VPK

Homeschooling bringt Heimerziehung ans Limit

Elf Monate Pandemie, wiederkehrende Lockdowns und kurzfristige Quarantänesituationen bringen nicht nur Eltern, sondern auch die Fachkräfte in den stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland immer öfter an ihre Grenzen. Diese Vermutung, die sich bereits im ersten Lockdown abzeichnete, wurde nun durch eine interne Blitzumfrage unter den Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbandes privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK) bestätigt.

04.02.2021

Stationäre Jugendhilfeeinrichtungen benötigen zusätzliches Personal

„Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung, die vormittags normalerweise in Kitas und Schulen betreut werden, müssen während des Lockdowns wochenlang mit vielen zusätzlichen Stunden von den Fachkräften betreut und beschult werden“, so Rebecca Prent, Vizepräsidentin des VPK-Bundesverbandes e.V. „Dies aber ist nicht mit den vor Corona-Zeiten verhandelten Fachkraft-Kind-Schlüsseln und Tagessätzen zu leisten. Wir verfügen schlicht nicht über die Anzahl an Personal, die es bräuchte, um all das aufzufangen, was Kitas und Schulen aufgrund der Pandemie derzeit nicht selbst anbieten können“, so Prent weiter.

Sehr unterschiedliche Anforderungen an das Homeschooling

Die in den Einrichtungen lebenden Kinder und Jugendlichen, die in der Regel in altersübergreifenden Gruppen von bis zu zehn Kindern betreut werden, besuchen verschiedene Klassen und Schultypen. So ist es beispielsweise nicht unüblich, dass in einer Gruppe Kinder aus Regelgrundschule, Förderschule, Mittelschule, Realschule und Gymnasium vereint sind. Die Anforderungen an das Homeschooling könnten dabei unterschiedlicher kaum sein. „Hinzu kommt, dass die Kinder und Jugendlichen aufgrund ihrer persönlichen Vorgeschichte und der damit verbundenen Verhaltenssymptomatiken weitaus mehr Zuwendung und Motivationshilfe benötigen als andere Kinder im Homeschooling, die nicht einer besonderen Förderung durch Angebote der Jugendhilfe bedürfen“, präzisiert Prent.

Neben personeller auch finanzielle Unterstützung nötig

Die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen haben gleich zu Beginn der Pandemie im März vergangenen Jahres auf ihre Situation aufmerksam gemacht und bei den für sie zuständigen Heimaufsichten mehr personelle und finanzielle Unterstützung eingefordert. Bis heute sind dem stetigen eindringlichen Appell der Einrichtungen jedoch kaum Taten gefolgt. In Bayern, wo Rebecca Prent eine eigene Einrichtung betreibt, wurde kürzlich eine zusätzliche Fachkraft für die Vormittagsbetreuung bewilligt. Dies aber reicht aus Sicht der erfahrenen Pädagogin längst nicht aus.

„Homeschooling auf unbestimmte Zeit, unterschiedliche Lernplattformen, fehlende Erreichbarkeit von Lehrern, Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Förder- und Betreuungsbedarf, alltägliche Aufgaben zum Beispiel auch in der Elternarbeit, die mindestens weiterlaufen oder aufgrund der aktuellen Situation noch zeitintensiver sind, die ständige Überprüfung und Umsetzung der Hygienekonzepte bei der gleichzeitigen Anwesenheit von viel mehr Kindern als gewöhnlich – das ist einfach nicht machbar. Bei allem Engagement und guten Willen – uns Fachkräften geht langsam die Puste aus.“

Der VPK fordert die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene dazu auf, die Nöte der Einrichtungen endlich wahrzunehmen und schnelle und pragmatische Lösungen im Hinblick auf die Finanzierung zusätzlichen Personals sicherzustellen. Die Kinder- und Jugendhilfe leistet einen wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag und darf ebenso wie andere Bereiche des Lebens in der Pandemie nicht vergessen werden. „Gerade sehen wir jeden Tag neue Studien, die das Ausmaß der aktuellen Situation auf die Psyche und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen beschreiben. Wir müssen alles daransetzen, diesen besonders zuwendungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen die Unterstützung zu geben, die sie dringend benötigen“, so Prent abschließend.

Quelle: Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK) vom 03.02.2021

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