Gesundheit

Armut macht krank - Größter Public Health-Kongress in Deutschland startet in Berlin

Armut macht krank! Seit fast zwei Jahrzehnten platziert der größte deutsche Public Health-Kongress Armut und Gesundheit diese Botschaft in der gesundheitspolitischen Debatte.

12.03.2014

„Gesundheit“, so Jürgen Graalmann vom AOK-Bundesverband, „wird hier nicht als medizinischer oder ökonomischer Sachverhalt diskutiert, sondern als Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengerechtigkeit.“

Aktuelle Zahlen zum Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit präsentiert das Robert Koch-Institut in seiner Publikation GBE kompakt 2/2014. Demnach spiegeln sich soziale Unterschiede bei der Verbreitung von Erkrankungen und Risikofaktoren in der Lebenserwartung wider. Analysen mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die sich auf Unterschiede zwischen Einkommensgruppen beziehen, zeigen:

  • Männer und Frauen mit niedrigem Einkommen haben im Vergleich zu denen mit hohem Einkommen ein um das 2,7- bzw. 2,4-fach erhöhtes vorzeitiges Sterblichkeitsrisiko.
  • Die mittlere Lebenserwartung bei Geburt ist in der niedrigen Einkommensgruppe bei Männern um 10,8 Jahre und bei Frauen um 8,4 Jahre verringert.
  • Und auch die fernere Lebenserwartung ab 65 Jahren ist für Männer und Frauen mit niedrigem Einkommen um 5,3 Jahre bzw. 3,8 Jahre reduziert.

Da sich die Verteilung von Bildung und Einkommen erst mit Verzögerung in den Krankheits- und Sterbedaten abbildet, rechnet Prof. Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes und von Gesundheit Berlin-Brandenburg, eher mit einer Zunahme gesundheitlicher Ungleichheit: „Da in Deutschland die Verteilung der Bildungschancen ziemlich konstant der sozialen Position der Eltern folgt und die Ungleichverteilung der Einkommen in Deutschland kontinuierlich zunimmt, überwiegen die Faktoren, die eine Zunahme der Ungleichheit verursachen.“

Rosenbrock macht deutlich: „Moderne Prävention und Gesundheitsförderung kann diese Ungleichheit nicht beseitigen, aber sie kann einen Teil davon wirksam und nachhaltig kompensieren“. Dazu bedürfe es anderer Wege als der klassischen Gesundheitserziehung über Kurse, materielle Anreize und Strafen. Vielmehr müssten in den Lebenswelten der Menschen, also in Kitas, Schulen, Stadtteilprojekten, Betrieben oder Seniorenfreizeitstätten, Prozesse in Gang gesetzt werden, welche die Nutzer/innen dabei unterstützen, diese Lebenswelten nach ihren eigenen Bedürfnissen gemeinsam und gesundheitsförderlich zu gestalten, so Prof. Rosenbrock. Hier könne auf viel Erfahrung gebaut werden, die unter anderem in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, den Landesvereinigungen für Gesundheit und vielen weiteren Partnern des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit entstanden ist.

Es besteht Konsens, dass den Ländern und Kommunen dabei eine wichtige Aufgabe zukommt, in der sie zügig durch eine gesetzliche Grundlage unterstützt werden müssen, wie die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hervorhebt: „Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich die Große Koalition in Berlin nicht nur auf die Umsetzung eines Präventionsgesetzes verständigt, sondern zugleich die Dringlichkeit durch ein fixes Datum bekräftigt hat: Noch in diesem Jahr soll das Gesetz verabschiedet werden. Damit kann die unselige Tradition des ‚Last-Minute-Entwurfs‘ und der Diskontinuität am Ende der Legislaturperiode beendet werden.“ Für eine nachhaltige und qualitätsorientierte Gesundheitsförderung und Prävention sieht Senatorin Prüfer-Storcks verbindliche Rahmenvereinbarungen zwischen Ländern, Kommunen und allen Sozialversicherungsträgern als erforderlich an. „Wir wollen eine deutliche Erhöhung der Finanzmittel für die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung, an der alle Sozialversicherungsträger, aber auch der Bund und die Länder gemeinsam beteiligt sind.“

Viele Kommunen unternehmen bereits heute – teilweise unter schwierigsten finanziellen Bedingungen – viel im Bereich der Gesundheitsförderung, ohne dass dies direkt gegenfinanzierte Pflichtaufgaben wären, wie die Kasseler Gesundheitsdezernentin und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Städtetages, Anne Janz, betont: „Kommunen sind hier in Vorleistung getreten, haben z.B. gerade im Bereich des gesunden Aufwachsens ganze Präventionsketten geknüpft“. Sie fordert, dass die Kommunen und der Öffentliche Gesundheitsdienst im Rahmen von Prävention und Gesundheitsförderung eine stärkere Rolle und Handlungsmacht erhalten müssen: „Eine gezielte, an den tatsächlichen Bedarfen ausgerichtete Primärprävention und Gesundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Kommunen erfolgreich umgesetzt werden. Hier kann noch viel Potenzial gehoben werden. Wir brauchen langfristig angelegte Strategien, die neben konkreten Angeboten zur Gesundheitsförderung auch das Setting selbst gesundheitsfördernd verändern helfen, also auch nachhaltig und strukturverändernd wirken.“

Der Kongress erinnert auch immer wieder daran, dass Prävention und Gesundheitsförderung nicht allein die Sache eines einzigen Akteurs oder Politikfeldes ist. Der Blick auf die Ergebnisse der Gesundheits- und Sozialberichterstattung zeigt: Ohne eine umfassende Strategie, die neben Gesundheit auch andere Handlungsfelder wie Bildung, Jugend, Arbeit, Soziales oder Stadtentwicklung einbezieht, können nur bedingt Erfolge erzielt werden. Jürgen Graalmann vom AOK-Bundesverband betont daher die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Prävention und Gesundheitsförderung: „Gemeinsam mit Ländern und Kommunen können wir die Barrieren in der Gesundheitsförderung und Prävention beseitigen. Die Akteure müssen bereit sein, über den eigenen Tellerrand zu schauen, und sich stärker vernetzen. Was uns schon gemeinsam mit den Arbeitgebern in der Betrieblichen Gesundheitsförderung gelingt, kann auch in Kitas und Schulen gelingen. Rahmenvereinbarungen mit Ländern und Kommunen, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sind, können dabei helfen, mehr Verbindlichkeit für alle zu schaffen. Doch die entscheidenden Schritte, die enge, abgestimmte Zusammenarbeit, werden die regionalen Akteure bei der konkreten Umsetzung vor Ort gehen müssen.“

Der Kongress Armut und Gesundheit findet am Donnerstag und Freitag, den 13. und 14. März 2014, in der Technischen Universtät Berlin statt. Er wird gemeinsam veranstaltet von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., der Technischen Universität Berlin (Zentrum Technik und Gesellschaft, Gesundheitsökonomisches Zentrum Berlin) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health.

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Quelle: Gesundheit Berlin-Brandenburg vom 12.03.2014

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