AGOT-NRW

Expertenkommission will Begriff „Migrationshintergrund“ abschaffen

In ihrem Bericht fordert eine, von der Bundesregierung eingesetzte, Expert(inn)enkommission, den Begriff „Migrationshintergrund“ abzuschaffen. Die Arbeitsgemeinschaft Offene Türen Nordrhein-Westfalen e.V. (AGOT-NRW) führt schon im sechsten Jahr das Rahmenprojekt „Vielfalt – wir leben sie!“ durch und ist stetig mit der Frage nach der Adressierung und einem diskriminierungsfreien Wording konfrontiert. Zum aktuellen Anlass fasst die Arbeitsgemeinschaft nun ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen zu diesem Sachverhalt zusammen.

25.01.2021

Es ist, „als stünde dieser Hintergrund immer im Vordergrund“ sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Annette Widmann-Mauz und bezieht sich damit auf den Begriff „Migrationshintergrund“ der noch immer mit Blick auf fast 21 Millionen Menschen verwendet wird. Vorgeschlagen wird in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Eingewanderte und ihre (direkten) Nachkommen“, doch auch dies ist nicht weniger kompliziert und verweist auf ein allgemein gegenwärtiges Spannungsfeld, das in dieser Corona-Zeit noch transparenter zum Vorscheint kommt.

Welches diskriminierungsfreie Wording verwenden wir, wenn wir von Menschen sprechen, die in einem weit gefassten Kontext von Flucht und Migration nach Deutschland kommen oder schon immer in Deutschland leben? Ist es wichtig, den Hintergrund, und damit auch immer wieder auf die vergangenen Erfahrungen und Ursachen der Differenzmarkierung hinzudeuten? Denn nichts Anderes passiert doch – Wir markieren Differenz, verweisen durch das Wording „Migrationshintergrund“ oder „Eingewanderte und ihre (direkten) Nachkommen“ auf eine Unterschiedlichkeit und Andersartigkeit, die genau das verunmöglicht, um das es doch zu gehen scheint: Gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und Inklusion (auch hier versucht die AGOT bestehende Begrifflichkeiten wie den der Integration weiter und fortzudenken).

Die Arbeitsgemeinschaft Offene Türen Nordrhein-Westfalen e.V. (AGOT-NRW) hat in den Jahren 2016 bis 2020 das Rahmenprojekt „Vielfalt – wir leben sie!“ (vormals Feuerwehrtopf) durchgeführt. In diesen fünf Jahren erreichten wir mehr als 50.000 Kinder und Jugendliche in 702 Einzelprojekten. In den dazugehörigen Projektdokumentationen wird die Entwicklung vom „niederschwelligen Projekt mit dem Charakter der Willkommenskultur“ zum „nachhaltigen inklusiven Projekt“ mit gesellschaftspolitischer Bedeutung – über die Offene Kinder- und Jugendarbeit hinaus – deutlich. Und auch wir sind mit der Frage nach der Adressierung und einem diskriminierungsfreien Wording vor immer wiederkehrende Herausforderungen gestellt.

Die Kinder und Jugendlichen im Kontext von Flucht und Migration sind schon seit vielen Jahren Besucher/-innen sowie Akteurinnen und Akteure des Vielfalt-Projektes und bereichern diese an jedem Tag. Obwohl die Aufgabe der Inklusion noch lange nicht zu Ende ist, sind diese Kinder und Jugendlichen doch viel mehr als eine Zielgruppe, ein Hintergrund oder ein Kontext, sie sind Teil einer Gesellschaft von Vielfalt. Was hier jedoch sichtbar wird, ist ein Spannungsfeld, auf das es immer wieder hinzuweisen gilt. Obwohl die Kontextualisierung der Herkunft die Gefahr des Othering birgt, ist sie doch notwendig um Ungleichheit und Prekarität transparent zu machen, das geht vor allem durch eine Begegnung des Verbündet-Seins und des Power Sharings und einer Anerkennung von Vielfalt, aber nicht durch ein stigmatisierendes Wording. 

Hintergrundinformationen zur Forderung der Fachkomission: https://www.tagesschau.de/inland/fachkommission-fordert-abschaffung-des-begriffs-migrationshintergrund-101.html, 20. Januar 2021

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Offene Türen Nordrhein-Westfalen e.V. vom 21.01.2021

Redaktion: Hendrik Meyer

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