Gewalt in der Partnerschaft

Jugendliche Mädchen sind in alarmierendem Maße von Gewalt in Paarbeziehungen betroffen

Von den heranwachsenden Mädchen, die in einer Beziehung leben, wird fast ein Viertel (24 %) – fast 19 Millionen – bis zu ihrem 20. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt haben. Dies geht aus einer neuen Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor, die heute in The Lancet Child & Adolescent Health veröffentlicht wurde. Fast 1 von 6 (16%) hat im vergangenen Jahr solche Gewalt erlebt.

06.08.2024

„Gewalt in der Partnerschaft beginnt für Millionen junger Frauen auf der ganzen Welt alarmierend früh“, 

sagte Dr. Pascale Allotey, Direktorin der WHO-Abteilung Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Forschung. 

„Angesichts der Tatsache, dass Gewalt in diesen kritischen Jahren tiefgreifende und dauerhafte Schäden verursachen kann, muss sie als Problem der öffentlichen Gesundheit ernster genommen werden – mit dem Schwerpunkt auf Prävention und gezielter Unterstützung.“

Gewalt in der Partnerschaft kann verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit junger Menschen, ihre schulischen Leistungen, ihre künftigen Beziehungen und ihre Lebensperspektiven haben. Aus gesundheitlicher Sicht erhöht sie die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen, Depressionen, Angstzuständen, ungeplanten Schwangerschaften, sexuell übertragbaren Infektionen und vielen anderen körperlichen und psychischen Erkrankungen. 

Hohe Gewaltraten gegen heranwachsende Mädchen sind Ausdruck tief verwurzelter Ungleichheiten

Diese Studie stützt sich auf vorhandene Daten, um zum ersten Mal eine detaillierte Analyse der Prävalenz von körperlicher und/oder sexueller Partnergewalt zu erstellen, die 15- bis 19-jährige Mädchen in intimen Beziehungen erfahren haben. Außerdem werden umfassendere soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren ermittelt, die das Risiko für diese Mädchen erhöhen.

Obwohl Gewalt gegen heranwachsende Mädchen überall vorkommt, weisen die Autoren auf erhebliche Unterschiede in der Prävalenz hin. Nach Schätzungen der WHO sind die am stärksten betroffenen Regionen Ozeanien (47 %) und Zentralafrika südlich der Sahara (40 %), während die niedrigsten Raten in Mitteleuropa (10 %) und Zentralasien (11 %) zu verzeichnen sind. Auch zwischen den einzelnen Ländern gibt es eine beträchtliche Spannbreite: von schätzungsweise 6 % jugendlicher Mädchen, die in den am wenigsten betroffenen Ländern Opfer solcher Gewalt werden, bis zu 49 % in den Ländern mit den höchsten Raten.  

Die neue Analyse ergab, dass Gewalt durch Intimpartner gegen heranwachsende Mädchen am häufigsten in Ländern und Regionen mit niedrigerem Einkommen vorkommt, in denen weniger Mädchen eine weiterführende Schule besuchen und in denen Mädchen im Vergleich zu Männern schwächere Eigentums- und Erbschaftsrechte haben. Eine Kinderheirat (vor dem 18. Lebensjahr) erhöht das Risiko erheblich, da der Altersunterschied zwischen den Ehepartner*innen zu einem Machtgefälle, wirtschaftlicher Abhängigkeit und sozialer Isolation führt – alles Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie misshandelt werden.

Heranwachsende Mädchen brauchen gezielte Dienstleistungen und Unterstützung

Die Studie unterstreicht die dringende Notwendigkeit, Unterstützungsdienste und frühzeitige Präventionsmaßnahmen, die auf Jugendliche zugeschnitten sind, sowie Maßnahmen zur Förderung der Handlungsfähigkeit und der Rechte von Frauen und Mädchen zu verstärken – von schulischen Programmen, die sowohl Jungen als auch Mädchen über gesunde Beziehungen und Gewaltprävention aufklären, bis hin zu rechtlichem Schutz und wirtschaftlicher Befähigung. Da viele Jugendliche nicht über eigene finanzielle Mittel verfügen, ist es für sie besonders schwierig, missbräuchliche Beziehungen zu verlassen.

„Die Studie zeigt, dass die Länder zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt politische Maßnahmen und Programme einführen müssen, die die Gleichstellung von Frauen und Mädchen verbessern“, 

sagt Studienautorin Dr. Lynnmarie Sardinha, Fachreferentin für Daten und Messungen im Bereich Gewalt gegen Frauen bei der WHO. 

„Das bedeutet, allen Mädchen eine Sekundarschulbildung zu ermöglichen, geschlechtergleiche Eigentumsrechte zu sichern und schädliche Praktiken wie die Kinderheirat zu beenden, die oft auf denselben ungerechten Geschlechternormen beruhen, die die Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufrechterhalten.“

Derzeit ist kein Land auf dem Weg, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen bis zum Erreichen des Ziels für nachhaltige Entwicklung 2030 zu beseitigen. Die Beendigung der Kinderheirat – von der weltweit jedes fünfte Mädchen betroffen ist - und die Ausweitung des Zugangs von Mädchen zur Sekundarschulbildung werden entscheidende Faktoren für die Verringerung der Partnergewalt gegen heranwachsende Mädchen sein

Die WHO unterstützt die Länder bei der Messung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich der Stärkung von Prävention und Reaktion im Gesundheitssektor. Neue WHO-Leitlinien zur Prävention von Kinderheirat sollen bis Ende 2024 veröffentlicht werden.

Informationen zur Studie

Die Studie Intimate partner violence against adolescent girls: regional and national prevalence estimates and associated country-level factors (Gewalt in der Partnerschaft gegen heranwachsende Mädchen: regionale und nationale Prävalenzschätzungen und damit verbundene Faktoren auf Länderebene) analysiert sowohl die Lebenszeitprävalenz als auch die Prävalenz der körperlichen und/oder sexuellen Partnergewalt gegen 15- bis 19-jährige Mädchen in den letzten 12 Monaten. Andere Arten von Gewalt, einschließlich psychischer Gewalt, werden nicht berücksichtigt, da es keine international vergleichbare Messgröße gibt.

Es werden Daten aus der 2018 veröffentlichten Globalen Datenbank der WHO zur Prävalenz von Gewalt gegen Frauen verwendet, die sich auf Daten stützt, die zwischen 2000 und 2018 in 161 Ländern erhoben wurden. Um international vergleichbare Schätzungen zwischen den Ländern zu erstellen, wurden Bayes'sche hierarchische Modellierungsmethoden verwendet.

Diese Studie wurde vom UK Foreign and Commonwealth Development Office über das gemeinsame Programm von WHO und UN Women zur Stärkung der Daten über Gewalt gegen Frauen finanziert.

Quelle: World Health Organization (WHO) vom 29.07.2024 (aus dem Englischen übersetzt von der Redaktion)

Redaktion: Paula Joseph

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