Im Gespräch
Jugend und Corona – Als südafrikanischer Auszubildender in Deutschland während der Pandemie
Für unsere Reihe „Im Gespräch“ haben wir mit Bongani gesprochen. Er ist ein junger Südafrikaner, der gerade, mitten in der Corona-Pandemie, seine Ausbildung zum Krankenpfleger in Deutschland macht. In einem Gespräch mit dem Fachkräfteportal der Kinder und Jugendhilfe berichtet er vom Einfluss der Pandemie auf seine Ausbildung und sein Leben in Deutschland und teilt seinen Blick auf die Pandemiefolgen in Südafrika mit uns.
28.05.2021
Bongani, erzähl doch mal: Wer bist du und woher kommst du? Was hat dich nach Deutschland gebracht?
„Ich komme aus Nelspruit in Südafrika an der Grenze zu Mosambik und Swasiland, also ganz oben in der Ecke. Momentan mache ich meine Ausbildung zum Krankenpfleger in Gütersloh und Bielefeld. Wir machen die Ausbildung in vier Blöcken und wenn wir fertig sind, können wir in jedem Bereich arbeiten und schauen was uns davon am besten gefällt. Ich bin im dritten Lehrjahr und fast fertig.“
Ausbildung während einer Pandemie
Du hast schon vor der Pandemie mit deiner Ausbildung begonnen. Wie beeinflusst die Corona-Pandemie deinen Ausbildungsalltag im Vergleich zur Zeit davor?
„Es war besser in Präsenz zu lernen! Man kann besser fragen, wenn die Dozentin vor einem steht und man etwas nicht so gut verstanden hat. Auch die Kolleg*innen direkt zu fragen war besser: Mit ihnen zu sprechen und direkt im Klassenraum zu sein, war richtig gut, da konnte ich besser lernen. An das Digitale musste ich mich erstmal gewöhnen, vorher habe ich privat schon Zoom genutzt, aber sonst eigentlich nichts. Es war am Anfang richtig anstrengend, weil jeder viel alleine arbeiten musste. Viele Leute waren auch nicht richtig motiviert jeden Tag alles online zu machen. Und für mich war noch besonders schade, dass auch noch alle Sprachkurse, zum Beispiel auch zu medizinischer Fachsprache, abgesagt wurden wegen Corona. Ich wollte gerne mein Deutsch noch verbessern!“
Und hat sich auch deine Arbeit im Krankenhaus verändert?
„Die Praxisausbildung lief einfach normal weiter wie vorher aber mit vielen Corona-Maßnahmen und hygienischen Regeln. Wir waren am Anfang der Pandemie auch vom Mangel an Schutzmaterial betroffen. Da haben wir zum Beispiel Patienten gepflegt, die kamen von irgendwo zurück aus dem Urlaub, zeigten dann Symptome aber hatten noch kein Testergebnis. Wir mussten die dann pflegen und waren im Zimmer ohne Masken. Und ein paar Tage später kam dann heraus, dass ein Patient wirklich Corona hatte und wir mussten als ganze Station alle in Quarantäne gehen.
Ich hatte zum Glück kein Corona bis jetzt, aber ich habe jeden Tag Angst gehabt. Ich habe mir auch immer gesagt, dass ich nicht so viel in unser Dienstzimmer gehen wollte, das ist so klein und so viele Leute darin ohne Maske. Da hatten wir immer Angst, dass wir uns anstecken: Jeder kommt ja aus einem anderen Haushalt, mit dem Zug oder der Tram zur Arbeit, man war Einkaufen und dann alle zusammen in diesem kleinen Zimmer. Da habe ich mir immer gedacht: „Wenn ich draußen nicht Corona bekomme, dann bekomme ich es hier in dem kleinen Zimmer. Da wurden wir auch noch nicht regelmäßig getestet, da hatten wir wirklich Glück, dass wir uns nicht gegenseitig angesteckt haben.
Jetzt werden wir alle regelmäßig getestet und ich werde hoffentlich bald auch geimpft. Als im Krankenhaus bei uns alle geimpft wurden, hatte ich keinen Praxisblock, sondern einen Online-Lernblock und wurde deshalb nicht geimpft, weil wir zu Hause waren.
