Interview

Resignation können wir uns in einer Zeit, in der so viel auf dem Spiel steht, nicht erlauben

Die Vodafone Stiftung hat mit MdB Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) über die Ergebnisse der Jugendbefragung der Stiftung gesprochen. Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen), geboren 1997, wurde 2021 erstmals als Abgeordneter in den Bundestag gewählt. Der ehemalige Bundessprecher der Grünen Jugend studiert Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität.

25.04.2022

Wie gut vertritt die Politik die Stimme der Jugend? Mit 24 gehören Sie selbst zu dieser Gruppe. Was nehmen Sie wahr?

Max Lucks: Als ich 2017 Bundessprecher der Grünen Jugend wurde, trendete der Hashtag #DieseJungenLeute und es gab überall Debatten über die Repräsentation und Unterrepräsentation von jungen Leuten. Ehrlich gesagt hat mich diese Diskussion wahnsinnig genervt. Das Problem ist in meinen Augen nicht, dass junge Leute vom Alter her unterrepräsentiert sind, sondern dass sie bei substanziellen Entscheidungen nicht berücksichtigt werden.

Viele junge Menschen möchten politisch etwas bewegen. Häufig fehlt ihnen jedoch das Verständnis dafür, wie Politik eigentlich funktioniert. Wo muss politische Bildung ansetzen?

Max Lucks: Viele junge Menschen erlebe ich als sehr meinungsstarke Personen. Das sollte der Ansatzpunkt sein. Wir müssen ihre Meinung endlich stärker in den politischen Diskurs einfließen lassen. Dem stehen gerade aber vor allem zwei Dinge entgegen: Das erste ist die Frage nach Zeit und Ressourcen. Wir müssen uns als Gesellschaft ehrlich fragen, ob die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die wir jungen Menschen zur Verfügung stellen, es erlauben, sich politisch zu engagieren. Dazu kommt, dass Politik manchmal ein unfassbar komplexes und schwieriges Bild von sich selbst zeichnet. Das macht es schlicht unattraktiv. Als Politiker/-innen müssen wir endlich damit anfangen, verständlicher zu kommunizieren und immer wieder zeigen, dass in einem politischen System auch Veränderung herbeigeführt werden kann.

Ob wir es schaffen, junge Frauen von unserem politischen System zu überzeugen, wird am Ende des Tages aber davon abhängen, ob das politische System für die Lebenswirklichkeit von Frauen genauso gut sorgt wie für die Lebenswirklichkeit von Männern. […] Wir brauchen eine feministische Politik, die etwas verändert.

Wie nutzen Sie unterschiedliche Social-Media-Plattformen für die junge Zielgruppe?

Max Lucks: Erst einmal möchte ich alle erreichen. Ich vertrete Menschen, die ein bestimmtes politisches Anliegen gutheißen, unabhängig davon, ob sie einer Gruppe angehören oder nicht. Mir folgen mit Sicherheit auch viele Heterosexuelle, die gut finden, dass ich mich für LGBT-Rechte engagiere. Und: Ich engagiere mich für Feminismus, obwohl ich ein Mann bin. Deshalb hat die Frage, welcher Gruppe ich angehöre, nicht so viel damit zu tun, welche politische Überzeugung ich vertrete. Gerade plane ich, einen TikTok-Kanal aufzumachen, weil ich glaube, dass ich die Menschen dort abholen muss, wo sie stehen. Dazu passt auch ein Format, das ich im Wahlkreis sehr gerne anbiete: Es heißt „Pils und Politik". Ich komme dann mit einem Kasten Bier vorbei, setze mich zu Leuten in den Schrebergarten, treffe mich mit ihnen im Park oder sitze in ihrer WG-Küche. So bekomme ich einen authentischen Querschnitt der Gesellschaft. Ich finde: Aktiv auf Leute zuzugehen ist eine wichtige Aufgabe von Politiker/-innen.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass junge Frauen deutlich unzufriedener mit unserem demokratischen System sind als junge Männer?

Max Lucks: Diese Unzufriedenheit hängt aus meiner Sicht mit der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit unseres politischen Systems für verschiedene Grup- pen zusammen. Es arbeitet ganz klar stärker für Männer als für Frauen. Um daran etwas zu ändern, ist es wichtig, Frauen nach vorn zu stellen. Ob wir es schaffen, junge Frauen von unserem politischen System zu überzeugen, wird am Ende des Tages aber davon abhängen, ob das politische System für die Lebenswirklichkeit von Frauen genauso gut sorgt wie für die Lebenswirklichkeit von Männern. Wenn Frauen weniger verdienen und im Gegensatz zu Männern nicht selbst über ihren Körper entscheiden dürfen, tut es das offenkundig nicht. Wir brauchen eine feministische Politik, die etwas verändert.

Resignation können wir uns in einer Zeit, in der so viel auf dem Spiel steht, nicht erlauben.

86 Prozent der jungen Menschen glauben nicht, dass es der nächsten Generation besser gehen wird. Wie blicken Sie in die Zukunft – welche Hoffnungen haben Sie?

Max Lucks: Wenn wir so weitermachen wie in den vergangenen Jahren, werden zukünftige Generationen auf diesem Planeten keine gute Zukunft haben. Das betrifft die Klima- und Energiepolitik, unser Wirtschaftssystem, das auf immer höhere Bruttoinlandsprodukte und immer mehr Wachstum setzt, und unseren Ressourcenverbrauch. Dass 86 Prozent der Befragten auf dieser Grundlage nicht an eine bes- sere Zukunft glauben, finde ich eine sehr ehrliche Analyse. Das Wichtige und Entscheidende ist, dass auf diese Analyse nicht Resignation folgen darf, sondern Optimismus und tatsächliche Veränderung. Resignation können wir uns in einer Zeit, in der so viel auf dem Spiel steht, nicht erlauben.

Quelle: Vodafone Stiftung vom 12.04.2022

Redaktion: Pia Kamratzki

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