Montenegro

Jugendliche in Konzepte der Alkoholpolitik einbeziehen

Übermäßiger Alkoholkonsum ganz zu bleibenden Schäden führen und wird trotzdem viel beworben. Kinder und Jugendliche sind oft noch nicht darin geschult schädliche Werbung zu erkennen. Sanja Šišović ist Programmdirektorin bei CAZAS, einer nichtstaatlichen Organisation für öffentliche Gesundheit in Montenegro, in der sie jungen Menschen im Hinblick auf ihre Gesundheit und ihren Zugang zu Gesundheitsleistungen eine Stimme verleiht.

30.09.2022

„Als Kind ist man nicht darin geschult, über Politik oder die Kommerzialisierung nachzudenken. Da genießt man nur sein Leben, lernt und trifft sich mit Freunden. Deshalb werde ich wütend, wenn ich sehe, wie Menschen diesen Teil des Lebens, des Erwachsenwerdens nutzen, um Kinder mit den falschen Informationen zu beeinflussen.“

Sanja Šišović ist Programmdirektorin bei CAZAS, einer nichtstaatlichen Organisation für öffentliche Gesundheit in Montenegro, in der sie jungen Menschen im Hinblick auf ihre Gesundheit und ihren Zugang zu Gesundheitsleistungen eine Stimme verleiht. Darüber hinaus ist die Vizepräsidentin der International Youth Health Organization, eines wachsenden Netzwerks, das junge Menschen dabei unterstützt, sich aktiv an Präventionsprogrammen, Forschung, Politik und Führungsarbeit zu beteiligen. Eines der Themen, auf das sie aufmerksam macht, sind alkoholbedingte Schäden:

„Die Alkoholindustrie geht bei der Bewerbung der unterschiedlichen Elemente des Alkoholkonsums unglaublich aggressiv vor. Das müssen wir kontinuierlich bekämpfen. Selbst, wenn wir gute Gesetze ausarbeiten, ist es jedes Mal ein Kampf, um sicherzustellen, dass diese Gesetze auch ordnungsgemäß umgesetzt werden. Zudem müssen wir in Präventionsprogramme investieren. Daher müssen wir uns um einen positiveren Ansatz für all diese Maßnahmen bemühen.“

Digitale Vermarktung von Alkohol

Sanja macht sich Sorgen, dass junge Menschen in einer Welt aufwachsen, in der Alkohol eine solch große Rolle im Alltag spielt. Zudem sorgt sie sich über die Taktiken der Branche, wie etwa die digitale Vermarktung:

„Die meisten Kinder und jungen Menschen, insbesondere Jugendliche, verbringen viel Zeit im Internet, mindestens ein paar Stunden am Tag, in denen sie durch die sozialen Medien scrollen. Und wenn sie eine Werbeanzeige, Artikel und Bilder sehen, die Menschen beim Trinken zeigen und auf positive Weise unterschiedliche alkoholische Getränke bewerben, ist das äußerst gefährlich.“

Infolgedessen, sagt Sanja, wachsen viele junge Menschen in dem ungesunden Glauben auf, dass der Konsum von Alkohol gesellschaftlich akzeptiert oder sehr männlich ist, oder dass der Verzehr eines sehr teuren Weins Sinnbild einer mächtigen Frau ist. Sanja erklärt, es sei keine leichte Aufgabe, die sozialen Medien zu überwachen, daher müsse man jungen Menschen dabei helfen, die richtigen Informationsquellen zu wählen. Zudem müsse man sie darin unterstützen, relevante Gesundheitsinformationen zu verstehen und ihnen das vollständige Bild zum Thema Alkohol präsentieren, etwa, dass er Menschen traurig machen kann. „Wenn ihnen alle Fakten zur Verfügung stehen, sind sie besser in der Lage, gesündere Entscheidungen zu treffen.“

Gesundheitskompetenz und Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln

Alkoholkonsum ist in der Europäischen Region der WHO für ein Viertel aller Todesfälle bei Menschen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren verantwortlich, zumeist in Verbindung mit Verletzungen und Gewalt. Darüber hinaus trägt er zu über 200 Krankheiten, gesundheitlichen Problemen und Arten von Verletzungen bei, darunter mindestens sieben Arten von Krebs. Rund 2500 Menschen sterben jeden Tag in der Europäischen Region infolge von Alkoholkonsum. Doch Sanja denkt, dass sich die Dinge langsam ändern.

