Studie
Wie stehen junge Menschen zur Demokratie?
Analysen der Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention (AFS) geben Impulse für die pädagogische Arbeit zur Demokratieförderung im Jugendalter. Sie beziehen sich dabei unter anderem auf die Teilhabe muslimischer Jugendlicher und die politische Sozialisation im Jugendalter.
25.09.2024
Pädagogische Angebote für Jugendliche zur Demokratieförderung verfolgen das Ziel, Kompetenzen gesellschaftspolitischer Partizipation zu vermitteln und dadurch gesellschaftsstabilisierend zu wirken. Innerhalb der Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention (AFS) am Deutschen Jugendinstitut (DJI) analysierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Förderprogramme verschiedener Bundesländer. Diese Programme tragen dazu bei, Verfahren und Strukturen, zu stärken, die eine demokratische Teilhabe junger Menschen ermöglichen.
„Insgesamt zeigen sich starke regionale Unterschiede zwischen den Programmen. Die Orientierung auf Jugendliche ist mehr oder weniger stark ausgeprägt. Gleiches gilt für das Spektrum von Schwerpunktsetzungen, die Extremismusprävention, gesellschaftspolitische Teilhabe oder das Eintreten gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ins Zentrum rücken“,
sagt Joachim Langner, wissenschaftlicher Referent der AFS.
Demokratische Teilhabe muslimischer Jugendlicher in der Vielfaltsgesellschaft
Jugendliche haben nicht alle gleich gute Ausgangsbedingungen für die Teilhabe am demokratischen Miteinander. Für muslimische und stereotyp als vermeintlich muslimisch wahrgenommene Jugendliche stellt antimuslimischer Rassismus häufig eine wesentliche Hürde für die demokratische Teilhabe dar. Dies ist ein Ergebnis der AFS-Studie „(Sozial-)Pädagogische Praxis muslimischer Akteur:innen und ihre Rolle in der politischen Sozialisation junger Menschen“ (MusAk). Für diese Untersuchung wurden seit dem Jahr 2022 Jugendarbeiter*innen befragt und Gruppendiskussionen mit jungen Teilnehmenden in muslimischen Jugendfreizeitangeboten geführt.
„Als zwei typische Zielorientierungen der pädagogischen Arbeit konnten wir zum einen eine Ausrichtung auf kollektive Anerkennung herausarbeiten, welche die Gruppenidentität der jungen Menschen und damit ihr gemeinschaftliches demokratisches Engagement stärken soll. Zum anderen fokussieren einige Jugendarbeitsangebote darauf, die individuelle Entwicklung der jungen Menschen zu unterstützen. Hier werden Handlungsoptionen zur gesellschaftspolitischen Partizipation aufgezeigt und Kompetenz in Fragen demokratischer Prozesse vermittelt“,
fasst Annika Jungmann, wissenschaftliche Referentin der AFS, ein erstes Ergebnis der Studie zusammen.
Verläufe politischer Sozialisation im Jugendalter
Seit dem Jahr 2020 wird in einem qualitativen Längsschnitt an der AFS untersucht, wie politische Sozialisationsprozesse junger Menschen verlaufen und welche Einflüsse verschiedene Sozialisationsinstanzen, wie die Schule, Gleichaltrige, die Familie oder Medien darauf haben. In drei Untersuchungswellen wurden dazu Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr interviewt.
Bezogen auf Sozialisationseinflüsse für die Politisierung Jugendlicher wurde in dieser Studie deutlich, dass unterschiedliche Muster diesen Prozess prägen. Dr. Maren Zschach, Projektleiterin der AFS, beschreibt dieses Spektrum politischer Sozialisationsmuster an drei Beispielen:
„In einigen Familien der Interviewten, in ihren Gleichaltrigengruppen und innerhalb der Schule spielen Fragen von Demokratie und Politik eine große Rolle. Diese jungen Menschen werden angeregt, politisch zu reflektieren und zu partizipieren.“
Andere würden jedoch in Familien aufwachsen, in denen politische Themen keine Rolle spielen, Gleichaltrige politisch nicht interessiert sind und der politisch-sozialisierende Einfluss der Schule als gering erscheint. Die Vermittlung gesellschaftlich relevanter Normen und Werte habe jedoch auch hier Auswirkungen auf politische und demokratische Orientierungen. In einer dritten Variante dominiere in den Sozialisationsverläufen eine Divergenz zwischen den Jugendlichen und der Familie, den Gleichaltrigen und der Schule. „Politisch sozialisierend wirken hier Auseinandersetzungen, in denen sich politische Orientierungen herausbilden“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Darüber hinaus wurde in dieser Studie der Verlauf von Politisierungsprozessen im Fallvergleich zweier Jugendlicher erforscht, deren politische Orientierungen sich hin zu radikaleren Milieus entwickelt. Dabei standen Berührungspunkte mit dem Rechtspopulismus einerseits und mit der militanten Antifa andererseits im Zentrum. Diese Fälle sind durch komplexe Bedingungs- und Einflusskonstellationen geprägt, die durch den qualitativen Forschungsansatz über mehrere Jahre anschaulich herausgearbeitet werden konnten.
„Typisch für die Phase der Adoleszenz ist dabei die Entwicklungsoffenheit politischer Sozialisationsprozesse. Jugendliche befinden sich politisch-sozialisatorisch in Orientierungs- und Suchprozessen. Gelegenheitsstrukturen bieten Möglichkeit für soziale Anschlüsse und Zugänge zu kollektiven Sinndeutungsangeboten, stehen aber immer im Wechselspiel diverser Sozialisationseinflüsse. Familiale Prägungen, aber auch Peers und Schule können hier deutliche pro- aber auch antidemokratische Impulse setzen“,
stellt Sally Hohnstein, wissenschaftliche Referentin der AFS fest.
Politische Partizipation von Jugendlichen – Daten des DJI-Surveys AiD:A
Neben der Durchführung von Studien beschäftigt sich die AFS darüber hinaus mit Erhebungen zu Einstellungen zu Demokratie und Politik, die als Teil des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AiD:A 2019) am DJI erhoben werden. Hier sind beispielsweise Fragen des politischen Interesses und von politischer Partizipation relevant. Auswertungen dieser Daten zeigen, dass sich junge Menschen häufig über ihr Konsumverhalten politisch ausdrücken: Knapp 36 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 16 und 23 Jahren (n=1.973) haben angegeben, aus politischen, ethischen oder Umweltgründen Waren boykottiert oder gekauft zu haben, knapp 30 Prozent der 16-17-jährigen Jugendlichen (n=597) nahmen bereits an Demonstrationen teil. Die Ergebnisse der Auswertung der AiD:A-Daten zeigen eine große Übereinstimmung mit Ergebnissen der aktuellen AFS-Studien.
„Die Befunde zeigen, dass sich bereits recht junge Menschen für Politik interessieren, die für sie angemessenen und möglichen Formen der Beteiligung nutzen und damit selbstbestimmt und selbstbewusst in das Feld der Politik hineinwachsen“,
ist ein Fazit von Ina Weigelt, wissenschaftliche Referentin der AFS.
Kontakt
Deutsches Jugendinstitut, Außenstelle Halle
Projektleiterin der Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention
Dr. Maren Zschach
Telefon: 0345 68178-62
E-Mail: zschach@dji.de
Abteilung Medien und Kommunikation
Marion Horn
Telefon: 089 62306-311
E-Mail: horn@dji.de
Quelle: Deutsches Jugendinstitut (DJI) vom 12.09.2024
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