Im Gespräch

Kultur und Corona – Theaterproben über Zoom?! Besser als gar nicht!

Wie bewegen sich ein alter Esel mit Rückenschmerzen oder ein Räuber mit lauter unlauteren Absichten? Im theaterpädagogischen Angebot des COMEDIA Theaters in Köln probieren schon Kinder ab drei Jahren, wie es sich anfühlt, in andere Rollen zu schlüpfen. Normalerweise – denn während der Corona-Epidemie war alles anders.

19.08.2021

Wie ist die Organisation, wie sind die Kinder und Jugendlichen durch die Pandemie gekommen? Das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe ist diesmal mit Klaus Schweizer, Geschäftsführer der COMEDIA, über den Theateralltag in einer Pandemie im Gespräch. Die COMEDIA ist seit kurzem Zentrum der Kultur für junges Publikum in Köln und NRW wird und von der Stadt Köln, dem Land NRW und Stiftungen finanziert wird.

Herr Schweizer, wie gut konnten Sie Ihr Motto: „Mitspielen*mitmischen“ in den letzten anderthalb Jahren umsetzen?

„Es war schwierig. Theater lebt natürlich von den Zuschauern, vom Kontakt der jungen Schauspielerinnen und Schauspielern untereinander, vom Sich-Zeigen-Können. Zuschauende gab es nicht, persönlicher Kontakt war überwiegend nicht möglich, Sich-Zeigen-Können mit Maske, na ja…“

Kinder und Jugendliche erhalten von uns Profis das Handwerkszeug, ihr eigenes Erleben künstlerisch auszudrücken

Was machen Sie im COMEDIA-Theater normalerweise?

„Wir kooperieren mit Schulen, Kitas und Jugendeinrichtungen und verstehen uns als außerschulischer Lernpartner: Kinder und Jugendliche – jedweder Herkunft und Nationalität, ob mit Behinderung oder ohne – werden mit theaterpädagogischen Mitteln an Theaterkunst heran geführt. Sie erhalten von uns Profis das Handwerkszeug, ihr eigenes Erleben künstlerisch auszudrücken. Sie können professionelle Theater-Produktionen anschauen oder durch Recherche, Texte und die Gestaltung von Requisiten aktiv begleiten: das fängt bei den „Bremer Stadtmusikanten“ an, geht über „Eltern im Outer Space“ bis hin zur aktuellen Produktion „20.000 Meilen unter dem Meer“.

Unsere acht so genannten „Theater-Kollektive“ arbeiten jeweils als Gruppe gemeinsam für ein Jahr an einer eigenen Performance. Was sie zusammen erarbeitet haben präsentieren sie auf dem jährlichen Bohei-Festival vor Publikum. Unsere Projekte in den Kölner Stadtteilen erreichen normalerweise auch Kinder und Jugendliche aus Familien mit wenig Einkommen und solche mit Migrationshintergrund.“ 

Konnten Sie während der Pandemie Angebote machen?

„Unser Angebot lief eingeschränkt weiter. Wir hatten für das diesjährige Bohei-Festival allerdings nur zehn wirkliche Probentage in Präsenz – sonst sind es 100. Viele Jugendliche waren dennoch erstaunlich diszipliniert. Sie haben über Zoom geprobt und dies selbst organisiert, Kontakt zueinander über Telefon und Mail gehalten. Sie haben theatrale Übungen zu Haus umgesetzt, mit den Eltern und den Geschwistern im Wohnzimmer. Das Kollektiv, das sich mit Tanz beschäftigt, hat Einzeltänze bei uns im Theater abgefilmt und zu einem ganzen Film zusammengeschnitten. Bei den wenigen Präsenzproben haben wir getestet, Maske getragen, Abstand gehalten.“ 

Es geht vor allem um Kontakt halten. 

Das alles war also besser als nichts zu tun?

„Auf jeden Fall. Vor allem ging es darum, überhaupt in Kontakt zu bleiben. Das jeweilige Produkt, das sonst am Ende eines gemeinsamen Jahres steht, war nicht mehr so wichtig. Trotzdem haben sich alle gefreut, dass das Bohei-Festival vor kurzem live vor Publikum stattfinden konnte.“

Was bedeutet das Theaterspielen für die Kinder und Jugendlichen?

„Es ist meiner Meinung nach essentiell. Die Kinder und Jugendlichen lernen miteinander zu kommunizieren, sich in Sprache und Körpersprache auszudrücken. Die Rolle, die Verkleidung, „Maske“ wie wir sagen, ist ein Schutz und die Möglichkeit, sich auszuprobieren. In einer Rolle darf ich weich sein, darf aggressiv sein, weinen, mich freuen. Die Aufgabe, in eine Rolle zu schlüpfen, erfordert das – das ist auch wie eine Erlaubnis. Außerdem bekommen die Kinder Lob und Anerkennung, können Freundschaften schließen – und wenn es per Zoom ist.“ 

Waren alle Kinder und Jugendlichen gut erreichbar?

„Es gab auch die „Frustrierten“, genau wie bei den Erwachsenen. Sie haben sich zurückgezogen und eingeigelt. Besonders schwierig war unsere Stadtteilarbeit, etwa in Köln-Mülheim oder Kalk, wo wir häufig mit Familien mit Migrationshintergrund arbeiten. Normalerweise machen wir dort Theaterprojekte vor Ort. Wenn jedoch kein persönlicher Kontakt möglich ist, wird es schwierig. Oft ist kein Computer vorhanden oder nur einer für alle Familienmitglieder. Es müsste ein oder eine Theaterpädagog*in in die Familien gehen, um den Kontakt zu halten. Aber dafür fehlen uns die Kapazitäten.

Letztlich war die Situation aber für alle schwierig, auch für die so genannten „Bildungsbürger“. Unsere Dozentinnen und Dozenten haben versucht, über Telefon zu motivieren, manchmal auch mit kleinen Tricks, so etwas wie: „Du bist doch ein bisschen verliebt in die Tanja. Die ist auch dabei“. Das hat dann manchmal funktioniert.“

Sind Sie während der Pandemie finanziell unterstützt worden? 

„Wir haben Corona-Hilfen von der Stadt, vom Land und vom Bund erhalten. Die Stiftungen, die uns kontinuierlich fördern, waren sehr kooperativ. Sie fördern zwei befristete halbe Stellen für Theaterpädagoginnen, die mehrere Sprachen sprechen und die Stadtteilarbeit machen. Die beiden mussten in Kurzarbeit gehen, aber die verloren gegangene Zeit kann hinten dran gehängt werden.“ 

Ihr Ausblick?

„Wir haben in der Pandemie noch stärker als sonst gespürt, wie wichtig der Kontakt für unsere Kinder und Jugendlichen ist. Gerade die, die wenig Zugang zu Bildung haben,  haben gelitten. Sie brauchen jetzt besondere Unterstützung. Da kommt auf uns alle viel Arbeit zu.“ 

Das Interview führte Christina Budde

Informationen zum Projekt

Unter dem Punkt „Mitspielen*Mitmischen“ fasst das COMEDIA Theater alle partizipativen Angebote, bei denen sich Interessierte aktiv einbringen. Durch das eigene künstlerische Tun können die jungen Teilnehmer*innen so eine persönliche Meinung zu Theaterkunst entwickeln und selbstbewusst damit umgehen. Mehr auf: www.comedia-koeln.de/theaterlabor/mitspielen-mitmischen/ 

Redaktion: Iva Wagner

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