Kinderrechte

Bundestagsdebatte zu Kinderrechten im Grundgesetz

Auf der Tagesordnung des Bundestages stand am 6. Juni 2019 das Thema Kinderrechte. Die Fraktion DIE LINKE sowie auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben jeweils einen Gesetzesentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz eingebracht. Sichergestellt werden soll unter anderem das Kindeswohlprinzip, ein Beteiligungsrecht für Kinder und Jugendliche sowie das Recht des Kindes auf Förderung seiner Entwicklung.

06.06.2019

Die Aufnahme eines eigenständigen Kindergrundrechts in das Grundgesetz fordert die Fraktion DIE LINKE. Ein von den Abgeordneten vorgelegter Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 19/10622, PDF 477) soll das Kindeswohlprinzip, ein Beteiligungsrecht für Kinder und Jugendliche sowie das Recht auf die Entwicklung beziehungsweise die Entfaltung einer eigenständigen Persönlichkeit unter altersgerechten Lebensbedingungen sicherstellen.

Mängel bezüglich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention

Zur Begründung heißt es unter anderem, der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes habe in der Vergangenheit wiederholt gravierende Mängel bezüglich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland dokumentiert. So würden beispielsweise die in den sogenannten Hartz IV-Gesetzen vorgeschriebenen Sanktionen kritisiert, in deren Folge Kinder unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums leben müssten. Weiter heißt es mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung, junge Menschen hätten eine Stimme. Damit diese auch Gehör findet, sei eine Grundgesetzänderung unabdinglich.

In der Einleitung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz heißt es:

1989 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). 2019 jährt sich das Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention zum 30. Mal. In ihr sind wesentliche Standards zum Schutz, zur Förderung und Beteiligung von Kindern weltweit festgelegt. Sie gilt für alle Kinder und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, die somit zu Trägern eigenständiger Rechte werden. Mit der Ratifizierung hat sich die Bundesrepublik Deutschland verbindlich für die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Zu einer konsequenten und vollständigen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist es in Deutschland bis heute nicht gekommen. [...] Erst 2010 erfolgte die Rücknahme der letzten Vorbehaltserklärung.

Ursachen für hohe Zahl an in Armut aufwachsenden Kindern ursächlich reduzieren

Die Stellungnahmen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes zu den Staatenberichten der Bundesrepublik Deutschland haben in der Vergangenheit wiederholt gravierende Mängel bezüglich der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention dokumentiert. Auch aus dem 5. und 6. Staatenbericht wird ersichtlich, dass die vom Ausschuss abgeleiteten Handlungsempfehlungen der letzten Berichte nicht umgesetzt wurden und weiterhin ein umfangreicher Handlungsbedarf für Deutschland besteht. Der UN-Ausschuss forderte, die Ursachen für die hohe Zahl an in Armut aufwachsenden Kindern ursächlich zu reduzieren. Dabei kritisiert er beispielsweise die in den so genannten Hartz IV-Gesetzen vorgeschriebenen Sanktionen, in deren Folge Kinder unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums leben müssen. Die Bundesregierung versuchte diesen Missständen unter anderem mit dem Starke-Familien-Gesetz (StaFamG) zu begegnen, einem Gesetz, das letztlich weder die Sanktion aufhebt, noch Familien wirksam vor Armut bewahren kann. Es ist davon auszugehen, dass der UN-Ausschuss auch in den weiteren Bereichen der Umsetzung der Kinderrechtskonvention Missstände erkennen wird. Die Kritik, dass Kinderrechte nicht in der Verfassung verankert sind, ist nicht neu und wird seit Jahren von Parteien und Verbänden geteilt und stetig erneuert. Immerhin führten die Schattenberichte der zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu, dass 2015 eine Monitoring-Stelle zur Bekanntmachung der Kinderrechtskonvention eingerichtet wurde. Zwar hat sich nun auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode im deutschen Bundestag zur Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz bekannt, die konsequente Umsetzung lässt jedoch noch immer auf sich warten.

Die Vorlage stand am 6. Juni zusammen mit einem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 19/10552, PDf 5023 KB) zum selben Thema auf der Tagesordnung des Bundestages.

Selbstbestimmungs- und Beteiligungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen

In der Einleitung zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Kinderrechte formuliert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Problembeschreibung wie folgt:

Kinder haben Rechte, sind Grundrechtsträger. Nach der historischen Konzeption des Artikels 6 GG  werden Kinder in seinen Absätzen 2 und 3 allerdings ausschließlich behandelt im Zusammenhang des Elternrechts und der Elternpflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder und dem Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft. Der in Artikel 6 Abs. 1 GG konstituierte besondere Schutz der staatlichen Ordnung bezieht sich zwar auf Ehe und Familie, nennt aber Kinder nicht ausdrücklich. Eine ausdrückliche Gewährleistungsverantwortung und -pflicht des Staates betreffend den besonderen Schutz der Kinder fehlt. Auch das Kindeswohl wird im Grundgesetz nicht erwähnt, ist aber nach der Rechtsprechung des BVerfG oberste Richtschnur der Elternverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 GG (BVerfGE 107, 104, Rn.61 m.w.N;st.Rspr.) und dient der Abgrenzung der primären Elternverantwortung vom Wächteramt des Staates. Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht nicht nur eine Pflicht des Staates, Kindeswohlgefährdungen zu verhindern oder zu beenden, sondern auch ein Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerfGE 133, 59 Rn.41-43). Schließlich fehlt unbeschadet ihrer Grundrechtsträgerschaft und unbeschadet des Elternrechts im Grundgesetz eine Vorgabe, dass die zunehmende Selbstbestimmungs- und Beteiligungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen zu beachten ist. Und es fehlt ein ausdrückliches Recht des Kindes auf Förderung seiner Entwicklung.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib - heute im bunsdestag Nr. 651 vom 05.06.2019

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