Hilfen zur Erziehung
Zahlen kindlicher Gewaltopfer 2014 vorgestellt: 40 Fälle von sexueller Gewalt pro Tag
![Jugendliche sitzt in einer Zimmerecke und hält sich einen Arm vor ihr Gesicht Jugendliche sitzt in einer Zimmerecke und hält sich einen Arm vor ihr Gesicht](/fileadmin/_processed_/1/1/csm_Fotolia_47635546_Subscription_XXL_01_458e5256d1.jpg)
Die Deutsche Kinderhilfe hat heute die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2014 zu kindlichen Gewaltopfern vorgestellt. In der Bundespressekonferenz erläuterte der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch, dass im Jahr 2014 108 Kinder getötet wurden.
19.05.2015
Fast 75 Prozent der getöteten Kinder waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. In 81 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Nach einem kurzen Hoffnungsschimmer im Jahr 2012 musste auch 2014 wieder ein Anstieg an gegen Kinder gerichteten Fällen körperlicher Misshandlungen verzeichnet werden. 4233 Kinder waren hiervon betroffen, 44 Prozent von ihnen haben das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet.
Verbreitung kinderpornografischen Materials
Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischen Materials verringerten sich im Vergleich zum Vorjahr trotz massiver öffentlicher Aufmerksamkeit nur um knapp 1,5 Prozent. Im Bereich sexueller Gewalt weist die Statistik zwar einen Rückgang von 3,24 Prozent auf, doch wurden noch immer 14.395 Fälle registriert. Das sind etwa 40 Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder pro Tag. Auffällig dabei ist auch: Die Zahl der Betroffenen unter sechs Jahren stieg im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent an.
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, setzt zur Reduzierung der Fallzahlen auf ein breites Ermittlungskonzept: "Angesichts des Massenphänomens Kinderpornografie entwickeln wir automatisierte Verfahren, um neue pornografische Bilder noch schneller erkennen zu können. Die Verhinderung eines fortgesetzten sexuellen Missbrauchs hat immer höchste Priorität. Hierzu nutzen wir alle Möglichkeiten - von gezielten Öffentlichkeitsfahndungen an Schulen bis hin zur Teilnahme an internationalen Operationen von Europol und Interpol."
Kinderschutz durch qualifizierte Jugendhilfe
"Eine finanziell breit aufgestellte und personell qualifizierte Jugendhilfe in den Bereichen Kita, Jugendamt und ambulanter Sektor ist ein längst überfälliger Beitrag für einen verbesserten Kinderschutz ebenso wie eine kinderbewusstere Gesellschaft", mahnt Prof. Kathinka Beckmann von der Hochschule Koblenz.
Rechtsanwältin Manuela Groll, Nebenklagevertreterin von kindlichen und jugendlichen Betroffenen von Sexualstraftaten und bekannt als Vertreterin der Betroffenen des Berliner Canisius- Kollegs, fordert Verbesserungen im Hilfesystem und mehr Schutz in Institutionen: "Ich wünsche mir ein schnelleres und tatkräftigeres Zugreifen bei Verdachtsmomenten und einen flexibleren und effektiveren Austausch zwischen allen Beteiligten." Sie mahnt an, dass Kinderschutz nicht an der Haustür ende: "Kinder gehören nur sich selber und sind nicht das Eigentum ihrer Eltern."
Dem stimmt auch Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V., zu und ergänzt: "Neben deutlichen Verbesserungen in der Kinder- und Jugendhilfe müssen Prävention und Strafverfolgung als gesamtgesellschaftliche Aufgaben ineinandergreifen."
Konkret heiße das, das Mindeststrafmaß aller gegen Kinder gerichteter Vorsatzstraftaten auf ein Jahr zu erhöhen und diese so zu Verbrechen zu qualifizieren. Auch müsse der sogenannte sexuelle Missbrauch als das bezeichnet werden, was er sei: sexuelle Gewalt. Nicht zuletzt müssten betroffene Kinder vor, in und nach Strafverfahren effektiv begleitet werden, um weitere Traumatisierungen zu vermeiden, sie aus der passiven Opferrolle herauszuholen und sie zu starken Zeugen zu machen.
Verantwortung übernehmen
Kindern dürften die sie schützenden Informationen nicht vorenthalten werden. Kinder, Eltern, pädagogische Fachkräfte und alle, die mit und für Kinder arbeiten, müssten regelmäßig zu Kinderrechten und Gewaltprävention aus- und weitergebildet werden. "Jeder von uns kennt Kinder, die von Gewalt - auch von sexueller - betroffen sind. Das müssen die Menschen endlich realisieren.", verlangt Rainer Becker. "Schaut eine Lehrerin oder ein Lehrer in eine Klasse, sitzen dort statistisch betrachtet ein bis zwei Kinder, die sexuelle Gewalt erleben mussten. Wir fordern, dass sich jede und jeder Einzelne in unserer Gesellschaft von dieser Tatsache angesprochen und für diese Kinder verantwortlich fühlt."
Hintergrundinformation
Die Deutsche Kinderhilfe ist die staatlich unabhängige Lobbyorganisation für Kinder. Sie informiert die Öffentlichkeit über Missstände und leistet bundesweite Projektarbeit, um Veränderungen im Sinne von mehr Kinderschutz und Kinderrechten auf faktischer, gesetzlicher und politischer Ebene zu erzielen.
Quelle: Deutsche Kinderhilfe e.V. vom 19.05.2015
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