Jugend-Freiwilligendienste

„Wir wollen keine Solidaritätsspielwiese für Besserverdienende“

„Jugend-Freiwilligendienste reizen ihr vielfältiges Solidaritätspotenzial noch längst nicht aus“, hebt JUGEND für Europa nach der Fachtagung „Engagiert in Europa“ hervor. Um einen entsprechenden zukunftsfähigen Engagement-Rahmen für alle jungen Menschen zu bieten, werden fair geregelte Sozialleistungen und eine entsprechende gesellschaftliche Anerkennung des Einsatzes gefordert.

12.04.2023

Wenn fast 80 Vertreter:innen des Feldes „Internationales und Europäisches Engagement junger Menschen in Freiwilligendiensten“ zusammenkommen und über nationale und europäische Rahmenbedingungen, zu den Inhalten der aktuellen EU-Ratsempfehlung, zu Fragestellungen aus der Praxis und über Wege zur Steigerung der Inklusivität diskutieren, dann sei das ein Highlight in der zivilgesellschaftlichen fachlichen Debatte. Dem entsprechend müsse Politik zuhören, Rede und Antwort stehen und Impulse aufgreifen, heißt es von JUGEND für Europa.

Dafür sei Sven Lehmann, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Fachtagung gekommen. Er erörterte die Ergebnisse der Debatte aus den Workshops mit den Teilnehmer:innen, insbesondere haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus Freiwilligenorganisationen, junge (Ex-)Freiwillige, Jugendforscher:innen, und mit der Vertreterin der EU-Kommission, Natascha Sander.

Im Fokus: Zwischenevaluation des Europäischen Solidaritätskorps

Denn in vielen Belangen sei es auf der Fachtagung um das Europäische Solidaritätskorps (ESK) gegangen, dessen Zwischenevaluation in diesem Jahr ansteht. Jan Gildemeister, Geschäftsführer der AGDF e.V., sagte in seiner Begrüßung, man wünsche sich für das ESK eine gebührende politische Aufmerksamkeit und die Anerkennung des Stellenwertes. Er äußerte die Hoffnung, dass die zu erwartenden Ergebnisse der Zwischenevaluation zur Verbesserung beitragen können. Die Fachtagung bot Raum für Perspektiven, aber auch für Fragestellungen aus der Praxis, die insbesondere von Freiwilligendienstorganisationen aufgeworfen wurden.

Herausgearbeitete Positionen und Standpunkte der Fachdebatte

Es gibt ein weiter steigendes Interesse und einen Bedarf an Angeboten im Europäischen Solidaritätskorps sowie in grenzüberschreitenden Freiwilligendiensten

Das Interesse am Europäischen Solidaritätskorps, insbesondere an Freiwilligenprojekten, sei in Deutschland wie auch europaweit weiter am Wachsen. Das Förderbudget für Freiwilligenprojekte im ESK werde voll verausgabt, es sei in den nächsten Jahren mit steigendem Bedarf zu rechnen. Das ESK und Freiwilligendienste allgemein sollten weiter ausgebaut werden. Natascha Sander von der EU-Kommission wünschte sich für die Zukunft, dass es genau so selbstverständlich sein sollte zu sagen, man habe einen ESK-Freiwilligendienst gemacht, wie es bereits für ein Erasmus+ Studium gilt.
Idealerweise sollte jeder junge Mensch das Recht, vielleicht sogar einen Rechtsanspruch darauf haben, an einem Freiwilligendienst teilzunehmen.

Weitere Anstrengungen sind notwendig, um Zugangshürden für junge Menschen mit geringeren Chancen abzubauen

Dafür müssten bestehende Zugangshürden abgebaut werden: durch Information, gesetzliche Regelungen und mehr Anerkennung von Freiwilligendiensten. Dies entspreche dem Tenor der EU-Ratsempfehlung. Das ESK sei ein Programm, das besonders inklusiv ist und viel dafür tue, jungen Menschen mit weniger Chancen einen guten Zugang zu bieten. Die unterschiedlichen Formate wie Freiwilligen-Teams und Kurzzeit-Freiwilligendienste könnten hier noch mehr genutzt werden. Die Rahmenbedingungen in Deutschland würden teilweise den Zugang bestimmter Zielgruppen verhindern, an verschiedenen Stellen gäbe es konkreten Verbesserungsbedarf in der nationalen Gesetzgebung, z.B. in Bezug auf die Regelungen des Bürgergeldes sowie bei Hilfen zur Erziehung.

