Handlungsempfehlungen

Mehrkindfamilien mit mittlerem Einkommen zunehmend in Existenznot

In allen Familienhaushalten steigt die Armutsbetroffenheit mit der Zahl der im Haushalt lebenden Kinder – und sie sind häufiger betroffen als vergleichbare Haushalte ohne Kinder, so stellte der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. fest. Die Inflation und geopolitischen Auswirkungen beeinflussen nicht mehr nur Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen, sondern auch zunehmend mittelständische Mehrkindfamilien.

25.07.2022

Familien, deren Einkommen die Berechnungsgrenzen für ergänzende Sozialleistungen übersteigt, haben oft nur wenig mehr, zahlen aber alles selbst (ÖPNV, Gemeinschaftsessen, Klassenfahrten usw.). Eltern schauen von Woche zu Woche; blicken von Monatsanfang zur Monatsende, wie sie über die Runden kommen.

Dr. Elisabeth Müller, Bundesvorsitzende, sagte:

„Es geht mittlerweile ans Eingemachte, (...) insbesondere durch gestiegene Lebensmittel- und Hygieneproduktpreise, extrem hohe Kraftstoffpreise und zu erwartende Energienachzahlungen im drei- bis vierstelligen Bereich. Dazu kommen massive Preiserhöhungen bei Schulessen sowie Ausgaben für durch Corona nachgeholte Klassenfahrten und verschobene Wandertage, die die Familien in besonders herausfordernde Lebenssituationen katapultieren. Deshalb müssen kinderreiche Familien in existenziellen Notlagen zeitnah und merklich entlastet werden.“

Fünf Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Entlastung von Mehrkindfamilien

  1. Ein erster Schritt, der besonders jenen helfen würde, die viele Lebensmittel kaufen müssen, wäre eine zeitliche begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf zwei Prozent.
  2. Der Energiegeldbonus sollte 2023 wiederholt werden und evtl. auch eine Erhöhung ins Spiel gebracht werden.
  3. Der Verband regt eine bundesweite Weiterführung des 9-Euro-Tickets für alle schulpflichtigen Kinder an, denn die Ausgaben für ÖPNV können die Geldbeutel von Familien monatlich überproportional belasten. Gleichzeitig würde die nächste Generation für ökologisch nachhaltige Mobilitätswege sensibilisiert, Kraftstoff gespart und das Zeitbudget der Eltern aufgrund wegfallender Fahrtwege („Eltern-Taxi“) entlastet.
  4. Bei hohen Energienachzahlungen muss es möglich sein, Anträge entweder bei der Bundesstiftung Familie in Not bzw. deren Landesstiftungen oder über das Sozialamt pragmatisch und nicht nur als Einzelfallentscheidungen einzureichen.
  5. Mittels geförderter Familienbildungsfahrten und Austauschmöglichkeiten (z. B. auf Familienkongressen) sowie einer bundesweit einheitlichen Mehrkindfamilienkarte, wie sie unser Verband bereits in Thüringen etabliert hat, werden kinderreichen Familien gleiche Chancen und Zugänge zum Bildungs-, Kultur- und Freizeitsektor gewährt.

Müller wies darauf hin, dass Familien Zuspruch und Gewissheit brauchen. Sie forderte die Politik auf, Zukunftsängsten zu begegnen und das „Fundament“ Familie in Krisenzeiten zu schützen und zu stützen.

Fakten über Armutsgefährdung bei Kinderreichen

Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland erlebt Armut. Es ist zu wenig Geld für gesundes Essen, Bildung, Hobbys und Urlaub zur Verfügung. Kinderarmut bedeutet auch beengtes Wohnen und häufig Stigmatisierung. Kinderreichtum wird häufig mit Armutsgefährdung assoziiert. Es gibt ca. 1,4 Millionen Familien mit drei und mehr Kindern. Mehr als jedes dritte Kind wächst in einer Mehrkindfamilie auf. Mehr als 700.000 Kinder aus kinderreichen Familien gelten als arm (vgl. Bertelsmann-Stiftung). Gemessen am Nettoäquivalenzeinkommen sind kinderreiche Familien doppelt so häufig armutsgefährdet wie Familien mit weniger als drei Kindern (vgl. BiB 2019). Bei kinderreichen Paarfamilien beträgt die Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen knapp 31 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 2019). Besonders von Armut bedroht sind kinderreiche Familien aus niedrigen Bildungsschichten. In allen Bildungsschichten nimmt das Nettoäquivalenzeinkommen mit zunehmender Kinderzahl ab. In hohen Bildungsschichten ist dieser Unterschied dabei besonders groß.

Quelle: Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. vom 11.07.2022

Redaktion: Pia Kamratzki

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