwecke gewarnt, etwa, wenn Jugendarbeit mit Akteuren der Arbeitsmarktpolitik oder des schulischen Bildungssystems kooperiert (siehe dazu Youth-Wiki-Kapitel „Jugendarbeit: Unterstützung der Jugendarbeit“).

Literatur:

©

Dieser Artikel wurde auf www.youthwiki.eu in englischer Sprache erstveröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung der Übernahme.

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