Berlin
Aufarbeitungsprojekt zu „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe"
Der Ergebnisbericht zu „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe“ wurde vorgestellt. Er zeigt ein deutschlandweites Netzwerk auf, das pädophile Positionen unterstützte und sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen institutionalisierte. Senatorin Katharina Günther-Wünsch betont die Notwendigkeit der Aufarbeitung und Sensibilisierung der Kinder- und Jugendhilfe.
11.03.2024
Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie stellte am 23.02.2024 gemeinsam mit dem Forschungsteam bestehend aus Meike Sophia Baader, Nastassia Laila Böttcher, Carolin Ehlke, Carolin Oppermann, Julia Schröder und Wolfgang Schröer der Universität Hildesheim den Ergebnisbericht des insgesamt dritten Aufarbeitungsprojektes zu Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe vor.
Ausgangspunkt der Aufarbeitung sind Helmut Kentlers Aktivitäten ab Ende der 1960er Jahre zur Einrichtung von Pflegestellen bei Personen, die u. a. wegen sexueller Kontakte mit Minderjährigen vorbestraft waren.
Aufarbeitung von Missbrauch: Rekonstruktion eines deutschlandweiten Netzwerks
Der nun vorliegende Ergebnisbericht rekonstruiert ein deutschlandweites Netzwerk, in dem verschiedene Akteur*innen aus Wissenschaft, Kinder- und Jugendhilfe, Verwaltung u. a. als Vertreter der Heimreform und/oder Sexualpädagogik im Zusammenwirken mit dem Berliner Landesjugendamt pädophile Positionen und sexualisierte Gewalt unterstützten, legitimierten, duldeten, rechtfertigten und/oder selbst ausgeübt haben. Das Netzwerk ermöglichte deutschlandweit sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, institutionalisierte den Missbrauch und schützte die Täter*innen gegenseitig. Personen aus diesem Netzwerk nutzten ihren Einfluss, um Kinder und Jugendliche bei pädophilen Männern in Pflegestellen und in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe West-Deutschlands unter-zubringen. Die Akteure vereinnahmten die Bewegung der Heimreform für eigene Zwecke, die fachliche Komponente der Heimerziehung war dabei nachranging. Sexualisierte Gewalt wurde dabei in Kauf genommen sowie gerechtfertigt und junge Menschen als Objekte der Heimerziehung instrumentalisiert.
Neben Berlin als zentralem Knotenpunkt wurden auch Göttingen, Hannover, Lüneburg, Tübingen und Heppenheim als Orte strukturellen Machtmissbrauchs identifiziert.
Die Rekonstruktionen wurden insbesondere aufgrund der Berichte der Betroffenen überhaupt erst möglich. Darüber hinaus wurden Zeitzeuginnen/Zeitzeugen interviewt sowie Akten und der fachöffentliche Diskurs analysiert.
Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, sagt:
„Der Ergebnisbericht ist ein weiterer Schritt in der notwendigen Aufarbeitung, denn das Leid der Betroffenen ist unermesslich und wirkt ein Leben lang. Die Forschung hat einen Beitrag dazu geleistet, die Mechanismen zu verstehen, die solchen Missbrauch ermöglichten. Die Erkenntnisse aus der Forschung geben uns die Möglichkeit, die Kinder- und Jugendhilfe institutionell zu sensibilisieren und kontinuierlich kritisch zu überprüfen.“
Die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) und die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden (AGJF) haben das zweite Aufarbeitungsprojekt der Universität Hildesheim und des Landes Berlins unterstützt. Die nun vorliegenden Ergebnisse des insgesamt dritten Aufarbeitungsprojektes des Landes Berlins werden durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in die JFMK und AGJF eingebracht, um eine Fortsetzung der Aufarbeitung in anderen Bundesländern zu empfehlen.
Weiterführende Informationen
- Der aktuelle Ergebnisbericht 2024 (extern)
- Den Ergebnisbericht aus dem Jahr 2020 (extern)
- Zwischenbericht aus dem Jahr 2022 (extern)
Betroffene und Zeitzeug*innen werden aufgerufen, sich an die Universität Hildesheim zu wenden, um die Aufarbeitung im geschützten Rahmen weiter zu unterstützen: jhberlin@uni-hildesheim.de
Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 23.02.2024.
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