Freiwilligendienste tragen zu einer Stärkung der Gesellschaft, zu Demokratie und aktiver Bürgerschaft bei

Viele der Zielsetzungen des ESK würden sich so auch in den nationalen Freiwilligendienstformaten wiederfinden. Eine klare Schnittmenge liege im Bereich „Aktive Bürgerschaft und Demokratie Lernen“. Der Aspekt der politischen Bildung durch Freiwilligentätigkeiten sollte weiter gestärkt werden. Die positiven Wirkungen internationaler Freiwilligendienste auf die Gesellschaft müssten sichtbarer gemacht werden.

Es braucht eine Annäherung der verschiedenen Qualitätsmanagementsysteme unter Beibehaltung der Diversität der einzelnen Programme und Angebote

Träger, die sowohl im ESK wie auch in nationalen Freiwilligendiensten aktiv sind, würden sich eine Annäherung der Systeme und mehr Synergien wünschen, u.a. in Bezug auf Qualitätsanforderungen und die pädagogische Begleitung. Die Aufforderung, verstärkt nach Synergien und Komplementaritäten zwischen dem europäischen und nationalen Freiwilligendienstprogrammen zu schauen, finde sich so auch in der EU-Ratsempfehlung wieder. Hierfür sei u.a. ein europaweites Voneinanderlernen im Freiwilligendienstbereich wünschenswert, auch unter Einbeziehung der politischen Ebene.

Die Rolle der Träger soll gestärkt werden, insbesondere mit Blick auf die Rolle der Sendeorganisationen

Die Rolle von Sendeorganisationen und ihre Aufgaben in der Vor- und Nachbereitung von Freiwilligen seien wichtig und sollten im ESK wieder sichtbarer und auch finanziell gestärkt werden. Die Mittelverteilung zwischen Sende- und Aufnahmeorganisationen sollte klarer geregelt werden. Hilfreich sei in dem Zusammenhang auch eine weitere Vereinfachung der Antragstellung.

Die in der Ratsempfehlung zur Mobilität junger Freiwilliger in der Europäischen Union benannten Themenfelder sind wesentlich und sollten auf den unterschiedlichen Ebenen weiterverfolgt werden

Die unterschiedlichen Problemfelder und Entwicklungspotentiale seien in der Ratsempfehlung benannt  worden und sollten aufgegriffen werden: mehr Inklusivität, Steigerung der Qualität wie auch der Anerkennung von Freiwilligendiensten, mehr Synergien und Komplementarität zwischen den verschiedenen Angeboten sowie eine Reaktion auf neue gesellschaftliche Trends mit entsprechender Anpassung der Programme.

In der abschließenden Podiumsdiskussion brachte es Sven Lehmann es auf den Punkt. Menschen wie Sie, so adressierte der Parlamentarische Staatssekretär die Anwesenden, würden die Fragen, mit denen sich das Prinzip Demokratie weltweit konfrontiert sieht, praktisch und human angehen. Sie würden in diesen Zeiten Zeichen des Engagements für Solidarität und Demokratie setzten. Der europäische Gedanke werde durch Menschen wie Sie gerettet, so Lehmann. Er sagte zu, sich existierende Zugangshürden für junge Menschen mit geringeren Chancen in Freiwilligendiensten insbesondere in der Sozialgesetzgebung und in entsprechenden Verwaltungsverfahren genau anzuschauen und zu versuchen eine Lösung dafür zu finden. Lehmann sagte außerdem zu, dass ihm auch weitere Hindernisse gemeldet werden können und er sich damit befassen würde.

Hintergrund

Die Veranstaltung „Engagiert in Europa – Perspektiven für freiwilliges Engagement und Solidarität junger Menschen“ wurde von JUGEND für Europa in Kooperation mit IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., NEVSO - Network of European Voluntary Service Organisations und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland organisiert.

Quelle: JUGEND für Europa vom 03.04.2023

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