Eurodesk Interview

Die Zukunft von Youth Work: Ergebnisse und Eindrücke von der EAYW

Auf der dritten European Academy on Youth Work diskutierten Mitte Mai 180 Teilnehmende über die Zukunft von Youth Work. Mit dabei: ein Hochschulteam aus Dresden. Im Interview erzählen sie, warum dieser europäische Austausch so faszinierend ist und wie sich ihr Blick auf die Zukunft verändert hat.

02.07.2024

Die dritte European Academy on Youth Work fand vom 14. bis zum 17. März 2024 in Kranjska Gora, Slowenien statt. Im Fokus der vielen Inputs, Workshops und Reflektionsrunden stand das Thema „Zukunft bzw. die Zukunften von Youth Work“.

Während der vier Tage begleitete ein Forschungsteam von der IU – Internationale Hochschule, Campus Dresden die Akademie. Prof. Dr. Karsten König, Lisa Gebauer, Julia Sidorow und Sophie Scholze berichten von vielen intensiven Eindrücken.

JUGEND für Europa: Karsten, du bist Mitglied des Advisory Boards der European Academy on Youth Work. Bei der dritten Academy im Mai dieses Jahres hast du ein besonderes Pilotprojekt mitgestaltet. Um was handelte es sich genau?

Dr. Karsten König: Ich muss kurz zurückblicken: 2019 waren Geert Boutsen aus Belgien, Hillary Tierney aus Irland und ich auf der ersten Akademie tief beeindruckt von der wahnsinnigen Kompetenz, die in Kransjka Gora zusammengekommen war. Wir waren uns einig: Studierende können nirgendwo anders so einen intensiven Einblick darin bekommen, wie vielfältig und innovativ Jugendarbeit in Europa gestaltet wird. 2022 haben wir während der zweiten Akademie die Möglichkeit bekommen, Studierende digital zu einem Hauptvortrag einzuladen. Anschließend konnten wir mit ihnen zwei Stunden diskutieren. Es war großartig, wie unsere Seminargruppen aus drei Ländern innerhalb kürzester Zeit über die Zukunft der Jugendarbeit gesprochen haben. Das hat uns ermutigt, für die diesjährige Akademie Studierende vor Ort mit einzuladen. Wir konnten die Steuergruppe und vor allem die finanzierenden Nationalen Agenturen überzeugen, das Projekt mit den Studierenden aufzunehmen und zu finanzieren. Dafür vielen Dank! Am Ende fuhren wir mit 20 Studierenden aus fünf Ländern nach Kransjka Gora. Eine direkte Zusammenarbeit von Studierenden mit Praktikern in der europäischen Jugendarbeit kann sehr produktiv gelingen. Auf der Akademie haben wir ein kleines Forschungsprojekt gestartet, in dem die Studierenden Ideen für eine Ausbildung der Zukunft gesammelt haben. Während also die Akademie über die Zukunft der Jugendarbeit diskutiert hat, haben die Studierenden gefragt, wie für diese Zukunft ausgebildet werden kann. In fünf jeweils international zusammengesetzten Gruppen haben die Studierenden 20 Leitfadeninterviews geführt und rund 80 Seiten Text produziert, die sie an einem langen Abend auf fünf zentrale Ergebnisse zusammengefasst haben.

Dabei haben sie die Akademie selbst bereichert. Viele Teilnehmende haben mir gesagt, wie inspirierend es war, mit den Studierenden zu sprechen und die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.

JUGEND für Europa: Julia, Sophie, Lisa, ihr wart vier Tage mit auf der European Academy on Youth Work – wie inspirierend waren diese Tage für euch?

Julia Sidorow: Es war sehr viel positive Energie zu spüren, gefüllt mit Ideen und inspirierenden Vorträgen. Mich hat beeindruckt, wie Expert:innen der Jugendarbeit aus verschiedenen Ländern mit den Herausforderungen und Chancen der Zukunft umgehen. Zu Beginn war ich etwas zurückhaltend: fast 200 renommierte Expert*innen und Forscher*innen und daneben ich – eine Duale Studentin der Sozialen Arbeit, die (gefühlt) nicht viele Erfahrungen zum Teilen mitbringt. Doch am Ende hat jede*r irgendwann so angefangen.

Lisa Gebauer: Das kann ich bestätigen. Ich habe mich als Teil von all den Leuten gefühlt und nicht nur als Zuschauerin oder "unerfahrene Studentin". Ich wurde genauso nach meiner Meinung und nach meinen Ideen gefragt und gehört wie langjährig professionell Tätige auf nationaler und internationaler Ebene.

