Beschäftigung und Unternehmergeist
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Anstehende politische Entwicklungen
Der nationale Bildungsbericht 2022 formuliert zum Themenfeld Berufliche Bildung aktuelle Themen und Herausforderungen für den Ausbildungsmarkt:
- Ein erheblicher Rückgang der Neuzugänge zur beruflichen Ausbildung, diese haben sich zwischen 2019 und 2021 um 7 % reduziert und mit unter 900.000 Neuzugängen einen neuen Tiefpunkt erreicht. Am stärksten zeigt sich der Rückgang im dualen System.
- Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsplätzen hat sich seit 2019 deutlich reduziert. Auch wenn sich damit Angebot und Nachfrage rechnerisch die Waage halten, zeigen sich steigende Passungsprobleme, d. h. das gleichzeitige Auftreten von unversorgten Jugendlichen und unbesetzten Ausbildungsplätzen, die sich zwischen 2019 und 2021 von 9 auf 12 % erhöht haben.
- Die Zahl und der Anteil der Ausbildungsanfänger:innen in den Gesundheits-, Erziehungs- und Sozial-Berufen sind weiterhin steigend, bleiben jedoch immer noch hinter dem Bedarf zurück.
- Die Zugangschancen in die vollqualifizierenden Sektoren der beruflichen Ausbildung variieren nach wie vor stark nach dem schulischen Vorbildungsniveau und der Staatsangehörigkeit: Sowohl Jugendlichen mit maximal Erstem Schulabschluss als auch denjenigen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit gelingt deutlich seltener die Einmündung in eine duale oder vollzeitschulische Ausbildung im Vergleich zu jenen mit Mittlerem Schulabschluss und (Fach-)Hochschulreife bzw. deutscher Staatsangehörigkeit.
- Über ein Drittel der Jugendlichen mit einem Ausbildungsabbruch sind anschließend oftmals arbeitslos oder ungelernt auf dem Arbeitsmarkt tätig und daher verstärkt von instabilen Erwerbslaufbahnen betroffen.
- Im EU-27-Staaten-Vergleich weist Deutschland nach wie vor eine überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsquote von Personen im Alter von 20 bis 34 Jahren mit allgemeinbildendem oder beruflichem Abschluss des Sekundarbereichs II auf. Allerdings zeigen sich auch hier Auswirkungen der Corona-Pandemie: Die Beschäftigungsquote ist zwischen 2019 und 2020 um 2,7 Prozentpunkte zurückgegangen, was darauf zurückzuführen ist, dass sich die betriebliche Übernahmequote gegenüber 2019 reduziert hat.
Fachkräftesicherung
Das Problem eines zunehmenden Fachkräftemangels hat in der aktuellen arbeitsmarktpolitischen Diskussion einen zentralen Stellenwert. Die Bundesregierung hat am 12. Oktober 2022 ihre neue Fachkräftestrategie im Kabinett beschlossen. Mit dem Maßnahmenpaket der Fachkräftestrategie unterstützt die Bundesregierung die Anstrengungen der Unternehmen und Betriebe, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. In diesem Kontext hat auch die berufliche Bildung eine zunehmende Bedeutung.
Mit dem Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes am 1. März 2020 wurde der Arbeitsmarktzugang für Fachkräfte aus Drittstaaten erleichtert. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, bis zu sechs Monate zur Ausbildungsplatzsuche einzureisen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zur Berufsausbildung und nach erfolgreichem Abschluss einer mindestens zweijährigen qualifizierten Berufsausbildung einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung zu erhalten.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurden für das Jahr 2021 für das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um von der Pandemie besonders betroffene kleine und mittlere Unternehmen dabei zu unterstützen, das bisherige Ausbildungsplatzangebot für junge Menschen beizubehalten. Das Programm wurde am 17. März 2021 auf das Ausbildungsjahr 2021/2022 ausgeweitet.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels in Pflegeberufen hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine "Ausbildungsoffensive Pflege" (2019 – 2023) gestartet, um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz zu begleiten. Mit konkreten Zielen und rund 100 Maßnahmen sollen gut ausgebildete und engagierte Pflegefachkräfte für das Berufsfeld gewonnen und Pflegeschulen sowie ausbildende Einrichtungen bei der Umstellung auf die neuen Ausbildungen unterstützt werden. In dem am 14.11.2022 veröffentlichten zweiten Bericht der Ausbildungsoffensive Pflege werden wesentliche Ergebnisse des zweiten Drittels der Ausbildungsoffensive und die Entwicklung der Auszubildenden- und Studierendenzahlen dargestellt.
Laufende Diskussionen
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind weiterhin ein dominanter Faktor im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben mit deutlichen Konsequenzen für den Ausbildungsmarkt. Trotz einer verbesserten Angebots-Nachfrage-Relation bleibt die Situation auf dem dualen Ausbildungsmarkt angespannt, auch weil es im Zuge der Corona-Pandemie zu einem deutlichen Anstieg von Passungsproblemen gekommen ist. Der Nationale Bildungsbericht 2022 stellt fest, dass sich das gleichzeitige Auftreten von unversorgten Ausbildungsinteressierten und unbesetzten Ausbildungsplätzen zwischen 2019 und 2021 von 9 auf 12 % erhöht hat.
