Y7 Germany 2022

In welcher Welt wollen wir leben?

Die Teilnehmenden beim Kick-Off zum Y7-Gipfel im Gespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Sven Lehmann

Y7 steht für Youth 7, den Jugendbeteiligungsprozess der G7. Er ist Teil des zivilgesellschaftlichen Begleitprozesses im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft. Auf Einladung von IJAB kamen am 12. März 2022 die Jugenddelegierten und ihre Unterstützer*innen aus den beteiligten Ländern erstmals online zu einem Kick-off-Meeting zusammen. Im Mai 2022 findet der G7-Jugendgipfel in Berlin statt.

23.03.2022

Internationaler Austausch sei so wichtig, wie nie zuvor, sagte der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesfamilienministerin, Sven Lehmann, mit Blick auf die russische Aggression gegen die Ukraine. Der jungen Generation komme angesichts des gegenwärtigen historischen Wendepunktes eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der Zukunft zu. Für Lehmann reiht sich die Youth7 in Maßnahmen der Bundesregierung zur stärkeren Jugendbeteiligung ein. Dazu gehören der Strukturierte Dialog auf europäischer Ebene, die Stärkung von Beteiligungsnetzwerken in den Kommunen und die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. „Unsere deutsche G7-Präsidentschaft braucht eine starke und sichtbare Jugendbeteiligung. In gegenseitiger Verständigung nutzen Sie als junge Menschen aus den G7-Staaten Ihre Chance, gemeinschaftlich Forderungen zu Ihren Zukunftsthemen an die G7-Staatschefs heranzutragen. In bewegten Zeiten setzen Sie so ein Zeichen internationaler, freundschaftlicher Zusammenarbeit“, sagte Lehmann den Teilnehmer*innen.

Zeichen der Solidarität mit der Ukraine

Die Jugenddelegierten werden in den kommenden Monaten intensiv zu vier Themenfeldern arbeiten und dazu Forderungen an die Politik entwickeln:

  • Nachhaltiger und grüner Planet
  • Wirtschaftlicher Wandel für gemeinsamen Fortschritt
  • Widerstandsfähigkeit der Demokratien
  • Globale Gesundheit und Solidarität

Als fünftes Thema wurde angesichts des russischen Krieges in der Ukraine das Thema Jugend, Frieden und Sicherheit aufgenommen. Dabei soll angelehnt an die UN-Resolutionen des Sicherheitsrats zu Youth, Peace an Security beleuchtet werden, welch wichtige positive Rolle junge Menschen bei Friedenssicherung und Konfliktbewältigung haben.

In der Diskussion, an der auch Dr. Oberndorfer, Sous-Sherpa und Co-Head des G7/G20 Sherpa-Office im Bundeskanzleramt, teilnahm, wurde deutlich, wie sich der Krieg gegen die Ukraine über alle Themen des Jugendbeteiligungsprozesses legt. Die Teilnehmer*innen fragten nach der Integrität von Information, dem Verhältnis von Werten und politischen Notwendigkeiten oder auch der Rolle Russlands in den G20. Ein ganz starkes Zeichen der Solidarität setzten die Jugendverbände: Benjamin Günther, Chair des Y7 Germany, kündigte an, der Nationale Jugendrat der Ukraine (National Youth Council of Ukraine NYCU) werde als Gast beim Y7 Summit teilnehmen.

Zu den Themen des Summits gab es eine erste Möglichkeit des Kennenlernens der Teilnehmer*innen in den Arbeitsgruppen und auch wissenschaftliche Inputs.

Starke Impulse aus der Wissenschaft

Prof. Dr. Dirk Notz vom Institut für Meereskunde an der Universität Hamburg forscht zur Entwicklung des Eises in der Arktis. Er betonte, dass die Ergebnisse der Wissenschaft ganz eindeutig einen bedrohlichen Klimawandel zeigen und illustrierte dies beispielhaft im Rahmen seines Forschungsgebietes an dem drastischen Rückgang des arktischen Eises um 50% in den letzten 30 Jahren. Es wundert ihn auch nicht, dass junge Menschen zunehmend pessimistisch in die Zukunft blicken: 59% der jungen Menschen glauben, dass die Erde in 100 Jahren nicht mehr bewohnbar sein wird. Dennoch machte der Meteorologe Mut. Zwar seien sich die Experten einig, dass der Klimawandel real und gefährlich sei. In der Feststellung, dass er von Menschen gemacht sei, schwinge aber auch Hoffnung mit. „Wenn wir es sind, die den Klimawandel verursachen, dann haben wir es auch in der Hand, es zu ändern“, sagte Notz. Voraussetzung sei aber, dass der CO2-Ausstoß schnellstmöglich auf Null gebracht werden müsse.

Warum Pessimismus ein schlechter Ratgeber ist, darüber sprach Prof. Dr. Maren Urner vom Fachbereich Psychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Sie erforscht das menschliche Gehirn, unser „Steinzeitgehirn“, wie sie es nennt. Es neige dazu, die Welt negativer zu beurteilen, als sie tatsächlich sei. Woran liegt das? In Gefahrensituationen macht unser Gehirn Voraussagen darüber, welches Verhalten zum Überleben beiträgt. Angst und Unsicherheit führen dann zu falschen Entscheidungen. Verstärkt werde dies durch die Macht der Gewohnheit. Wir reagieren auf Herausforderungen mit Lösungsansätzen, die wir bereits kennen, aber nicht mit Kreativität. Negative Informationen machen Menschen hoffnungslos und führen dazu, dass Änderungen nicht angepackt werden. Deshalb bedarf es positiver Lösungskommunikation, weil diese auch Verhaltensänderungen herbeiführen kann. Wie kann das geschehen? „Wir müssen Stammesdenken überwinden und unsere sozialen Gruppen neu definieren“, sagte Urner. Dafür sei es nötig, in anderen Menschen das zu erkennen, was uns verbindet, und nicht auf das zu starren, was uns trennt. Dann seien kreative Lösungen für Probleme möglich. „Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen“, zitierte die Hirnforscherin den Psychotherapeuten und Autor Steve de Shazer.

Die anschließende Diskussion drehte sich unter anderem um die Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen zusammenkommen müssen, um den Klimawandel aufzuhalten? Sind hier vor allem die Regierungen gefordert oder muss der entscheidende Anstoß aus der Gesellschaft kommen? „Wir brauchen beides“, sagte Prof. Notz, „und wir müssen uns von der Frage leiten lassen, wie schön die Welt sein könnte, nicht von dem, wogegen wir sind“. Prof. Urner übersetzte das so: „In welcher Welt wollen wir leben?“ Die Delegierten werden vom 16. bis 20. Mai 2022 dieser Frage in Berlin nachgehen.

Quelle: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Christian Herrmann

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