Im Gespräch

Jugend und Corona – Jugendgerechte Gesetzgebung in Zeiten von Covid-19?!

Wir sind mit Rebecca Romes und Victoria Hahn vom Kompetenzzentrum Jugend-Check (KomJC) im Gespräch. Sie berichten über die Bundesjugendkonferenz im September 2020 und die Diskussionen der jungen Menschen. Empfinden sie die Gesetzgebung in der Corona-Pandemie jugendgerecht?

05.01.2021

Im Rahmen der Bundesjugendkonferenz hat das Kompetenzzentrum Jugend-Check mit jungen Menschen darüber diskutiert, welche Folgen Corona-bedingte Maßnahmen auf jugendliche Lebenswelten haben. In unserer Reihe „Im Gespräch“ geben die Forschungsreferentinnen Rebecca Romes und Viktoria Hahn Einblick in wichtige Ergebnisse zur Diskussion über jugendgerechte Gesetzgebung in Zeiten von Corona.

Der Jugend-Check wird vom Kompetenzzentrum Jugend-Check (KomJC) durchgeführt und auf Gesetzesvorhaben der Bundesregierung angewandt. Mit dem Jugend-Check werden die Folgen von Gesetzen für junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren beschrieben. Als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung macht der Jugend-Check ressortübergreifend darauf aufmerksam, wo und wie Gesetze aus unterschiedlichen Bereichen junge Menschen betreffen können. Der Jugend-Check soll damit zu einer jugendgerechten Gesetzgebung beitragen.   

„Im Workshop haben wir die Corona-Maßnahmen der letzten Monate geprüft und analysiert“

Rebecca Romes, VictoriaHahn, auf der Bundesjugendkonferenz, die kürzlich stattgefunden hat, haben Sie mit jungen Menschen über die Folgen von Regierungshandeln während der Corona-Pandemie gesprochen. Wie lief das ab?
 

Wir haben einen Workshop zum Thema „Jugendgerechte Gesetzgebung in Zeiten von Covid-19?“ gegeben. Hintergrund war, dass der Ausbruch der Covid-19 Pandemie ein schnelles Handeln des Gesetzgebers erforderlich gemacht hat. Viele Gesetze und Maßnahmen wurden in kurzer Zeit erlassen, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Menschen in Deutschland zu reduzieren. Eine solche Gesetzgebung bedeutet jedoch auch, dass die Folgen von Gesetzen vorab nicht umfassend geprüft werden konnten. Gemeinsam mit den Jugendlichen haben wir im ersten Teil des Workshops Corona-Maßnahmen der letzten Monate geprüft und analysiert, wie sich diese auf junge Menschen ausgewirkt haben. Im zweiten Teil des Workshops haben wir mit den Teilnehmenden darüber diskutiert, was aus ihrer Sicht bei Gesetzen oder Maßnahmen mit Bezug auf die Corona-Pandemie in Zukunft mitgedacht werden sollte.

Welche Themen waren für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen besonders relevant?
 

Im Rahmen des Workshops konnten lediglich beispielhafte Regelungen aus Gesetzen und Verordnungen mit Corona-Bezug geprüft werden. Den jungen Menschen wurden unterschiedliche Regelungen zur Auswahl gestellt, über die gemeinsam diskutiert wurde. Darunter waren die Gutscheinregelung für Konzerte oder Freizeitveranstaltungen, die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und die Möglichkeit, den BAföG-Satz ohne Einbußen aufzustocken, wenn man z.B. im Krankenhaus zur Bekämpfung der Pandemie beiträgt. Wir haben dann gemeinsam das Prüfraster des Jugend-Checks genutzt, um jugendspezifische Auswirkungen dieser Regelungen herauszufinden. 

Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen aus Sicht der Jugendlichen?
 

In Bezug auf die Gutscheinregelung beispielsweise, äußerten die Jugendlichen, dass sie häufiger darauf angewiesen sind, dass  ihre Eltern  sie zu einem Konzert fahren oder darauf, dass ein Nachhol-Termin für eine Veranstaltung nicht unter der Woche liegt bzw. in den Ferien stattfindet. 
Zur Corona-Testpflicht argumentierten die Teilnehmenden, dass diese gerade für Schülerinnen und Schüler dazu beitragen könnte, dass Schulen aufgrund eines verminderten Infektionsrisikos nicht geschlossen werden müssen. Zudem gäbe es so für junge Menschen die kostenfreie Möglichkeit sich testen zu lassen. Das könnte es vor allem für junge Menschen einfacher machen, die noch nicht so viel Geld haben. Dies könnte auch die Testbereitschaft insgesamt stärken. Aus Sicht der Jugendlichen kann die Aufstockung des BAföG-Satzes für angehende Medizinerinnen und Mediziner ein Anreiz sein, sich zu engagieren.  

