2012: Jugendämter führten 107 000 Gefährdungseinschätzungen für Kinder durch

Die Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2012 nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) knapp 107 000 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Das ist das Ergebnis der erstmals durchgeführten Erhebung über Verfahren gemäß Paragraf 8a Absatz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung).
29.07.2013
Eine Gefährdungseinschätzung wird vorgenommen, wenn dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines/einer Minderjährigen bekannt werden und es sich daraufhin zur Bewertung der Gefährdungslage einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind beziehungsweise Jugendlichen sowie seiner Lebenssituation macht.
Von allen Verfahren bewerteten die Jugendämter 17 000 (16 %) eindeutig als Kindeswohlgefährdungen („akute Kindeswohlgefährdung“). Bei 21 000 Verfahren (20 %) konnte eine Gefährdung des Kindes nicht ausgeschlossen werden („latente Kindeswohlgefährdung“). In 68 000 Fällen (64 %) kamen die Fachkräfte zu dem Ergebnis, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Jedoch wurde in jedem zweiten dieser Verfahren ein Hilfe- oder Unterstützungsbedarf durch das Jugendamt festgestellt.
Zwei von drei Kindern (66 %), bei denen eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung vorlag, wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf. In 26 % der Fälle und damit bei gut jedem vierten Kind wurden Anzeichen für psychische Misshandlung festgestellt. Ähnlich häufig, nämlich mit einem Anteil von 24 %, wiesen die Kinder Anzeichen für körperliche Misshandlung auf. Anzeichen für sexuelle Gewalt wurden in 5 % der Verfahren festgestellt. Mehrfachnennungen waren möglich.
Verfahren zur Bestimmung von Gefährdungslagen wurden in etwa gleich häufig für Jungen (51 %) und Mädchen (49 %) durchgeführt; dies gilt auch für Verfahren mit dem Ergebnis einer akuten oder latenten Kindeswohlgefährdung.
Jedes vierte Kind (25 %), für das ein Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durchgeführt wurde, hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet. Drei- bis fünfjährige Kinder waren zu 20 % von den Verfahren betroffen. Mit 22 % waren Kinder im Grundschulalter (6 bis 9 Jahre) beteiligt und mit 18 % Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren. Für Jugendliche (14 bis 17 Jahre) betrug der Anteil an allen Verfahren 15 %.
Am häufigsten, bei 18 000 Verfahren (17 %), machten Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft das Jugendamt auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam. Bei gut 15 000 Verfahren (14 %) gingen Jugendämter Hinweisen durch Bekannte oder Nachbarn nach, in knapp 14 000 Fällen (13 %) denen von Schulen oder Kindertageseinrichtungen. Gut jeden zehnten Hinweis (11 %) erhielten die Jugendämter anonym.
Hinweise:
Die Abschätzung des Gefährdungsrisikos erfolgt bei Jugendämtern in Zusammenwirkung mehrerer Fachkräfte. Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes/Jugendlichen bereits eingetreten ist oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist und diese Situation von den Sorgeberechtigten nicht abgewendet wird oder werden kann. Das Jugendamt hat den Personensorgeberechtigten zur Abwendung der Gefährdung geeignete und notwendige Hilfen anzubieten.
In allen hier dargestellten Ergebnissen ist Hamburg nicht enthalten. Von dort wurden keine Daten zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen finden Sie auf den <link https: www.destatis.de de publikationen thematisch soziales themasoziales.html _blank external-link-new-window external link in new>Internetseiten des Statistischen Bundesamtes.
Quelle: Statistisches Bundesamt vom 29.07.2013
Termine zum Thema
-
13.09.2023
Umgang mit Kindeswohlgefährdung durch sexualisierte Gewalt
-
20.09.2023
Was tun? – Vermutung einer Kindeswohlgefährdung durch sexualisierte Gewalt
-
11.07.2023
DIJuF-Sommerakademie: Jugendämter zwischen Rechtsansprüchen und Realität
-
04.07.2023
Vorurteilsbewusste und ressourcenorientierte Pädagogik (für Fortgeschrittene!)
-
03.07.2023
Partizipation leicht gemacht
Materialien zum Thema
-
Broschüre
Orientierungshilfe für Jugendämter – Kindeswohl bei Aufwachsen in islamistisch oder salafistisch geprägten Familien
-
Monographie / Buch
Extrem neutral? Verfassungs-, Sozial- und Datenschutzrecht?
-
Stellungnahme / Diskussionspapier
Mangel an Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe wirkt sich dramatisch aus!
-
Zeitschrift / Periodikum
Konstruktiv kooperieren im Kinderschutz - KJug 2-2022
-
Monographie / Buch
Herausforderungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Empirische Erkenntnisse
Projekte zum Thema
-
Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V. (IGfH)
Zukunftsforum Heimerziehung
-
Forschungsverbund Freizeitenevaluation (EH Ludwigsburg / TH Köln)
Panelstudie zu Freizeiten und Jugendbegegnungen
-
Forschungsverbund Freizeitenevaluation (EH Ludwigsburg / TH Köln)
Freizeitenevaluation / Evaluation Internationaler Jugendbegegnungen
-
Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin
Du träumst von ihnen - Primäre Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch durch Jugendliche
-
Power for Peace e.V.
Change! Verändern gibt Kraft. Verändern macht Mut.VERÄNDERN TUT GUT!
Institutionen zum Thema
-
Sonstige
Koordinationsstelle Kinderarmut des LVR-Landesjugendamts (Landschaftsverband Rheinland)
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Liman – den Hafen gemeinsam erreichen
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Oberlin e.V. - ev. Einrichtung für Jugendhilfe
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Diakonie für Bielefeld gGmbH - Freiräume
-
Fort-/Weiterbildungsanbieter
Gesellschaft für Unterstützung, Training und Evaluation Früher Erziehung und Entwicklung e.V.