Befragung
Die Einsamkeit junger Menschen ist eine Gefahr für die Demokratie


Wer sich als junger Mensch in Deutschland einsam fühlt, ist unzufriedener mit der Demokratie und glaubt kaum daran, dass es lohnend ist, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Das geht aus einer Befragung von 16- bis 30-Jährigen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor. Neben dem fehlenden Engagement droht eine wachsende Anfälligkeit für politische Entfremdung und Radikalisierung.
18.06.2025
60 Prozent der jungen Menschen in Deutschland, die sich stark einsam fühlen, glauben nicht, dass sie politische oder gesellschaftliche Veränderungen bewirken können. Von denjenigen, die sich nicht einsam fühlen, zweifeln 42 Prozent daran, mit ihrem Handeln etwas bewegen zu können. Ein ähnliches Bild zeigt sich auf lokaler Ebene: Während sich ein Drittel der nicht einsamen Befragten die Fähigkeit abspricht, Dinge in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde verändern zu können, sind es bei den stark Einsamen mehr als die Hälfte (52 Prozent). Auch das Vertrauen in demokratische Strukturen ist bei den stark Einsamen deutlich geschwächt: 63 Prozent zeigen sich unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, bei den nicht Einsamen sind es 41 Prozent.
„Einsamkeit beeinträchtigt das Vertrauen junger Menschen in Demokratie und Politik. Das Misstrauen wächst umso stärker, je weniger sie das Gefühl haben, sich einbringen zu können. Wenn wir junge Menschen nicht verlieren wollen, brauchen wir wirksame, niedrigschwellige Formen politischer Beteiligung – analog wie digital“,
sagt Nicole Kleeb, Expertin für Jugend und Demokratie.
Einsame junge Menschen fühlen sich von der Politik ignoriert
Dass sich fast die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland (46 Prozent) moderat oder stark einsam fühlt, hat die Bertelsmann Stiftung im Jahr 2024 ermittelt. Zwar interessieren sich stark einsame junge Menschen grundsätzlich nicht weniger für politische Themen als ihre nicht einsamen Mitmenschen. Aber sie fühlen sich von der Politik noch mehr übersehen. Nach Meinung von rund der Hälfte der stark einsamen jungen Menschen vertreten Politiker*innen oder Entscheidungsträger*innen auf Bundesebene nicht ihre Werte und Ansichten, während das nur 35 Prozent der nicht einsamen Befragten sagen. Auch äußern die stark Einsamen deutlich häufiger die Ansicht, dass Politiker*innen die Sorgen der jungen Generation nicht ernst nehmen (76 Prozent gegenüber 61 Prozent). Wer sich langfristig ausgegrenzt fühle, könne das Interesse an Politik gänzlich verlieren oder empfänglicher für populistische Positionen werden, warnen die Studienautorinnen.
Zugleich zeigen die Ergebnisse: Das Gefühl von Anerkennung und sozialer Zugehörigkeit kann für junge Menschen eine wichtige Motivation sein, sich einzubringen. Viele erhoffen sich, durch ihr Engagement gesehen und wertgeschätzt zu werden – und erleben gemeinschaftliches Handeln als möglichen Ausweg aus der Einsamkeit. Politische Teilhabe kann so auch präventiv gegen soziale Einsamkeit wirken.
Echte Mitgestaltung erfahren und sich als Teil der Gesellschaft erleben
„Einsame junge Menschen zweifeln sehr daran, dass Politik ihre Interessen ernst nimmt“, erklärt Anja Langness, Expertin für Jugend und Gesundheit.
„Gerade deshalb muss die Politik auf junge Menschen zugehen, ihnen zuhören und sie einbeziehen. Wenn sie echte Mitgestaltung erfahren und sich als Teil der Gesellschaft erleben, stärkt das nicht nur den Einzelnen, sondern unsere Demokratie insgesamt.“
Über die gezielte Ansprache und Unterstützung einzelner Betroffener hinaus empfiehlt die Bertelsmann Stiftung daher eine gesellschaftspolitische Gesamtstrategie zur Einbindung junger Menschen, um Einsamkeit zu bekämpfen und ihr Engagement zu fördern. Neben bezahlbaren Freizeit- und Kulturangeboten sollten insbesondere sogenannte „dritte Orte“ gefördert werden – offene, kostenlose Begegnungsräume wie Jugendzentren, Stadtteilcafés oder digitale Orte, die soziale Bindung und Interaktion ermöglichen. Ebenso ist es wichtig, vor allem auf kommunaler Ebene neue und niedrigschwellige Möglichkeiten zur Beteiligung zu schaffen.
Quelle: Bertelsmann Stiftung vom 26.05.2025
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