Den jungen Menschen fehlen Treffpunkte zum Austausch 

Die Pandemie ist sehr dynamisch und negative gesundheitliche Folgen müssen mit kurzfristigen Entscheidungen verhindert werden. Junge Menschen wissen, dass die Regierung zurzeit nicht von langer Hand ihre Schritte planen kann. Welche Aspekte sollten in der Corona-Gesetzgebung dennoch unbedingt mitgedacht werden, um der Jugend im Land gerecht zu werden?
 

Im Bereich Freizeit sollte aus Sicht der Teilnehmenden bedacht werden, dass jungen Menschen im Frühjahr Treffpunkte zum Austausch gefehlt haben, zum Beispiel Jugendclubs oder Sportanlagen. Dazu gab es den Vorschlag, im Herbst feste Gruppen zu schaffen, die sich treffen könnten. Im Bereich Schule und Ausbildung fühlten sich einige Teilnehmende zu sehr auf ihre Rolle als Schülerinnen oder Schüler reduziert. Dies sei aber nur ein Teil ihres Lebens, der von den Corona-Beschränkungen betroffen ist. Im Hinblick auf den Ausbildungsmarkt wurde die steigende Jugendarbeitslosigkeit thematisiert und die Unklarheit darüber, ob z. B. Ausbildungsziele noch erreicht werden können. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Diskussion war das Thema Digitalisierung. Hierbei machten die Teilnehmenden zu Beginn der Pandemie sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie schnell z. B. Schulen auf digitale Unterrichtskonzepte umstellen konnten. Zum Teil fehlte es an Infrastruktur und Know-how, wobei gleichzeitig eine datenschutzsichere Umsetzung erwartet wird. Hier sahen die Jugendlichen noch viel Verbesserungsbedarf.

Denken Sie, der Jugend-Check kann ein wirksames Instrument sein, um die Auswirkungen von Gesetzvorhaben auch in Corona-Zeiten transparent zu machen?
 

Ja, mit dem Jugend-Check können politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger für die Belange junger Menschen sensibilisiert werden. Als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung kann der Jugend-Check jedoch nur dann Wirkung entfalten, wenn dafür im Gesetzgebungsprozess Zeit besteht – das war im Frühling, als die im Workshop besprochenen Maßnahmen erlassen wurden, nicht der Fall. In den Jugend-Checks zeigen wir, wo und wie sich ein Gesetzesvorhaben auf das Leben junger Menschen auswirken kann. Dadurch kann „Jugend“ mitgedacht werden und auf nicht intendierte Folgen von Gesetzen aufmerksam gemacht werden. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden wird das KomJC auch in Zukunft mitdenken, wenn es um die Prüfung jugendrelevanter Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf junge Menschen geht – sowohl während als auch nach der Pandemiezeit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Nadine Salihi 

Mehr Informationen

Mehr zum Kompetenzzentrum Jugend-Check: www.jugend-check.de
Mehr zur Bundesjugendkonferenz: www.bundesjugendkonferenz.de

Die Bundesjugendkonferenz (BuJuKo) 2020 fand vom 11. - 12. September digital mit 150 Jugendlichen statt. Die Dokumentation, herausgegeben von jugendgerecht.de zusammen mit der Servicestelle Jugendstrategie (Stiftung SPI) und dem Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) steht zum Download bereit. Den Link sowie weitere Informationen finden Sie in unserem Artikel Dokumentation der BuJuKo 2020 erschienen.

Gesprächsreihe vom Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe

In unserer Gesprächsreihe "Jugend und Corona" fragen wir Schüler/-innen, Studierende, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Vertreter/-innen aus dem Bundesfamilienministerium sowie junge Menschen mit Fluchterfahrung, wie sie derzeit ihren Alltag erleben, welche Eindrücke und Wünsche sie haben.

Lesen Sie auch: Jugend und Corona – Wie gehen junge Menschen mit der Krise um?

Redaktion: Iva Wagner

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