Kritik am Bürgergeld
„Zivilgesellschaftliches Engagement als Hobby für Privilegierte?“


Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. kritisiert eine Schlechterstellung von Freiwilligendienstleistenden beim Bürgergeld. Laut der Zentralwohlfahrtsstelle gehen politische Entscheidungen an den Lebensrealitäten vulnerabler Bevölkerungsgruppen vorbei, dabei sollte zivilgesellschaftliches Engagement für alle zugänglich sein und sozial gerecht belohnt werden.
18.11.2022
Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) ist ein durch den Bund gefördertes Instrument zur Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements. Der BFD hat 2011 das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) mit dem Ziel ergänzt, auch lebensältere Personen in Strukturen der Freiwilligendienste einbinden zu können.
Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) fungiert seit 2012 als Zentralstelle des BFD, über die sich seither jährlich rund 400 Freiwillige in 110 Einsatzstellen engagieren. Die ZWST hat den höchsten prozentualen Anteil an zugewanderten Menschen und den höchsten Altersdurchschnitt aller Zentralstellen, über die Freiwillige einen BFD leisten können. Ein großer Teil der Freiwilligen hat im Zuge der Migration aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion einen Bruch in ihrer Erwerbsbiografie erfahren und bezieht im Rentenalter Grundsicherungsleistungen.
Kürzung des Bürgergeldes für Transferleistungsempfänger:innen
Eine Gleichbehandlung von Empfänger:innen von Leistungen nach SGB II und SGB XII im Bundesfreiwilligendienst war bis Anfang 2020 nicht gegeben, das BFD-Taschengeld wurde an Transferleistungsbezüge des SGB XII angerechnet. Erst nach aufwändigen Verhandlungen konnte ab 2020 eine Gleichbehandlung von SBG II und SGB XII erzielt werden, wodurch auch Grundsicherungsempfänger:innen im BFD das ihnen zustehende Taschengeld zusätzlich erhalten.
Mit der Einführung des Bürgergeldes droht nun die Gefahr, dass die Anrechnungsfreiheit mit einem Höchstalter von 25 Jahren verknüpft wird. Das bedeutet, dass ältere Freiwilligendienstleistende im Transferleistungsbezug eine Kürzung ihres Bürgergeldes hinnehmen müssten. Für viele im BFD Engagierte würde dies einen massiven finanziellen Einschnitt bedeuten, der sich insbesondere im Zuge der Inflation und Energiekrise negativ auf ihre Entscheidung für ein zivilgesellschaftliches Engagement auswirken wird.
Aron Schuster, Direktor ZWST, betont:
„Die Überlegungen zur Anrechnung des Taschengeldes sind ein weiterer Beleg dafür, dass die Lebensrealitäten vulnerabler Gruppen nicht ausreichend in politische Entscheidungsfindungen einbezogen werden. Besonders die Bundesfreiwilligen in den Einsatzstellen der ZWST, die zu einem hohen Anteil einen Migrationshintergrund und den höchsten Altersdurchschnitt im Vergleich mit anderen Zentralstellen aufweisen sowie größtenteils auf Grundsicherung angewiesen sind, werden von der drohenden finanziellen Altersdiskriminierung maßgeblich betroffen sein. Ausschluss von zivilgesellschaftlichem Engagement auf Grund von finanzieller Benachteiligung bedeutet auch den Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und sozialem Zugang von vulnerablen Gruppen. Gerade im Hinblick auf die laufende Entwicklung einer Engagement-Strategie durch die Bundesregierung wird hier ein entgegengesetztes Zeichen gegeben. Soziales Engagement darf nicht nur ein Hobby für Privilegierte und finanziell Bessergestellte sein, sondern muss für Menschen jeglichen Hintergrundes zugänglich sein und sozial gerecht belohnt werden.“
Die ZWST fordert, dass bürgerschaftliches Engagement in jeder Lebensphase gleich stark gefördert werden muss, statt sanktioniert zu werden. Freiwillige, die sich im BFD und anderen Diensten zivilgesellschaftlich engagieren, dürfen dafür nicht finanziell benachteiligt werden.
Quelle: Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. vom 09.11.2022
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