Studie
Jugendbeteiligung in der Lausitz: Gute Prozesse, wenig Wirkung
Für die Umgestaltung der deutschen Kohleregionen werden enorme Mittel bereitgestellt. Wie stehen die Chancen für junge Leute, sich an der Neugestaltung zu beteiligen? Welche Hoffnungen haben sie? Für eine Studie des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS) sind Beteiligungsprozesse daraufhin untersucht und Interviews geführt worden.
01.10.2024
Bis spätestens 2038 will die Bundesrepublik aus der Kohle aussteigen und den Kohlebergbau beenden sowie -kraftwerke schließen. Für einen sanften Übergang dieses umfassenden regionalen Veränderungsprozesses fließen erhebliche Strukturhilfen in die ostdeutsche Lausitz. „Es besteht die Sorge, dass noch mehr junge Menschen abwandern als ohnehin schon geschehen“, erläutert RIFS-Wissenschaftler David Löw-Beer die regionale Situation. Zugleich herrsche mittlerweile vor Ort ein Mangel an Fachkräften. Deshalb sei Jugendbeteiligung ein Weg, um einerseits besser auf die Interessen junger Menschen einzugehen, und andererseits blieben junge Menschen eher an den Orten oder kehren nach einer Ausbildung an die Orte zurück, wo es Möglichkeiten zur Beteiligung gibt und gab.
„Es gibt zudem die rechtliche Verpflichtung, junge Menschen an allen sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen. Dafür sprechen sich alle demokratischen Parteien in Brandenburg und Sachsen aus“,
sagt Studien-Erstautor Löw-Beer.
Wie die Tagebauregionen künftig aussehen sollen, welche Infrastrukturen nötig sind und wie ländliche Regionen gestaltet sein können, darüber wird vor Ort verhandelt. Für die Studie „We are ignored rather than attacked politically“ sind vier Prozesse zur Jugendbeteiligung in der Lausitz daraufhin untersucht worden, ob es Jugendlichen möglich ist, an Verhandlungen bei regionalen Transformationsprozessen mitzuwirken. Es wurden unter anderem Interviews mit Jugendbetreuenden, jugendlichen Teilnehmenden und Politiker*innen geführt.
Für die Analyse sind zwei Ansätze kombiniert worden: Masseys Raumbegriff, der Vorstellungen junger Menschen über die Gestaltung von Orten und Räumen innerhalb wirtschaftlicher, politischer und generationenübergreifender Machtverhältnisse untersucht. Und das P7-Modell für Jugendbeteiligung von Cahill und Dadvand, welches Dynamiken in Beteiligungsprozessen von Kindern und Jugendlichen untersucht.
Die Strukturen für eine gelingende Jugendbeteiligung sind in Brandenburg gegeben. Der Landtag hat 2022 einen Beschluss gefasst, der eine umfassende Beteiligung junger Menschen am Strukturwandel einfordert. Eine solche Jugendbeteiligung auf Regionalebene ist bundesweit einzigartig. In den vergangenen Jahren sind hierfür Unterstützungsstrukturen geschaffen worden. Jetzt gilt es, in die konkrete Umsetzung zu kommen.
Vier Initiativen für Jugendbeteiligung im Fokus
Die vier Prozesse #MISSION2038, Planathon, RUP und JuFoNa lagen im Fokus des RIFS-Forschungsteams. Es handelt sich dabei um die vier größten und bekanntesten Jugendbeteiligungsinitiativen, die sich mit der Veränderung in der Lausitz befassen.
- #MISSION2038 ist ein lebensweltorientiertes Modellprojekt, bei dem junge Leute eigene Projektideen entwickeln und dabei begleitet werden, sie umzusetzen - und sie werden in kleinem Maß gefördert. Beispiele dafür sind Jugendclubs oder Jugendstadträte.
- JuFoNa: Das Jugendforum Nachhaltigkeit ist eine von jungen Menschen entwickelte Struktur, die sich dafür einsetzt, ihre Interessen in der Nachhaltigkeitspolitik Brandenburgs zu vertreten.
- Planathon: ist ein Verfahren eigenständiger Mitwirkung. 40 junge Personen haben ein Wochenende lang Projektskizzen und Ideen entwickelt, die durch die Hilfen im Strukturwandel gefördert werden könnten.
- RUP: Beim RevierUpGrade stehen politische Bildung und Emanzipation von jungen Menschen allgemein sowie Engagierten vor Ort im Mittelpunkt.
„Die Prozesse zeigen auf eindrucksvolle Weise, wie ernsthaft junge Menschen konkrete, umsetzbare Ideen für ihre Region entwickeln wollen und können. Die Verfahren selbst sind methodisch sehr durchdacht und werden gut umgesetzt“,
sagt Wissenschaftler David Löw-Beer über das Studienergebnis. Die beteiligten politischen Entscheidungstragenden seien regelmäßig begeistert von der Qualität der Vorschläge junger Leute und lobten sie. Jedoch fehlten am Ende Prozesse, um die Ideen zu integrieren.
„Dabei geht es den jungen Menschen nicht darum, dass ihre Vorschläge eins zu eins umgesetzt werden. Sie sind aber frustriert, wenn sie keine konkrete Rückmeldung erhalten, warum eine Idee nicht umgesetzt wird“,
sagt Löw-Beer. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten zeigten die Jungen ein erstaunliches Beharrungsvermögen und es gelinge ihnen beispielsweise über Öffentlichkeitsarbeit politisch Entscheidungstragende zumindest dazu zu bringen, ihre Vorschläge an Fachagenturen weiterzuleiten.
Löw-Beer empfiehlt eine intensivere Vorbereitungsphase auf partizipative Prozesse sowohl der jungen Teilnehmenden als auch der politischen Entscheidungstragenden und zwar bezüglich der Erwartungen und Verantwortlichkeiten. Zugleich gehe es nicht nur darum, Raum zur Verfügung zu stellen, sondern Erwachsene müssten für Veränderungen offen sein.
Quelle: Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam vom 30.09.2024
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