Diabetestechnologie

Warum Kleinkinder auf moderne Systeme länger warten müssen

Die Behandlung von Typ-1-Diabetes hat durch automatisierte Insulin-Dosierungssysteme (AID) große Fortschritte gemacht. Für Kleinkinder sind diese Systeme jedoch oft nicht zugelassen, obwohl gerade sie davon profitieren würden. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert daher einen schnelleren Zugang zu modernen Systemen für die jüngsten Patient*innen.

31.07.2024

Die neuen Diabetestechnologien haben in den letzten 25 Jahren die Behandlung von Typ-1-Diabetes revolutioniert. Die automatisierten Insulin-Dosierungssysteme (AID) – auch hybrides Closed-Loop-System oder „künstliche Bauchspeicheldrüse“ genannt – sind ein Game-Changer in der Diabetestherapie. Doch für Kleinkinder stehen diese Systeme nur eingeschränkt zur Verfügung, da für diese Altersgruppe nur wenige Systeme zugelassen oder praktikabel sind. Doch weil gerade für die jüngsten Diabetespatient*innen ein gutes technisch unterstütztes Therapieangebot enorm wichtig ist, fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) einen leichteren und schnelleren Zugang zu modernen Systemen.

Die Behandlung von Typ-1-Diabetes hat in den letzten zwei Jahrzehnten bedeutende Fortschritte gemacht, insbesondere durch die Einführung von Insulinpumpen und automatisierten Insulindosierungssystemen (AID-Systeme). Mehr als 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen und etwa 40 Prozent der Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes nutzen Insulinpumpen. 

„Ein entscheidender Wendepunkt war 2016 die Verordnungsfähigkeit von kontinuierlichen Glukosemesssystemen (CGM-Systeme). Diese Technologie hat zusammen mit den automatisierten Insulinabgabe-Systemen die Diabetestherapie grundlegend verändert“,

erklärt Professor Dr. med. Andreas Neu, Past-Präsident der DDG und Arzt für Kinder- und Jugendmedizin

Die „Künstliche Bauchspeicheldrüse“ – die Zukunft der Diabetestherapie?!

Automatisierte Insulin-Dosierungssysteme (AID), auch bekannt als Hybrid-Closed-Loop (HCL) Systeme, kombinieren Insulinpumpen und kontinuierliche Glukosemessungen (CGM) zur automatischen Insulinabgabe basierend auf Echtzeit-Glukosewerten. Ein Algorithmus passt regelmäßig die Insulindosis an und kann Korrekturboli automatisiert abgeben. Das wiederum verbessert die Stoffwechseleinstellung, stabilisiert nächtliche Blutzuckerverläufe und reduziert Blutzuckerentgleisungen sowie Hypoglykämien. Sie ahmen die Funktion der Bauchspeicheldrüse sehr zuverlässig nach und erleichtern damit den Alltag der Betroffenen. Indem sie die Insulindosierung automatisch an den Kohlenhydratverbrauch und die körperlichen Aktivitäten anpassen, entlasten sie nicht zuletzt auch die Angehörigen bei der Therapieüberwachung. Durch die verbesserte Stoffwechseleinstellungen wird zudem das Risiko für sowie die Angst vor Folgeerkrankungen reduziert.

Jüngste Patient*innen mit größtem Bedarf noch unzureichend mit AID-Systemen versorgt

Besonders bei Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes ist die Glukoseeinstellung häufig schwierig. Sie benötigen meist nur eine geringe Insulinmenge und ihr Ess- und Aktivitätsverhalten ist schwer vorhersehbar. Ihre Eltern sind durch die erschwerten Verhältnisse besonders belastet. Deshalb könnten AID-Systeme speziell für diese Zielgruppe sowie ihre Angehörigen von großem Nutzen sein. 

„Der Zugang für diese Patientengruppe zu den modernen Systemen ist uns daher ein besonderes Anliegen. Aber aktuell sind nicht alle Systeme für die Jüngsten zugelassen, obwohl sie am meisten von dieser Technologie profitieren könnten“, 

so Neu. 

Eine internationale Studie bestätigt eine hohe Effektivität der Nutzung von AID-Systemen bei Vorschulkindern.

Wie in allen Bereichen der Medizinprodukte und Arzneimittelentwicklung werden die Systeme oft zunächst für Erwachsene oder ältere Kinder und Jugendliche überprüft. Daher gibt es derzeit nur begrenzte Optionen für Kinder unter 7 Jahren.

 „Es ist daher notwendig, die Zulassungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, damit die jüngsten Patient*innen schnellstmöglich am Fortschritt teilhaben können“, 

fordert Neu.

Der Schlüssel zum Erfolg: Weniger Bürokratie, mehr Interoperabilität der Systeme und Schulungen

Um die neuen Technologien für Menschen mit Diabetes besonders effektiv nutzbar zu machen, müssen die Rahmenbedingungen stimmen: Diabetes-Teams müssen kontinuierlich geschult werden, um mit den sich ständig weiterentwickelnden Systemen Schritt zu halten. Zudem benötigen Betroffene umfassende Schulungen und Sprachkenntnisse, um die komplexen Technologien zu verstehen und richtig anzuwenden. 

„Eine gründliche Schulung und regelmäßige Auffrischungen sind entscheidend für den Therapieerfolg. Schließlich sind auch Selektivverträge und unterschiedliche Softwarelösungen der AID-Systeme problematisch. Eine Vereinfachung der bürokratischen Hürden und eine höhere Interoperabilität der Systeme wären wünschenswert, um die Versorgungssituation weiter zu verbessern“,

betont Neu.

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. vom 11.07.2024

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