Studie
Mütter mit kleinen Kindern im Grundsicherungsbezug
Der IAB-Forschungsbericht untersucht, unter welchen Bedingungen Mütter im SGB-II-Bezug nach der Geburt ihres ersten Kindes den Leistungsbezug verlassen. Die Studie zeigt, dass Alleinerziehende häufiger eine Beschäftigung aufnehmen als Mütter in Paarhaushalten. Arbeitsmarktchancen hängen stark von Bildung, Erwerbserfahrung und regionalen Faktoren ab. Weiterer Unterstützungsbedarf besteht.
25.09.2024
In dem nun vorliegenden IAB-Forschungsbericht untersuchen Dr. Katrin Hohmeyer, Wissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) und DJI-Abteilungsleiterin PD Dr. habil. Christina Boll, in welchen Kontexten erwerbsfähige Mütter im SGB-II-Bezug (Bürgergeld) nach der Geburt ihres ersten Kindes den Leistungsbezug verlassen und welche Rolle dabei die Aufnahme einer Beschäftigung und die Familienform spielen. Grundlage der Analyse ist eine repräsentative Stichprobe von 35.508 nichterwerbstätigen, erwerbsfähigen Frauen im Alter von 18 bis 44 Jahren im SGB-II-Leistungsbezug, die ihr erstes Kind zwischen 2007 und 2015 geboren haben. Dabei unterscheiden die Autorinnen zwischen alleinerziehenden Müttern und Müttern in Paarhaushalten. Sie betrachten drei unterschiedliche Verläufe und dabei jeweils nur den ersten Übergang in eine Beschäftigung: erstens eine (sozialversicherungspflichtige oder geringfügige) Beschäftigungsaufnahme mit zeitgleicher Leistungsbeendigung, zweitens die Aufnahme einer Beschäftigung ohne zeitgleiche Leistungsbeendigung und drittens die Leistungsbeendigung ohne Beschäftigungsaufnahme.
Jeweils rund die Hälfte der Mütter war zum Geburtszeitpunkt alleinerziehend, zwischen 18 und 24 Jahre alt, verfügte über keinen berufsqualifizierenden Abschluss und war zuvor noch nie sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ein gutes Drittel bezieht seit mindestens einem Jahr SGB-II-Leistungen.
Weniger als 10 Prozent der Mütter verlassen den Leistungsbezug in den ersten fünf Jahren nach Geburt ihres ersten Kindes durch eine Erwerbsaufnahme
Der größte Anteil der Alleinerziehenden (37 Prozent) nahm eine Beschäftigung auf, ohne den SGB-II-Bezug zu verlassen. Mütter mit Partner hingegen verließen den Leistungsbezug am häufigsten ohne Erwerbsaufnahme (39 Prozent). Insgesamt gehen alleinerziehende Mütter häufiger als Mütter mit Partner in eine Beschäftigung über – ob mit oder ohne Leistungsaustritt.
Weitere Ergebnisse der Studie: Höhere Arbeitsmarktressourcen wie formale Bildung gehen mit erhöhten Beschäftigungschancen der Mütter einher. Niedrigere Beschäftigungschancen haben hingegen Mütter mit einer längeren SGB-II-Bezugsdauer vor der Geburt sowie Mütter ohne EU-Staatsangehörigkeit. Ein ostdeutscher Wohnort wiederum geht für Mütter beider Haushaltstypen mit einer erhöhten Chance einher, den Leistungsbezug mit einer Erwerbsaufnahme zu beenden. Für den Austritt aus dem Leistungsbezug ist auch der Partnerschaftsstatus relevant. Förderlich ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Partners.
Es bestehen weiterhin Unterstützungsbedarfe
Die Befunde des Berichts verweisen auf fortbestehende Unterstützungsbedarfe von leistungsbeziehenden Müttern mit Kleinkindern, berichten die Autorinnen der Studie. Ein Gutteil der Mütter sei selbst noch jung sowie ohne berufsqualifizierenden Abschluss und muss berufliche Perspektiven erst einmal entwickeln. Abgestufte Angebote, die nach alltagsstabilisierender Unterstützung später auch die beruflichen Perspektiven in den Blick nehmen, dürften hier das Mittel der Wahl sein, empfehlen die Wissenschaftlerinnen. Für eine Erwerbsintegration sei bei diesen Müttern zunächst der Fokus auf frühzeitige Qualifizierung zu legen, weshalb es notwendig sei, den arbeitsmarktpolitischen Zugang zu dieser Gruppe zu erhalten. Mütter, die schon Erwerbserfahrung gesammelt haben, sollten dabei unterstützt werden, an diese baldmöglich beschäftigungswirksam anzuknüpfen und damit individuell vorhandene Potenziale zu nutzen. Mütter, die den Leistungsbezug ohne Jobaufnahme verlassen, sollten für die materiellen Risiken fehlender Erwerbsintegration sensibilisiert und beim Arbeitsmarktzugang durch geeignete Aktivierungsangebote unterstützt werden. Je nach Interesse der Eltern können all diese Maßnahmen eventuell auch schon innerhalb des dreijährigen Schutzraums greifen, in dem Erziehende dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen müssen.
Eltern kleiner Kinder werden jedoch nur dann beruflich aktiviert werden können, wenn die Kinderbetreuung sichergestellt ist. Die regional unterschiedliche Versorgungssituation trage schon heute zu ungleichen Teilhabechancen der Mütter bei. Daher müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, die vorhandenen Nachteile insbesondere von armutsgefährdeten, bildungsfernen und alleinerziehenden Müttern bei der Versorgung mit Krippen-, Kita- oder Hortplätzen abzubauen.
„Die Gelingensfaktoren für Mütter mit kleinen Kindern, aus dem Leistungsbezug auszutreten, sind komplex. Neben den eigenen Ressourcen ist auch der Haushaltskontext entscheidend. Daher brauchen diese Mütter weiterhin passgenaue Aktivierungsangebote seitens der Jobcenter. Und es braucht die Krippen-, Kita- und Hortplätze in der Fläche, die diese Aktivierung auch ermöglichen,“
erklärt Christina Boll.
Weitere Informationen
Kontakt
Leiterin der Abteilung Familie und Familienpolitik
PD Dr. habil. Christina Boll
Telefon: 089 62306-255
E-Mail: boll@dji.de
Abteilung Medien und Kommunikation
Marion Horn
Telefon: 089 62306-311
E-Mail: horn@dji.de
Quelle: Deutsches Jugendinstitut (DJI) vom 13.09.2024
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