Flucht und Migration
Asylsuchende besitzen höhere Bildung als Bevölkerung im Heimatland
Der Bildungsstand der jüngst zugewanderten Asylsuchenden in Deutschland unterscheidet sich oft stark von der durchschnittlichen Schulbildung im Herkunftsland. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie.
10.10.2018
Männliche Asylsuchende aus dem Nahen Osten und Afrika sind im Durchschnitt rund 1,6 Jahre länger zur Schule gegangen als gleichaltrige Personen aus ihren Herkunftsländern. Sie gehören damit eher zu einer bildungsnäheren Schicht. Dennoch gibt es im Vergleich zu männlichen jungen Deutschen erhebliche Lücken beim Bildungsniveau, die eine intensive Aus- und Weiterbildung erfordern, um die Arbeitsmarktintegration zu erleichtern. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie (PDF, 464 KB) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim.
Die Studie untersucht und vergleicht erstmals das „Humankapital“, also das auf Ausbildung und Erziehung beruhende Leistungspotenzial der Arbeitskräfte, von im Rhein-Neckar-Kreis lebenden männlichen Asylsuchenden aus dem Nahen Osten und Afrika mit Gleichaltrigen aus ihren Herkunftsländern. Die Untersuchung wurde als Teil des Projekts „Reallabor Asylsuchende in der Rhein-Neckar-Region“ durchgeführt, an dem das ZEW und die Pädagogische Hochschule Heidelberg (PH) sowie Wissenschaftler/innen der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg maßgeblich beteiligt sind. Indikatoren für das Humankapital sind die individuellen und elterlichen Schuljahre im Herkunftsland.
Die ZEW-Wissenschaftler zeigen, dass Asylsuchende in Deutschland im Vergleich zu gleichaltrigen Personen in ihren Herkunftsländern im Durchschnitt eine deutlich höhere Schulbildung aufweisen. 16 Prozent der Asylsuchenden haben mehr als zwölf Schuljahre in ihrem Heimatland absolviert – dies entspricht der Dauer der Gymnasialzeit in Deutschland. Allerdings hat auch jeder siebte männliche Asylsuchende nach eigenen Angaben keine formale Schulbildung.
Starke Polarisierung bei Bildung der Eltern
Die Eltern der Asylsuchenden verfügen im Durchschnitt über eine um 38 Prozent längere Schulbildung, was 1,7 Jahren entspricht, als Gleichaltrige in ihren Heimatländern – ein Hinweis darauf, dass eine beträchtliche Anzahl der Asylsuchenden aus eher wohlhabenden Haushalten stammt. „Wir sehen in unseren Daten jedoch auch eine starke Polarisierung bei der Bildung der Eltern. Rund die Hälfte der Asylsuchenden stammt aus Haushalten mit unterdurchschnittlichem Bildungsniveau“, erklärt Martin Lange, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ und Mitautor der Studie.
Die Untersuchung liefert auch Hinweise darauf, dass das Humankapital der jungen Asylsuchenden sowie von den Eltern kurzfristig die Integrationschancen in Deutschland beeinflusst, während die im Heimatland bereits erworbene Arbeitserfahrung keinen Einfluss hat. Das bedeutet, je mehr Bildungsjahre junge Asylsuchende im Heimatland durchlaufen haben, desto vorteilhafter ist das für den Erwerb der deutschen Sprache und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland eine Arbeit zu finden.
Obwohl viele der Asylsuchenden über ein relativ hohes Bildungsniveau in ihrem Heimatland verfügen, unterscheidet sich dieses Niveau im Vergleich zum Bildungsniveau junger Deutscher erheblich. Ungeachtet der Vergleichbarkeit der Schuljahre zwischen den Herkunftsländern und Deutschland, kann dieser Unterschied bis zu fünf Bildungsjahre umfassen, so die ZEW-Wissenschaftler. „Diese Lücke lässt sich zum Teil auf unterbrochene Bildungs- und Erwerbsbiografien und geringere Bildungsinvestitionen in den Herkunftsländern zurückführen. Eine erfolgreiche Integrationspolitik sollte die starken Unterschiede in der Bildung der Geflüchteten in den Blick nehmen und individuelle Weiterbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten schaffen“, sagt Martin Lange.
Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim vom 10.10.2018
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