„Mir fällt auf, dass immer mehr junge Menschen sich für einen gesünderen Lebensstil entscheiden, auf Alkohol verzichten, sich mehr bewegen, auf ihre Ernährung achten und bei Bedarf auf Angebote der psychischen Gesundheitsversorgung zurückgreifen. Aber mir fällt auch auf, dass es uns an Programmen fehlt, die sie dazu befähigt, diese Entscheidungen zu treffen.“

Sanja verweist darauf, dass zwar viele junge Menschen realisieren, dass Alkohol schädlich ist, es ihnen aber an Fähigkeiten fehlt, um sich Gruppenzwang, gesellschaftlichem Druck, den Medien, der Werbung und sogar Druck aus der eigenen Familie zu widersetzen. Sie ist der Ansicht, dass es an der Zeit ist, dass Programme und Handlungskonzepte für junge Menschen entwickelt werden, die sie aktiv einbeziehen.

„Man kann kein entsprechendes Programm in Schulen durchführen, wenn junge Menschen das Gebäude verlassen und für 1 Euro Alkohol direkt vor der Schule kaufen. Das ergibt keinen Sinn. Wenn junge Menschen miteinbezogen werden, haben sie die Macht, Dinge zu verändern, das positive Beispiel zu sein, das ihnen fehlt, und für das Feedback zu sorgen, das an vielen Stellen fehlt. In vielen Situationen verfügen wir nicht über die notwendigen Daten, die uns zeigen, warum etwas nicht funktioniert, doch junge Menschen würden uns das anhand ihrer eigenen Erfahrungen sagen.“

Junge Menschen gestalten die Zukunft

Seit 2019 hat WHO/Europa die beste verfügbare Evidenz zusammengetragen, um den Handlungsrahmen für die Alkoholpolitik in der Europäischen Region (2022–2025) auszuarbeiten, in dem die wirksamsten vorrangigen Handlungsfelder für Politiker dargelegt werden, um den Alkoholkonsum und die durch ihn bedingten Schäden einzudämmen.

Sanja erklärt, dass sie sich inspiriert fühlt von der Schaffung einer internationalen Bewegung junger Gesundheitsaktivisten aus aller Welt, die eng mit der WHO zusammenarbeiten. Doch genau wie andere junge Fürsprecher fordert auch sie die Präsenz junger Menschen am Runden Tisch der Politik.

„Wenn wir wirksame Konzepte wollen, müssen wir junge Menschen in deren Gestaltung, Umsetzung und Überwachung einbeziehen, denn junge Menschen sind die sich am schnellsten entwickelnde Gemeinschaft weltweit. Ich bin ein junger Mensch, und wenn ich durch die sozialen Medien scrolle, muss ich Inhalte sehen, die jetzt trendig sind, die sich rasch verändern, doch der Prozess des politischen Wandels ist ein langsamer.“

Positive Vorbilder für Gesundheit

Sanja sagt, sie sei sich nicht sicher, ob sich die meisten Akteure und Entscheidungsträger der weitreichenden Folgen des Alkoholkonsums bewusst sind, und dass die Förderung einer sinnvollen Beteiligung der Jugend an der Politikgestaltung auch umfassen müsse, das Bewusstsein für die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erhöhen. Sanja hebt hervor, dass viel Abfall durch die Produktion von Alkoholprodukten entsteht und viele der beschränkten Ressourcen aufgebraucht werden, um etwas herzustellen, dass der Gesundheit schadet. Doch sie glaubt auch, dass eine der wirksamsten Interventionen darin besteht, positive, junge Vorbilder in der Gemeinschaft zu unterstützen, statt ihnen Vorgaben zu machen.

„Wenn wir junge Menschen hätten, die motiviert sind, die Welt zu verändern und die Gesundheit von Kindern in allen Schulen, in allen Städten der Welt zu verbessern, dann würden sich auch die gesellschaftlichen Werte ändern. Diese jungen Menschen brauchen unsere Unterstützung, um gemeinsam mit den maßgeblichen Akteuren an einem Tisch sitzen zu können, und sie brauchen Finanzmittel für Kampagnen, die sie in ihren Gemeinschaften starten wollen, und sie müssen von den Medien wahrgenommen und von unseren Organisationen gefördert werden. Man stelle sich vor, wie die Welt dann aussehen könnte.“

Quelle: World Health Organization (WHO) vom 14.09.2022

Redaktion: Silja Indolfo

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