Eine weitere Folge der Corona-Pandemie sind die erheblichen Einschränkungen, die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene durch die Pandemie und darauf bezogene Maßnahmen erlebten und erleben. Die Folgen der pandemiebedingten Einschränkungen schreiben sich in den biographischen Verlauf junger Menschen ein. Politik ist gefordert, die Folgen abzufedern und auszugleichen. Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“, bestehend aus dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Stiftung Universität Hildesheim, dem Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Universität Frankfurt und der Universität Bielefeld hat dazu zwei bundesweite Studien durchgeführt: die Studie JuCo zu den Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen sowie die Studie KiCo zu den Erfahrungen und Perspektiven von Eltern und ihren Kindern während der Corona-Maßnahmen.
Hinzu gekommen sind die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine, wobei insbesondere der dramatische Anstieg der Energiekosten erhebliche Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben hat. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat wirksame Entlastungsmaßnahmen ergriffen, wie bspw. die Anpassung des Kurzarbeitergeldes. Auch die im Herbst 2022 erfolgte Einführung des Bürgergeldes hat zum Ziel, die Lebensbedingungen benachteiligter arbeitsloser Bürger:innen und ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern.
Mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz ("Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung") aus dem Jahr 2020 sollen die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik weiterentwickelt werden, um Beschäftigte und Auszubildende rechtzeitig auf die Arbeit von morgen vorbereiten zu können. Damit sollen die Möglichkeiten von Weiterbildung und Qualifizierung weiter gestärkt werden, um die Beschäftigungsfähigkeit im Strukturwandel zu erhalten. Das Gesetz ist Bestandteil der nationalen Weiterbildungsstrategie die kontinuierlich fortgesetzt und weiterentwickelt wird. Die nationale Weiterbildungsstrategie identifiziert die zentralen Herausforderungen und Problemstellungen, die mit dem Wandel der Arbeitswelt entstehen und entwirft passende Antworten in Form von Gesetzen, Projekten, Maßnahmen und Instrumenten.
Mit der Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, die im Juni 2021 in Kraft getreten ist, wurde Inklusion bzw. die Ermöglichung oder Erleichterung junger Menschen, „entsprechend ihrem Alter und ihren individuellen Fähigkeiten in allen sie betreffenden Lebensbereichen selbstbestimmt zu interagieren und damit gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können“ (§ 1, Absatz 3, Satz 2 SGB VIII), zu einem Leitprinzip der Kinder- und Jugendhilfe und damit auch aller berufsbezogenen Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, vor allem der Jugendberufshilfe und der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit. Was dies im Detail fachlich in Bezug auf die vielfältigen Angebote in den jeweiligen Praxisfeldern und in der Kooperation mit der Arbeitsverwaltung bedeutet, beginnt gerade Gegenstand der aktuellen Fachdiskussion zu werden (vgl. Der Paritätische 2020).
Einige Monate vor dem Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) wurde der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung vorgelegt (Deutscher Bundestag 2020). Dieser befasste sich mit dem Stellenwert politischer Bildung bzw. Demokratiebildung in den verschiedenen Räumen des Aufwachsens junger Menschen. Zwei wichtige Räume waren dabei einerseits die berufliche Bildung bzw. die Bedeutung der politischen Bildung in Berufs- und Arbeitswelt und andererseits die Jugendsozialarbeit, denen jeweils, wenn auch unterschiedlich ausführlich, eigene Kapitel gewidmet wurden.
In Bezug auf die politische Bildung junger Menschen in der Berufs- und Arbeitswelt (Deutscher Bundestag 2020, S. 239-266) diagnostiziert der Bericht „ein großes Defizit an systematischer, konzeptioneller ebenso wie empirischer Forschung sowie entsprechender Schwerpunkte in der Qualifikation und Weiterbildung von Berufsschullehrerinnen und -lehrern, betrieblichen Ausbildern und Ausbilde-rinnen und der gewerkschaftlichen Jugend- und Erwachsenenbildung. Hier wären dringend Ressourcen für Forschungsprojekte und grundständige Strukturen in der Hochschulbildung sowie bei Angeboten der Fort- und Weiterbildung für Fachkräfte notwendig" (Deutscher Bundestag 2020, S. 266).
Jugendsozialarbeit wurde in dem Bericht als bislang „unterschätzter Raum“ (Deutscher Bundestag 2020, S. 477ff.) in dem Sinne verstanden, als sowohl die Fachdiskussion selbst als auch die für politische Bildung spezialisierten Angebote und Träger dieses Praxisfeld bisher in seinen Möglichkeiten nicht systematisch in den Blick genommen haben. Mittlerweile hat eine Diskussion darüber eingesetzt, wie Demokratiebildung zu einem nachhaltigen Moment der Jugendsozialarbeit werden kann (vgl. Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit 2021; siehe auch Ausgabe 26 der Zeitschrift DREIZEHN – Zeitschrift für Jugendsozialarbeit zum Thema „Jugendsozialarbeit – ein unterschätzter Raum politischer Bildung).
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Dieser Artikel wurde auf www.youthwiki.eu in englischer Sprache erstveröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung der Übernahme.