Das bestärkt mich sehr und motiviert mich, weiter und größer zu denken, und vor allem aktiv zu bleiben. Die vier Tage bei der Academy waren großartig!

Sophie Scholze: In Bezug auf die Ausbildung oder das Studium der Jugendarbeit ist vor allem der Wunsch nach mehr Vernetzung und Austausch deutlich geworden. Mir hat besonders der Austausch mit den anderen Studenten*innen und den Expert*innen der Jugendhilfe gefallen. Vor allen ist mir deutlich geworden, wie unterschiedlich in der Jugendarbeit gearbeitet wird. Zudem habe ich sehr viele Eindrücke und Visionen bekommen, wie Jugendarbeit zukünftig aussehen kann. 

JUGEND für Eurpa: Welche Eindrücke und Erkenntnisse nehmt ihr mit von der Academy, persönlich sowie für euer weiteres Studium?

Julia Sidorow: Eine bedeutende Erkenntnis war, dass wir als Sozial-/Jugendarbeiter*innen nicht alle Fähigkeiten in einer Person vereinen müssen. Als großes Team dürfen wir unterschiedliche Skills mitbringen und gegenseitig voneinander lernen.

Sophie Scholze: Ich nehme den Satz mit: „Wir dürfen Schildkröten sein!“. Der Satz meint, dass wir als Jugendarbeiter*innen, resilient sein dürfen.

Lisa Gebauer: Ich habe großen Gefallen am Austausch auf internationaler Ebene gefunden, mit Menschen, die etwas verändern und vorantreiben wollen. So wie mich die Menschen auf der Academy inspiriert und motiviert haben, kann ich vielleicht in meinem Umfeld zuhause in Dresden inspirierend wirken.

JUGEND für Europa: Ihr habt auf der Academy ein eigenes Forschungsprojekt durchgeführt und vorgestellt. Was habt ihr genau untersucht?

Lisa Gebauer: Wir haben Teilnehmende und Expert*innen der EAYW zur Zukunft der Jugendarbeit befragt. Wir wollten herausfinden, wie sie über die Zukunft denken, wie die Jugend besser/mehr beteiligt werden kann, was sie glauben, was das Leben junger Menschen in der Zukunft beeinflussen/verändern wird und was zu einer positiveren Zukunft beitragen kann.  Junge Menschen müssen klar und ehrlich einbezogen werden. Sie müssen eine Stimme bekommen, wenn es um Veränderungen geht, die ihr eigenes Leben betreffen. Der zweite Teil bezog sich speziell auf die Ausbildung/Studium der Jugendarbeit. Wir wollten herausfinden, was Teilnehmende und Expert*innen als besonders wichtige Fähigkeiten erachten, die es in der Jugendarbeit benötigt.

JUGEND für Europa: Was sind die Ergebnisse?

Lisa Gebauer: Es ist enorm wichtig, mit den jungen Menschen zu reden und nicht über sie. Sie müssen ernst genommen werden. Junge Menschen müssen klar und ehrlich einbezogen werden und eine Stimme bekommen, wenn es um Veränderungen geht, die ihr eigenes Leben betreffen. Jungen Menschen sollte mehr Vertrauen entgegengebracht werden.

Sophie Scholze: In Bezug auf die Ausbildung oder das Studium der Jugendarbeit ist in den Interviews vor allem der Wunsch nach mehr Vernetzung und Austausch deutlich geworden. Zudem wurde klar, dass zwischen den europäischen Ländern mehr Standardisierung im Bereich der Jugendarbeit benötigt wird.

Julia Sidorow: Es braucht bereits in der Ausbildung mehr Möglichkeiten für Studierende, sich auf einem professionellen internationalen Level über das Thema Jugendarbeit austauschen zu können. Denn wir stellten in unseren internationalen Interviewgruppen auch fest, dass der Aufbau des Studiums sehr unterschiedlich ist.

Lisa Gebauer: Wichtig ist außerdem die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Dinge, die vor fünf oder zehn Jahren relevant waren, sind es heute nicht mehr. Dafür kommen ständig neue Dinge hinzu, die in den letzten Jahren noch keine tragende Rolle gespielt haben. Stichwort: Social Media, Digitalisierung und AI. Jugendarbeiter*innen müssen mit den relevanten, aktuellen Themen der jungen Leute vertraut sein und dürfen sich nicht gegen Neuerungen verschließen. Auch nach einem abgeschlossenen Studium wird es immer wieder Neues geben und dafür sollte man offen sein.

JUGEND für Europa: Das klingt alles sehr anspruchsvoll.

