Stellungnahme

Beratungsarbeit bei Gewalt an Kindern JETZT stärken und ausbauen

Verschärfte und chronifizierte Probleme sind in der Pandemie für Kinder und Jugendliche entstanden. In der Arbeit der DKSB Beratungsstellen und nach einer Befragung der bundesweit tätigen Kinderschutz-Zentren zeigt sich nun, wie sich Krisen verfestigt und bis hin zu körperlicher, sexueller, psychischer Gewalt und chronischer Vernachlässigung verdichtet haben.

09.11.2021

Kinder und Jugendliche tragen in erheblichem Maße die Folgen der Pandemie. Gerade für jene jungen Menschen, die in belasteten Familien- und Lebenssituationen aufwachsen, bedeutete die Zeit der Kontaktbeschränkungen auch eine Verschärfung sozialer und emotionaler Krisen und Entwicklungsrisiken. Zu wenig Beachtung hat in der Pandemie die Situation von Familien gefunden, deren Alltag von Homeschooling, Kinderbetreuung, Home-Office, Existenzängsten, beengten Wohnverhältnissen, fehlenden finanziellen Mitteln für die technische Ausstattung und weggefallener sozialer Unterstützung geprägt war.

Die Beratungsanfragen haben in den letzten Monaten in erheblichem Maße zugenommen und führen oftmals zu Wartelisten, weil die personellen Kapazitäten einfach nicht ausreichen, diesem Bedarf zeitnah und angemessen zu entsprechen. Für die betroffenen jungen Menschen bedeuten diese Risiken und Gefährdungen massive Einschnitte in ihren persönlichen Entwicklungen, die nun zum Thema der Arbeit von Beratungsstellen und Kinderschutz-Zentren werden. Zudem brauchen Kinder und Jugendliche unmittelbare Hilfe, wenn sie sich in Notsituationen befinden und können nicht monatelang auf diese Unterstützung warten müssen.

Junge Menschen haben den Anspruch und die Möglichkeit, diese Krisen- und Gewalterfahrungen in Beratungsstellen und Kinderschutz-Zentren zu thematisieren, sie finden Anerkennung ihrer Situation, professionelle Hilfe und individuelle Unterstützung. Diese Einrichtungen sind jedoch seit Jahren strukturell unterfinanziert, können die steigenden Anfragen kaum bewältigen und arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten. Hinzu kommt, dass nun sichtbar wird, dass aufgrund der Einschränkungen während der Pandemie, problematische Entwicklungen quasi verschleppt und Beratungsangebote nicht genutzt wurden. Die Folgen sind eine gewisse Verstetigung und Manifestation von problematischen Entwicklungen, teilweise mit Krankheitswert bei den Heranwachsenden. Das bedeutet wiederum für die Beratungsarbeit, dass die Fälle deutlich komplexer sind als zuvor, dass sich unterschiedliche Formen der Gewalt verschränken und von daher weitaus mehr zeitlichen und personellen Aufwand erfordern.

Durch das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wird die Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen gestärkt, was ihnen u.a. das Recht auf Beratung auch ohne Vorliegen einer Konfliktlage garantiert. Dies führt zu einer weiteren Zunahme an Aufgaben für Beratungsstellen und Kinderschutz-Zentren, ohne dass entsprechende finanzielle Erweiterungen zur Verfügung stehen. Beratungsarbeit bei Gewalt an Kindern und Jugendlichen muss angesichts dieser Lage viel stärker politisch wahrgenommen und jetzt durch deutlich mehr finanzielle und personelle Ressourcen gestärkt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass viel zu vielen Kindern und Jugendlichen Entwicklungschancen verschloßen werden.

Fachpolitische Forderungen

Die Kinderschutz-Zentren fordern vom Bund ein Aufholpaket im Hinblick auf den angemessenen Ausbau (flächendeckend) von Beratungsstellen und Kinderschutz-Zentren und nachgehend von den Ländern die strukturelle Grundfinanzierung der bestehenden Angebote, um dem dargestellten Bedarf zu entsprechen und den Aufholbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen adäquat gerecht werden zu können.

Darüber hinaus benötigen die Kinderschutz-Zentren weitaus mehr und vielfältigere, auch aufsuchende Zugänge zu solchen Beratungsangeboten für verschiedenste Zielgruppen, damit der Rechtsanspruch auf Beratung für Kinder und Jugendliche nicht nur im Gesetz steht, sondern auch umgesetzt wird. Auch wenn dies aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland Aufgabe der Länder und Kommunen ist, braucht es hier auf allen politischen Ebenen gemeinsame Anstrengungen und verbindliche Vereinbarungen. Die Statistik der Jugendämter über im Jahr 2020 gemeldete Kindeswohlgefährdungsfälle hatte u.a. zum Ergebnis, dass aufgrund der Kita- und Schulschließungen Hinweise aus diesen Einrichtungen deutlich zurück gegangen sind.

Aufgrund der Komplexität der Beratungsfälle und der Verstetigung von problematischen Entwicklungen bedarf es darüber hinaus einer entsprechenden Qualifizierung des Beratungspersonals. Diesem Genüge zu tun, sollte nicht nur der kommunalen oder Länder-Ebene überlassen bleiben. Auch hier wird eine Qualifizierungsoffensive des Bundes für die in Beratungskontexten Tätigen erwartet.

Die Stellungnahme finden Sie auf der Website der Kinderschutz-Zentren zum Download.

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e.V. vom 08.11.2021

Redaktion: Pia Kamratzki

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