Es ist einfach wichtig, dass wir uns richtig an die hygienischen Maßnahmen halten. Und wenn wir uns nicht selbst schützen bringen wir ja auch sonst andere Patienten in Gefahr!“
Südafrika und Corona
Südafrika ist ein Land das schwer von der Pandemie betroffen ist und wo das Virus bereits früh mutierte. Wie schätzt du die Entwicklung der Pandemie dort ein?
„Seit Beginn von Corona war ich nicht mehr in Südafrika, das letzte Mal war ich im Oktober 2019 dort und das auch leider nur ganz kurz. Da wo ich herkomme waren am Anfang die Infektionszahlen noch sehr niedrig. Dort sind Dinge einfach langsamer, weil es keine so große Stadt ist wie z.B. Johannesburg und auch nicht so viele Menschen reisen. Die Pandemie ist dort erst später eskaliert. Erst nach vier Monaten kam dort ein Lockdown mit vollständiger Ausgangssperre. Das war richtig hart, denn dort in der Region sind 40% der Menschen arbeitslos und verdienen ein bisschen Geld damit irgendetwas auf der Straße zu verkaufen. Sie können nicht lange Zeit in einer Ausgangssperre zu Hause überleben. Das war ein richtiges Problem genau wie die Polizeikontrollen. Die waren richtig brutal in vielen Townships wo viele schwarze Südafrikaner wohnen. Da hat man deutlich gesehen wie ungerecht die Behandlung zwischen schwarzen und weißen Südafrikaner war! Es war hart zu sehen wie ungleich Südafrika ist und wie die Polizei gegen meine Bevölkerung vorgegangen ist. Außerdem gibt es eben Menschen, die ohne Probleme sechs Monate im Lockdown leben können und manche können das noch nicht mal eine Woche, weil sie einfach nichts zu Essen haben.“
Engagement in Corona-Zeiten
„Deswegen habe ich mich letztes Jahr auch stark engagiert und bei einigen Projekten mitgemacht u.a. mit Nangu Thina e.V. Zum Beispiel haben wir Essenspakete für arme Familien verschickt. Wir haben in Deutschland Geld dafür gesammelt und die Projekte laufen auch noch. Da haben wir nur etwas Kleines gemacht, sicher nicht genug, aber wir haben etwas gemacht!
Ich engagiere mich außerdem als Freelancer für globales Lernen für CHAT der WELTEN und Bildung trifft Entwicklung von Engagement Global. Wir fördern den Kontakt zwischen Schulen in Deutschland und dem globalen Süden. Früher gab es immer direkte Austauschprojekte und deshalb haben wir letztes Jahr virtuelle Austauschrunden gemacht. Schulen sagen was sie gerne machen wollen und wir entwickeln Workshops zu den Themen. Ich leite zum Beispiel Workshops zu Themen wie Rassismus, Kolonialismus, Alltag in Südafrika, SDGs, Umwelt. Vorher habe ich auch schon vor Ort Seminare zu Südafrika gemacht. Es ist schön, dass ich auch etwas von Südafrika mitbringen und hier teilen kann.“
Wie hältst du Kontakt zu deiner Familie in Pandemiezeiten?
„Meiner Familie geht es zum Glück gut, es gab bisher keine Fälle, dass jemand in der Familie infiziert war - aber vielleicht wollen die mich auch nicht stressen und sagen nicht direkt Bescheid. Ich würde auch erstmal nichts sagen, wenn ich infiziert wäre. Meine Mutter würde sich solche Sorgen machen!
Ich halte Kontakt über What‘s App. Das ist einfacher und wir können kurz telefonieren. Ohne die digitalen Möglichkeiten wäre es sehr schwer in der Pandemie mit Menschen in Kontakt zu bleiben – egal ob in Südafrika oder in Deutschland. Da bin ich so dankbar wie viele Möglichkeiten es auch digital gibt.“
Welche Unterschiede zur Bewältigung der Krise nimmst du in Deutschland und Südafrika wahr?
„Also, da wo ich herkomme ist das Social Distancing kein Problem, aber in den Townships z.B. in Johannesburg können sich Menschen nicht gut an den Abstand halten. Dort sind die Häuser aus Wellblech so nah aneinander gebaut, dass es physisch kaum möglich ist Kontakt zu vermeiden. Außerdem ist es in der südafrikanischen Gesellschaft eher üblich auch mal einfach so auf der Straße mit anderen Leuten zu sprechen, auch mit Leuten, die man nicht kennt. Internetguthaben ist auch sehr teuer für die Menschen, deshalb können sie nicht einfach direkten Kontakt vermeiden - die Infrastruktur gibt das manchmal nicht her.
