Flucht und Migration
Geplante Neuregelung der Altersfeststellung in BW: Paritätischer sieht rechtliche Bedenken

Die Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten soll für Baden-Württemberg neu geregelt werden. Die Verantwortung dafür soll künftig nicht mehr bei den Jugendämtern liegen und bei einer Verweigerung gesundheitlicher Untersuchungen zur Altersfeststellung soll die Volljährigkeit angenommen werden. Beides sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisch.
26.07.2018
Die Landesregierung hat ein Eckpunktepapier für die Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten erstellt, das den Wohlfahrtsverbänden und den kommunalen Spitzenverbänden nun vorliegt. Künftig soll die dafür vorgesehene Inaugenscheinnahme nicht mehr allein in Verantwortung der Jugendämter vor Ort liegen, sondern zentral zusammen mit der Registrierung in Kooperation mit der Ausländerbehörde im Ankunftszentrum in Heidelberg erfolgen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg sieht hier rechtliche Bedenken, da die Altersfeststellung durch Bundesgesetzgebung klar geregelt ist. Auch gesundheitliche Untersuchungen zur Altersfeststellung (wie Röntgenaufnahmen) sowie die grundsätzliche Annahme der Volljährigkeit bei einer Verweigerung der Teilnahme an Untersuchungen bewertet der Verband äußerst kritisch.
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete unterliegen besonderem Schutz
„Es darf keine Beschneidung der Rechte der Jugendämter durch die Ausländerbehörde geben“, betont Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg, „denn nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz liegt die Alterseinschätzung in der Verantwortung der Jugendämter und unbegleitete minderjährige Geflüchtete unterliegen dem besonderen Schutz der Kinder- und Jugendhilfe.“
Besonders kritisch sieht der Verband das neue Verfahren im Hinblick auf unbegleitete Geflüchtete, bei denen die erste Inaugenscheinnahme eindeutig ergibt, dass sie minderjährig sind oder die sich dem Verfahren nicht unterziehen möchten und damit unter Generalverdacht gestellt werden. „Bei der gegenwärtigen gesamtgesellschaftlichen Stimmung steht die Politik in besonderer Verantwortung, durch eine solche Vorgehensweise Vorurteile gegenüber jungen Geflüchteten nicht noch zu bestärken. Wir fordern deshalb eine grundlegende rechtliche Prüfung der angedachten Schritte“, erklärt Ursel Wolfgramm.
Logistischer und personeller Mehraufwand
„Außerdem bedeutet die zentrale Altersfeststellung in Heidelberg für die Jugendämter im Land einen hohen logistischen und personellen Mehraufwand und kann bei den jungen Menschen aufgrund der Fluchterfahrung und möglicher Traumatisierungen zu massiven Verunsicherungen führen“, so Wolfgramm weiter.
Am 20.07.2018 lebten 6.399 unbegleitete Geflüchtete in Baden-Württemberg. Ihre Zahl sinkt kontinuierlich wie der Vergleich zum Vorjahr Anfang August zeigt. Damals wurden 7.604 unbegleitete Geflüchtete in Baden-Württemberg statistisch erfasst.
Quelle: DER PARITÄTISCHE Baden-Württemberg vom 24.07.2018
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