Umfrage

Viele Mütter fühlen sich finanziell stark belastet

Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs – zahlreiche Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für Mütter. Sie fühlen sich gerade finanziell deutlich stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in den Staat auf einen Tiefpunkt gesunken. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung.

31.01.2023

„Die befragten erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Mütter sind deutlich unzufriedener mit dem Krisenmanagement als der Rest der Bevölkerung“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Die Politik habe lange ignoriert, dass in der Gesellschaft nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit geleistet werden muss – und die bleibe hauptsächlich Sache der Frauen. Für die neue Welle der Befragung, die Kohlrausch zusammen mit den WSI-Forschern Dr. Andreas Hövermann und Dr. Helge Emmler auswertet, wurden im vergangenen November rund 5100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende zu ihrer Lebenssituation befragt. Dieselben Personen waren seit Frühjahr 2020 mehrmals interviewt worden, wodurch Veränderungen im Zeitverlauf ersichtlich werden.

Stärkere Belastung wegen Sorgearbeit

Zwar ist der Anteil der Mütter, die sich insgesamt stark belastet fühlen, im Vergleich zum Beginn der Coronakrise gesunken, als Lockdowns und die Schließung von Kitas und Schulen den Alltag prägten. Er lag im November 2022 aber immer noch bei knapp 30 Prozent – und damit höher als bei allen anderen Gruppen. Im Durchschnitt aller Befragten waren es zum gleichen Zeitpunkt rund 22 Prozent.
 
Auch in den Bereichen Familie, Arbeit und Finanzen hatten Mütter zuletzt höhere Belastungen als andere Gruppen. Besonders auffällig: 40 Prozent der Mütter berichteten von starken finanziellen Belastungen, im Durchschnitt aller Befragten taten dies 27 Prozent.

Die Soziologin Kohlrausch sieht in diesem Zustand ein Alarmzeichen:

„[...] finanzielle Probleme und Armut insbesondere von Müttern sind ja besonders eng verbunden mit der Armut von Kindern und Jugendlichen. Es würde zwei wichtige Verbesserungen darstellen, wenn die geplante Kindergrundsicherung erstens bessere Leistungen ermöglicht und zweitens Hürden abräumt, damit Ansprüche auch wirklich wahrgenommen werden können. Bislang scheitern allzu viele Eltern an der Bürokratie. Eine schnelle Umsetzung eines überzeugenden Konzepts könnte auch helfen, das zuletzt erodierte Vertrauen zurückzugewinnen.“

Weniger Vertrauen in Regierung

Denn im Laufe des letzten Jahres ist der Anteil der Mütter gestiegen, die der Regierungspolitik misstrauen, zeigt die Erwerbspersonenbefragung: Während im Oktober 2021 gut 16 Prozent von ihnen sagten, sie hätten „überhaupt kein Vertrauen“ in die Bundesregierung, waren es gut ein Jahr später 34 Prozent.

Die aktuellen Daten zeigen auch: Betreuungsausfälle zu kompensieren und die psychosozialen Folgen der Pandemie aufzufangen, bleibt bislang überwiegend eine Aufgabe der Mütter. Mehr Unterstützung durch die Männer erhalten sie offenbar nicht: Die Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern hat sich in etwa wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie eingependelt. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern 6 Prozent waren. „Hier lässt sich also eine Verstetigung der schon vor der Krise sehr ungleichen Verteilung der Sorgearbeit feststellen. Damit wird deutlich, dass die von einigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vermutete Egalisierung der Geschlechterverhältnisse während der Pandemie nicht stattgefunden hat“, so Kohlrausch.

Der traditionelle Status Quo in vielen Familien behindere die Erwerbschancen von Frauen ganz erheblich, warnt die WSI-Direktorin. „Daran etwas zu ändern, ist nicht nur Sache der Väter und Mütter. Unternehmen und auch die Politik müssen bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine fairere Aufteilung der Sorgearbeit gelingt“, sagt Kohlrausch. Hierzu gehören auch Maßnahmen für mehr Arbeitszeitsouveränität und Arbeitszeitverkürzung. Die Organisation von Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit muss zusammen gedacht werden, betont die Wissenschaftlerin.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung vom 25.01.2023

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