In Deutschland klappt das gut, hier gibt es von der Bebauung und den Internetverbindungen eher die Möglichkeit sich einfach an den Abstand zu halten. Und die Deutschen können auch als Menschen ja ohne Corona schon gut Abstand halten. (lacht)
Obwohl am Anfang der Pandemie die Infektionszahlen nicht so hoch waren wie in Europa oder den USA - auch nachdem die Virusmutation kam noch nicht - ist die Krise für die südafrikanische Ökonomie groß. Die Zahlen sind im Augenblick nicht so hoch, im Dezember gab es viele Fälle, aber Ende März schon nicht mehr. Woran das liegt weiß man nicht. Da ist das Leben jetzt normal, alle Geschäfte haben geöffnet. Wie sie das schaffen weiß man nicht, obwohl sie nicht den Abstand halten - es funktioniert dort, aber nicht hier, obwohl sich hier alle daran halten.“
Was hast du vor, wenn du mit der Ausbildung fertig bist?
„Ich will in Deutschland arbeiten und Erfahrungen sammeln. In Südafrika sind die Arbeitslosenzahlen im Augenblick so hoch – es wäre nicht schlau jetzt zurückzugehen. Ich würde nur dort Teil des Problems werden und ich habe ja auch noch keine Arbeitserfahrung. Krankenpfleger ist in Südafrika ein Studium, da ist es auch noch nicht so klar, wie leicht man mit „nur“ einer Ausbildung eine Stelle bekommt, auch wenn man die Ausbildung in Deutschland gemacht hat. In Deutschland bekomme ich sicher sofort eine Stelle, es gibt ja einen Mangel an Fachkräften. Wohin es in Deutschland für mich gehen soll, muss ich mir noch überlegen.“
Welche Folgen denkst du, wird die Coronapandemie haben?
„Das ist eine schwere Frage. Der digitale Bereich hat sicher viele neue Möglichkeiten eröffnet, auch im internationalen Bereich, es gibt so viele Tools für Projekte auch online, das ist toll.
Auch für die Hygiene, das wird sicher noch lange bleiben mit Masken und Händedesinfektion – ist ja vielleicht auch ein Vorteil.“
Entrepreneurgeist in Südafrika
„Und ich habe noch etwas in Südafrika beobachtet: Viele Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, haben eigene Geschäfte gegründet. Es gab einen großen Entrepreneurgeist in Südafrika, das ist sicher ein Vorteil der Pandemie. Es gibt ja so viele negative Folgen für die Wirtschaft oder Geschäfte, das hängt aber stark von der Region ab. Ich glaube Deutschland wird sich sicher schnell erholen. Hier in Bielefeld gibt es zum Beispiel gutes südafrikanisches Restaurant, das erst im Februar 2020 aufgemacht hat und sofort kam Corona. Die haben aber Unterstützung von der Regierung bekommen und sie gibt es noch. Die werden es sicher weitermachen können, wenn alles so bleibt wie jetzt. In Südafrika wäre ein ähnliches Restaurant jetzt pleite.
Ich habe auch ein konkretes Beispiel für den Entrepreneurgeist: Ein Freund von mir war Koch in Südafrika, er hat auch ein Praktikum in Deutschland und England gemacht und wurde dann letztes Jahr trotzdem entlassen. Er hatte aber immer schon die Idee mal was Eigenes zu machen, hatte aber immer Angst gehabt zu scheitern. Und als er dann letztes Jahr seine Arbeit verloren hat, hat er zu Hause Pizza gemacht und an Leute im Township verkauft. Jetzt hat er einen eigenen kleinen Laden aufgemacht. Er hat sich halt gesagt, „was mach ich jetzt, ich muss meine Familie ernähren“ und er wird das sicher auch nach Corona noch weitermachen. Er hat eben dort den ersten individuellen Pizzaladen aufgemacht – das gab es vorher nicht, da gab es nur große Ketten.“
Danke für das Interview und die Einblicke, die du mit uns geteilt hast. Es ist für uns wichtig über den Tellerrand zu schauen und in Pandemiezeiten umso mehr.
Das Gespräch führte Mareike Ketelaar.
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