Kinder- und Jugendsport
Mädchenförderung im Sport
Mädchen treiben weniger Sport als Jungen, was negative Folgen für ihre Teilhabe und Selbstentfaltung hat. Ursachen sind soziale Erwartungen und unangemessene Bekleidungsvorschriften. Es braucht spezifische Angebote, sensibilisierte Trainer*innen und mehr Investitionen, um Chancengleichheit zu fördern.
08.10.2024
Die Förderung von Mädchen in der Gesellschaft ist ein zentrales Thema, das allerdings in ihrer Bedeutung in den letzten Jahren „gefühlt“ eher ab- als zugenommen hat. Nachdem Themen wie die Corona-Pandemie, Kriege und Konflikte, der Klimawandel sowie demokratiefeindliche Tendenzen in der Gesellschaft in der politischen Debatte Hochkonjunktur hatten, ist es an der Zeit, die soziale Ungleichheit wieder aus dem Schatten dieser Diskurse zu holen. Eben diese Ungleichheit spielt nämlich die entscheidende Rolle für alle diese Herausforderungen und Themen. Diejenigen, die eher Zugänge zu Bildung und Teilhabe, zu Kultur- und Freizeitangebote haben, die sich gleichbehandelt fühlen und Räume für Gestaltung und Selbstentfaltung erhalten, nehmen am Ende auch eine gestaltende Rolle in der Gesellschaft ein und befürworten demokratieförderliche Strukturen. Von daher muss stärker auf die Zielgruppen in der Gesellschaft geschaut werden, die noch nicht ausreichend partizipieren: Menschen mit Förderbedarf, Menschen aus sozial schwachen Milieus – und eben auch auf Mädchen und junge Frauen!
Aktuelle Studien (z. B. Move For Health 2023) zeigen, dass Mädchen und junge Frauen noch immer signifikant weniger Sport treiben oder an Sportangeboten im Verein teilnehmen als Jungen oder junge Männer. Mädchen sind vom sogenannten „Dropout“, also dem Rückgang der sportlichen Betätigung ab dem Jugendalter besonders betroffen. Auch die DOSB-Bestandserhebung 2023 zeigt, dass die Mitgliederzahlen bei 14- bis 18-jährigen Mädchen in Sportvereinen rückläufig sind. Während in fast allen anderen Altersgruppen ein Anstieg der Mitgliederzahlen zu verzeichnen ist, verlieren Mädchen im Jugendalter zunehmend das Interesse am organisierten Sport.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine Studie zeigt, dass Mädchen gerne sportlich aktiv und dabei durchaus wettbewerbsorientiert sind. Trotzdem kommen sie später mit Sport in Berührung als Jungen und hören früher wieder auf. Oft liegt das an den Erwartungen der Familie und des sozialen Umfeldes oder an negativen Erfahrungen. Ein weiterer Aspekt können sexualisierte Bekleidungsvorschriften in vielen Sportarten sein. Die jüngsten Erkenntnisse aus einer Studie in England zeigen, dass auf Körperbetonung ausgelegte Kleidung viele Mädchen und junge Frauen davon abhält, weiterhin Sport zu treiben. Drei Viertel der befragten Frauen gaben an, dass sie oder andere Mädchen wegen der vorgeschriebenen Sportkleidung oder aufgrund von Unsicherheiten über ihr Körperbild den Sport aufgegeben haben.
Sportteilhabe als Motor für gesellschaftliche Teilhabe von Mädchen
Diese negativen Entwicklungen sind ein großes Problem, denn die Teilhabe an Sportangeboten, insbesondere in einem Verein, kann Mädchen Zugänge zu weiteren Bildungs- und Kompetenzbereichen eröffnen: Sport fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die mentale Stärke, ein gesundes Selbstwertgefühl und Durchsetzungsfähigkeit. Gerade für Mädchen, die in der Pubertät oft mit Unsicherheiten und Selbstzweifeln kämpfen, kann der Sport ein wertvoller Erfahrungs- und Lernort sein. Doch wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, wird aus der Chance auf Selbstentfaltung ein weiterer Druckfaktor, der Mädchen eher vom Sport weg als hinführt.
Fehlende Angebote und Investitionen in die Mädchenförderung
Ein weiterer kritischer Punkt ist das Fehlen spezifischer Angebote und Investitionen, die auf die Bedürfnisse und Interessen von Mädchen zugeschnitten sind. Dazu gehört nicht nur die Anpassung der Bekleidungsvorschriften, sondern auch die Schaffung von Räumen, in denen Mädchen sich wohl und sicher fühlen, in denen sie mit Freundinnen zusammenkommen können und ihren Interessen im Sport nachgehen können, in denen es auch häufig um Gesundheit, Ernährung oder Körperbilder geht. Hierbei spielt auch die Ausbildung von Trainer*innen eine entscheidende Rolle, die sensibilisiert und geschult werden müssen, um Mädchen bestmöglich zu unterstützen. Die Women’s Sports Foundation hat z. B. herausgefunden, dass bei Mädchen das Verhältnis zum*r Trainer*in einer der wichtigsten Faktoren ist, um sie nachhaltig für Sport zu begeistern.
Fazit: Es gibt viel zu tun
Es ist offensichtlich, dass es bislang nicht gelungen ist, Mädchen im Sport die gleichen Chancen zu bieten wie Jungen. Dafür braucht es ein umfassendes Umdenken bezüglich starrer Strukturen, hin zu einem inklusiven und mädchen- bzw. frauenfreundlichen Ansatz.
Initiativen wie ICOACHGIRLS sind wichtige Schritte in die richtige Richtung, doch sie finden immer noch zu wenig Beachtung. Mädchen sollten wieder stärker in den Fokus rücken, damit auch junge Frauen die Chance haben, als Athlet*innen und Trainer*innen im Sport zu wachsen, sich zu entfalten und ihren Platz in der Gesellschaft selbstbewusst einzunehmen – für die Chancengleichheit, die wir uns alle wünschen. Wie das in der Praxis gelingen kann, wird beispielsweise im Coaching Girls Guide von ICOACHGIRLS vorgestellt.
Im Laufe der Europäischen Woche des Sports vom 23. September 2024 veröffentlicht die Deutsche Sportjugend weitere Beiträge und Informationen rund um das Thema ICOACHKIDS. Dazu zählen Beispiele aus der Praxis, die zeigen, wie Trainer*innen im Kinder- und Jugendsport oder Vereine/Verbände die Selbstlernmaterialien für ihre Trainer*innenaus- und -fortbildung nutzen können, welche Inhalte in den Materialien vermittelt werden und welche Rahmenbedingungen zu schaffe sind, damit Mädchen im Besonderen oder Talente im Sport gefördert werden können. Wer sich immer noch fragt, was hinter ICOACHKIDS steckt, schaut sich am besten direkt das Imagevideo dazu an.
Quelle: Deutsche Sportjugend (dsj) vom 26.09.2024
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