Bericht

Geflüchtete Kinder auf der Balkanroute erleben täglich Gewalt und Missbrauch

Geflüchtete Kinder auf der Balkanroute sind laut einem Bericht von Save the Children erschreckend häufig mit Gewalt durch Erwachsene konfrontiert. Auf ihrer Reise durch den Balkan sind sie Polizisten, Menschenschmugglern und anderen fremden Personen schutzlos ausgeliefert, fühlen sich hilflos und allein gelassen. Maßgebliche Ursache für diesen unmenschlichen Umgang ist die von der EU und den Ländern der Region verfolgte Abschreckungs- und Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten, kritisiert Save the Children.

21.09.2022

Der Report „Wherever we go, someone does us harm“ („Wo wir auch hingehen, tut uns jemand Gewalt an“), der auf Gesprächen mit dutzenden Betroffenen basiert, zeigt ein enormes Ausmaß von Gewalt und einen eklatanten Mangel an Schutzvorkehrungen für minderjährige Geflüchtete in Europa. Meist handelt es sich bei den Tätern um Erwachsene in Machtpositionen wie Grenzpolizisten und Schleuser, in deren Hände sich Kinder auf der Balkanroute in ihrer ausweglosen Situation begeben. Save the Children kritisierte zudem, dass Kinder in gefängnisähnlichen Unterkünften untergebracht werden, wo sie nicht über ihre Rechte aufgeklärt werden.

Aufruf zum Handeln an Europäische Union und Regierungen

Ylva Sperling, Direktorin von Save the Children Europe sagte zu dem Bericht:

„Weil sich Europa auf die Abschreckung von Ankommenden konzentriert, sind Kinder schockierender Gewalt durch Polizei und Grenzschutz ausgesetzt - Gewalt, die ungestraft bleibt. Kinder, die auf der Suche nach Sicherheit in Europa sind und ein Recht auf internationalen Schutz haben, sind oft gezwungen, sich an Schleuser zu wenden, die ihre einzige Hoffnung sind, die Grenzen zu überqueren - und diese Schleuser missbrauchen sie auch noch. Die Europäische Union und die Regierungen müssen unverzüglich handeln. Sie sollten Kindern auf der Flucht den Zugang zu sicheren, geregelten und legalen Migrationsrouten ermöglichen, damit sie nicht länger den in diesem Bericht dokumentierten Torturen ausgesetzt sind.“

Während auch Kinder, die mit ihren Familien auf der Flucht sind, Gewalt erleben, sind unbegleitete Minderjährige besonders gefährdet. Viele von ihnen müssen auf ihrer Reise im Freien übernachten oder mit fremden Erwachsenen in heruntergekommenen Gebäuden hausen – unter der ständigen Gefahr, geschlagen oder sexuell misshandelt zu werden. Insbesondere allein reisende Jungen sind einem erheblichen Risiko von sexueller Gewalt ausgesetzt. Hilflos und ohne jede Möglichkeit das Erlebte zu verarbeiten, kompensieren viele Kinder und Jugendliche ihren Stress mit Alkohol und Drogen. Auch gibt es erschreckend viele Fälle von Selbstverletzungen bis hin zu versuchten Selbsttötungen.

Dauerhafte Lösungen zur Verbesserung der Schutzsysteme

Bogdan Krasic, Leiter des Balkanbüros für Migration und Vertreibung von Save the Children, betonte: 

„Für diese Kinder ist Gewalt alltäglich, sowohl in ihren Herkunftsländern als auch auf ihrer Flucht und in den Transitländern – und zwar alle Formen von Gewalt. Diese Erlebnisse können ihre Entwicklung dauerhaft beeinträchtigen und sich auch negativ auf ihre Fähigkeit zur Integration in den Aufnahmeländern auswirken.“

Save the Children unterstützt Kinder auf der Flucht in ganz Europa. Die Kinderrechtsorganisation hilft bei  der Registrierung und Unterbringung, bietet psychosoziale Betreuung an und unterstützt Kinder beim  Zugang zu Bildung. Auf politischer Ebene setzt sich Save the Children für dauerhafte Lösungen, die  Verbesserung der Schutzsysteme sowie bessere Gesetze und Verfahren ein.

Weitere Informationen

  • Das in Belgrad ansässige Balkanbüro für Migration und Vertreibung (Balkans Migration and Displacement Hub) fungiert als eines der Wissens- und Forschungszentren von Save the Children für flüchtende Kinder und kooperierte für diese Studie mit der Universität von Sarajevo.
  • Für den Bericht wurden in Bosnien-Herzegowina und Serbien 48 Kinder im Alter von 13 bis 19 Jahren ausführlich interviewt, darunter 30 unbegleitete Jungen sowie acht Jungen und zehn Mädchen, die mit ihren Familien oder engen Verwandten unterwegs waren. Im Schnitt waren die befragten Kinder bereits seit vier Jahren unterwegs.

Material zum Download

Der Report „Wherever we go, someone does us harm“ (PDF: 3,1 MB) kann bei Save the Children heruntergeladen werden. Eine Zusammenfassung des Berichts (PDF: 2,3 MB) findet sich ebenfalls auf der Internetseite von Save the Children.

Quelle: Save the Children vom 13.09.2022

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