Wahlalter
Wählen mit 16 – Junge Menschen erhalten eine politische Stimme in Europa
Die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wird in Deutschland schon lange diskutiert. Auf europäischer Ebene hat das Europäische Parlament zuletzt im Mai 2022 eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre empfohlen. Junge Menschen in Deutschland können nun einen Beitrag zur Demokratie und zur europäischen Idee leisten: Das aktive Mindestwahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament wurde von 18 auf 16 Jahre gesenkt.
13.12.2022
Die Entschließung des Europaparlaments hatte zwar keine rechtliche Bindung, aber Deutschland ist mit seinem Schritt nun den Empfehlungen gefolgt. Der Bundestag hat den von den Koalitionsfraktionen (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP) vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Europawahlgesetzes (PDF: 186 KB) gebilligt und damit die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ermöglicht. Bei der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 können somit in Deutschland ca. 1,4 Millionen Menschen mehr zur Wahl gehen. Damit erreichen die Koalitionsfraktionen ein Ziel für junge Menschen, das im Koalitionsvertrag festgehalten wurde.
Die Entscheidung wurde jedoch nicht aus allen Lagern befürwortet: die Oppositionsparteien (CDU/CSU-Fraktion, AfD) stimmten gegen den Gesetzesentwurf. Ihre Argumente beziehen sich zum Beispiel auf beschränkte Geschäfts- und Deliktsfähigkeit von unter 18-Jährigen oder aber einen Widerspruch in der Verleihung des Wahlrechts, wenn gleichzeitig Handy- oder Mietverträge erst mit 18 Jahren abgeschlossen werden könnten. Ebenso sind Mangel an Reife und Lebenserfahrung für unter 18-Jährige immer wieder angeführte Gegenargumente der Opposition.
Für eine Änderung des Wahlalters spricht laut Koalitionsfraktionen, dass junge Menschen zwischen 16 und 18 Jahren ansonsten vom Wahlrecht ausgeschlossen seien, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Außerdem werde es die junge Generation sein, die von Themen wie Klimaschutz, Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme nachhaltig in der Zukunft betroffen sein werden.
In einem vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung organisierten Hearing (Juni 2022, PDF: 3,25 MB) hat ein Austausch zur Herabsetzung des Wahlalters zur Wahl des Deutschen Bundestages und zum Europäischen Parlament stattgefunden. In diesem sprachen sich Expert*innen aus interdisziplinären Fachrichtungen aus Wissenschaft und Praxis dafür aus, das Wahlalter herabzusetzen. Vor allem das Argument der fehlenden Reife junger Menschen unter 18 Jahren wird von verschiedenen Seiten im Hearing diskutiert und entkräftet.
Wahlaltersgrenze auf Bundesebene
Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionsfraktionen auch das Vorhaben festgeschrieben, das Wahlalter für die Bundestagswahl auf 16 Jahre abzusenken. Da das Wahlalter für die Bundestagswahl im Gegensatz zur Europawahl im Grundgesetz festgeschrieben ist (Mindestalter 18 Jahre), würde die Regierungskoalition für eine Änderung die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigen. Diese fehlt jedoch zur Zeit, da CDU/CSU und AfD das Wahlrecht ab 16 auf Bundesebene ablehnen.
Aktuelle Situation in den Bundesländern und Kommunen
Anders sieht es bereits jetzt bei den Kommunal- und Landtagswahlen aus. In den Kommunen von Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen dürfen Jugendliche ab 16 Jahren wählen.
16- und 17-Jährige dürfen ihr Wahlrecht auch auf Länderebene in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und seit April 2022 auch in Baden-Württemberg ausüben. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat kürzlich im November 2022 die Altersgrenze für die nächste Landtagswahl auf 16 gesenkt. In Berlin sollte das Wahlrecht für 16- und 17-Jährige ebenfalls bis Ende 2022 eingeführt werden. Jetzt – nach der Ankündigung der Wahlwiederholung zum Berliner Parlament Anfang 2023 - fordert der Landesjugendring Berlin in einem offenen Brief die Gelegenheit für die Absenkung des Wahlalters auf 16 nun schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, da zu erwarten sein wird, dass nach der Wahlwiederholung die nötige Zweidrittelmehrheit im Berliner Landesparlament nicht mehr gegeben sein wird.
Die unterschiedliche Wahlrechtssituation auf förderaler Ebene wird häufig kritisiert und mit einem „Flickenteppich“ (PDF: 1,63 MB) (Prof. Dr. Thorsten Faas, FU Berlin) verglichen. Es kann passieren, dass Jugendliche bei der Kommunalwahl wählen dürfen, bei der zeitgleich stattfindenden Landtagswahl jedoch nicht. Dies könnte zum Beispiel ein Gefühl von Ungerechtigkeit unter den Jugendlichen erzeugen, wie Prof. Dr. Thorsten Faas in seinem Beitrag für das dem Hearing im Juni 2022 ausführte.
EU-Mitgliedstaaten mit U-18 Wahlalter für die Europawahl noch in der Minderzahl
Auf europäischer Ebene gibt es ein paar wenige Mitgliedstaaten, die das aktive Wahlrecht an unter 18-Jährige für die Europawahl und darüber hinaus vergeben haben. In Österreich können Jugendliche ab 16 Jahren seit 2007 und in Malta seit 2018 an allen Wahlen auf allen Ebenen in ihrem Land teilnehmen. In Griechenland wurde 2016 das Wahlalter auf 17 Jahre gesenkt. Damit ist Deutschland das vierte Land in Europa, das die Europawahl ab 16 ermöglicht.
Für die Ausübung der demokratischen Beteiligung der Jugendlichen in Europa ist der Schritt in Deutschland ein großer Erfolg. Zum Ende des Europäischen Jahres der Jugend sind die demokratischen Rechte der Jugend erweitert worden.
Quelle: IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Kerstin Wondratschek
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