Sprachstörungen bei Kindern
Uni Halle startet Projekt zur vernetzten Förderdiagnostik
Wie sich die Unterstützung und Förderung von Kindern mit Sprach- oder Kommunikationsstörungen in Kitas und Schulen digital besser koordinieren lässt, steht im Zentrum des neuen Projekts „Spr@chnetz" der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).
06.07.2021
Im Rahmen von „Spr@chnetz" soll eine digitale Plattform entwickelt werden, über die Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte, Therapeutinnen und Therapeuten, Eltern und weitere Beteiligte sich gemeinsam über die Förderung der Kinder austauschen und abstimmen können. Geplant sind auch digitale Weiterbildungsangebote. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit rund 1,4 Millionen Euro.
Sprachstörungen gehören zu den häufigsten Entwicklungsstörungen
Knapp sieben Prozent der Kinder sind in Deutschland betroffen. Hinzu kommt eine große Anzahl an Risikokindern und Kindern, deren Sprachentwicklung infolge unterschiedlicher Faktoren gestört ist. Häufig werden die Probleme jedoch erst spät erkannt und therapiert. Das kann weitreichende Folgen haben:
„Langfristig sind diese Kinder in ihrer Bildungsbiographie gefährdet, sie erreichen in der Regel geringere Bildungsabschlüsse und bilden häufig eine Lese-Rechtschreib-Schwäche aus", erklärte der Sprachheilpädagoge Prof. Dr. Stephan Sallat von der MLU, der das neue Projekt gemeinsam mit dem Psychologen Prof. Dr. Torsten Schubert leitet.
An der Versorgung der Kinder sind neben den Eltern sehr viele Einrichtungen beteiligt, zum Beispiel die Kindertagesstätte, die Grundschule, die Sprachheilschule, Sprachtherapiepraxen, aber ebenso Kinderarzt-, Phoniatrie- und psychologische Praxen.
"Alle diese Bereiche haben etwas mit sprachlicher Bildung, Sprachförderung oder Sprachtherapie zu tun, aber der Austausch untereinander findet noch zu selten statt. Stattdessen arbeiten die einzelnen Akteure häufig isoliert voneinander", so Sallat.
Digitale Plattform soll interdisziplinären Austausch fördern
Das sei nicht auf die fehlende Motivation der Beteiligten zurückzuführen, so der Forscher. Oftmals fehle im Alltag die Zeit für einen intensiven Austausch, erschwerend kommen im Flächenland Sachsen-Anhalt auch größere Distanzen zwischen den Einrichtungen hinzu. Hier setzt das neue Projekt an: Mit Hilfe einer digitalen Plattform soll der interdisziplinäre Austausch über konkrete Fälle erleichtert und so ein ganzheitliches Diagnostik- und Förderkonzept für die inklusive Bildung in Kitas und Schulen umgesetzt werden. Geplant sind ebenso digitale Weiterbildungsangebote, die über die Plattform absolviert werden können, und regelmäßige landesweite Vernetzungstreffen für die beteiligten Akteure.
Unterstützt wird die Arbeit im Projekt durch das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen an der MLU, das seit vielen Jahren Erfahrung im Einsatz digitaler Lern-Lehr-Tools hat. Ein Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit liegt darauf, die hohen Anforderungen an den Datenschutz beim Umgang mit vertraulichen Patientendaten zu gewährleisten.
"Wir werden dieses System mit und für die Praxis entwickeln, damit es von möglichst vielen Stellen gewollt und auch genutzt wird", sagte Sallat.
Auch Studierende der MLU sollen das System nutzen, Lernmodule absolvieren oder sich im Umgang mit der Plattform und der Erstellung von Förderplänen für Kinder mit Sprach- und Kommunikationsstörungen versuchen.
Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt
In den ersten drei Jahren sollen die technischen und inhaltlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Anschließend geht es darum, das System gemeinsam mit Politik und Kindertagesstätten sowie Schulen in die Praxis zu überführen und reale Fälle zu bearbeiten. Langfristig soll das Projekt im Idealfall verstetigt werden und könnte auch für die Förderung anderer Kindergruppen und in anderen Bundesländern genutzt werden.
Beteiligt als Praxispartner sind weiterhin die Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde mit der Phoniatrie, das Ambulatorium Sprachtherapie der MLU und die Kitas der Franckeschen Stiftungen. Ebenso haben das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration und das Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt ihre Unterstützung zugesagt.
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 05.07.2021
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