Familiennachzug
Vorübergehende Aussetzung legitim, Umgang mit Härtefällen in der Umsetzung entscheidend

Die Bundesregierung will den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre aussetzen. Die menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben lassen eine vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs grundsätzlich zu. Im Umgang mit den weiterhin möglichen Härtefall-Aufnahmen sollte das Kindeswohl zentral sein.
20.06.2025
Der Bundestag wird morgen in erster Lesung über den vorliegenden Entwurf zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten beraten. Der Entwurf setzt die Einigung der Regierungsparteien im Koalitionsvertrag um, die vorsieht, dass der Familiennachzug für diese Gruppe vorübergehend mit Blick auf die Aufnahmefähigkeit von Ländern und Kommunen für zwei Jahre ausgesetzt wird.
„Das Recht auf Familieneinheit zählt zu den elementaren Grund- und Menschenrechten, auch wenn daraus kein unbedingter Anspruch auf Familiennachzug ableitbar ist. Zudem ist Familiennachzug integrationspolitisch sinnvoll, da die Sorge um Angehörige es erschwert, innerlich anzukommen und sich etwa um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen“,
stellt der SVR-Vorsitzende Prof. Winfried Kluth fest.
„Zugleich ist das staatliche Ziel der Migrationssteuerung auch mit Blick auf die Aufnahmefähigkeit in den Kommunen und die Akzeptanz der Aufnahmebevölkerung zu beachten. Vor diesem Hintergrund kann eine vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe als Reaktion auf sehr hohe Zuzugszahlen und damit verbundene Belastungen der Aufnahme- und Integrationseinrichtungen grundsätzlich gerechtfertigt sein.“
Allerdings bedürfen aus Sicht des SVR jedenfalls deutlich längere Wartezeiten aus integrationspolitischen Gründen und auch nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen einer immer stärkeren Rechtfertigung:
„Es entspricht insoweit rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes, dass laut Entwurf Personen, denen bereits ein Termin zur Visumvergabe oder Visumabholung zugesagt wurde, ausdrücklich nicht von der Regelung betroffen sind. Auch darüber hinaus sind aber etwaige längere Wartezeiten anderer Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Handhabung der Härtefallklausel zu berücksichtigen“,
so Prof. Kluth. Was diese weiterhin möglichen Härtefall-Aufnahmen nach § 22 und § 23 AufenthG betrifft, wird die Umsetzung in der Verwaltungspraxis darüber entscheiden, ob hier den besonderen Interessen vulnerabler Gruppen hinreichend Rechnung getragen wird. „Hier sind unbedingt Minderjährige und kranke Personen zu berücksichtigen, um das Kindeswohl zu gewährleisten und unbillige Härten zu verhindern“, sagt der SVR-Vorsitzende. Zudem sollte die Dauer der Trennung – wie in der Begründung auch erwähnt – als wesentlicher Faktor berücksichtigt werden.
„Der Familiennachzug fördert nach vorliegenden sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen die Integration, weil die Familien selbst Sozialität, also soziale Beziehungen und Interaktionen herstellen. So vermitteln etwa Kinder, die in Schulen und andere Lebensbereiche einbezogen sind, Kontakte in die deutsche Gesellschaft. Das erleichtert auch die Integration der Eltern.“
Grundsätzlich sieht der SVR weiterhin den bereits von der damaligen Großen Koalition gefundenen Kontingent-Kompromiss als Steuerungsmodell, das verschiedene berechtigte Interessen ausbalanciert. „Der Familiennachzug ist ein wirksames Instrument, um Migration auf legalem Weg zu gestalten. Das sollte nicht dauerhaft aufgegeben werden“, so Kluth. Außerdem ermöglicht es dieser Steuerungskompromiss, Integrationserfolge insofern zu berücksichtigen, als neben Härtefällen v.a. Gesuchen von solchen Antragstellenden entsprochen wird, die bereits erste Integrationserfolge in Deutschland erzielen konnten.
Quelle: Sachverständigenrat für Integration und Migration vom 05.06.2025
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