Julia Siderow:  Ja, Jugendarbeitende müssen sich mit vielen verschiedenen Bereichen auskennen. Die eigenen Grenzen wahrnehmen und wahren zu können ist wichtig. Jugendarbeitende müssen sich mit vielen verschiedenen Bereichen auskennen. Die eigenen Grenzen wahrnehmen und wahren zu können ist wichtig.

Lisa Gebauer: Auch das war ein Ergebnis: Es ist von enormer Bedeutung über psychische Gesundheit zu sprechen. Besonders zukünftige oder werdende Jugendarbeiter*innen sollten auf ihre Belastungsgrenzen und Gesundheit achten. Sie sollten wissen, an wen sie sich wenden können, wenn es ihnen nicht gut geht.

JUGEND für Europa: Hat sich euer Blick auf die Zukunft des Arbeitsfeldes verändert?

Julia Sidorow: Vor der Akademie war ich der Zukunft eher pessimistisch zugewandt. Durch die vielen Inputs, Ideen, Reflexionen und Gespräche blicke ich nun wieder mit mehr Optimismus und Hoffnung in die Zukunft (der Jugendarbeit).

Sophie Scholze: Die Akademie hat mir aufgezeigt, dass wir als Jugendarbeitende die Zukunft nicht verhindern können. Wir können uns aber langsam und beständig mit den Jugendlichen mitbewegen. Wir können sie auf Veränderungen vorbereiten und eine konstante Ansprechperson sein. Es muss nicht nur eine Zukunft geben.

JUGEND für Europa: Karsten, wie geht es nach diesem erfolgreichen Pilotversuch mit dem Projekt weiter? Gibt es schon Erkenntnisse und Ideen für nächste Schritte?

Dr. Karsten König: In jedem Fall können wir sagen, dass eine direkte Zusammenarbeit von Studierenden mit Praktiker*innen in der europäischen Jugendarbeit sehr produktiv gelingen kann. Ich habe einige europäische Projekte mitgestalten dürfen und ich arbeite viel mit Studierenden, aber beides zusammen ist wirklich noch ein ganz anderes Niveau an Austausch und Lernerfahrung. Auf jeden Fall werde ich versuchen, meine Studierenden in Zukunft direkt in europäische Projekte einzubeziehen und dazu eigene Ideen entwickeln. Für die European Academy on Youth Work sind wir dabei, die vielfältigen Eindrücke zu sichern und aufzuarbeiten. Wir können schon sagen, dass viele Akteure die Studierenden als große Bereicherung erlebt haben und dass wir daran gerne bei der nächsten Akademie anknüpfen möchten. Fest steht aber auch, dass es irgendwie anders sein wird – zukünftig eben.

JUGEND für Europa: Wir danken euch ganz herzlich für das Gespräch und wünschen euch viel Erfolg bei euren zukünftigen Vorhaben.

(Interview: JUGEND für Europa)

Zu den Personen

Lisa Gebauer, Julia Sidorow, Sophie Scholze sind Studierende im dualen Studiengang Soziale Arbeit an der IU – Internationale Hochschule, Campus Dresden im 6. Semester.

Dr. Karsten König ist Professor für Soziale Arbeit an der IU – Internationale Hochschule, Campus Dresden sowie Mitglied im Advisory-Board der EAYW.

Weitere Informationen

Die European Academy on Youth Work (EAYW) ist eine Initiative mehrerer Nationalen Agenturen des EU-Programms Erasmus+ Jugend und der SALTO-YOUTH Resource Centres. Sie bietet eine regelmäßige Plattform für Reflexion, Austausch und Wissensgenerierung zu aktuellen europäischen Themen, Trends und Entwicklungen mit Relevanz für den Jugendbereich.

Die 3. European Academy on Youth Work wurde vom Forschungsprojekt „Futures of Youth Work“, gerahmt. Das Forschungsprojekt zeigt verschiedenen Szenarien der Jugendarbeit in verschiedenen Zeithorizonten bis 2050 auf: Wie wird sich die Jugendarbeit in den kommenden Jahren entwickeln? Welche aufkommenden Trends und Entwicklungen können wir schon heute sehen oder spüren? Dier Veröffentlichung der Ergebnisse wird im Herbst 2024 erwartet.

Einblicke in die ersten Ergebnisse, die im Rahmen der dritten European Academy on Youth Work präsentiert wurden, gibt es hier. Zusätzliche Informationen zur EAYW lassen dich hier finden.

Quelle: JUGEND für Europa vom 26.06.2024

Redaktion: Lukas Morre

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