Studie

Wie sich die Pandemie auf Integration und Migration auswirkt

Welche Folgen könnte die Pandemie bis 2030 auf das Einwanderungsland Deutschland haben? Ein Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat das untersucht und Szenarien für die Zukunft mit Wissenschaftler/-innen aus verschiedenen Disziplinen entwickelt.

21.04.2021

Forschungsteam der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt Szenarien für 2030  

Das COVID-19-Virus hat Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche gezeitigt. Kaum jedoch wurde beleuchtet, welche Folgen die Pandemie auf Migration und Integration hat. Wie wirkt sich Corona derzeit auf die Integration von Zugewanderten in den Bereichen Gesundheit, Wohnen, Bildung und Arbeit aus? Was wissen wir über seine Auswirkungen auf Diskriminierung und Rassismus? Wie können Gesellschaft und Politik im Einwanderungsland Deutschland bis 2030 von der Pandemie und ihren Folgen beeinflusst werden?

Die von der Stiftung Mercator geförderte Studie „Auswirkungen und Szenarien für Migration und Integration während und nach der Covid-19 Pandemie“ der FAU ist diesen Fragen nachgegangen. Mittels einer umfassenden Desktop-Recherche und der Technik des Scenario-Buildings, eines probaten Mittels in Fällen großer Unsicherheit und mangelhafter Datenlage, wurden kurz- und mittelfristige Auswirkungen der Pandemie von einem interdisziplinären Forschungsteam aus ganz Deutschland analysiert. Die Wissenschaftler/-innen sehen vor allem drei mögliche Szenarien, auf die sich Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einstellen sollten:

Die Exklusionsgesellschaft: „Germans First“

Nach diesem Szenario führt Covid-19 zu einer Gesellschaft, in der Menschenrechte hintangestellt werden und rassistisch-nationalistische Haltungen hingegen die Politik dominieren. Für die Migrationspolitik spielt Solidarität kaum noch eine Rolle, sie wäre vor allem sicherheitsfixiert und würde Minderheiten ausschließen. Diversität würde unterdrückt, Assimilation statt Integration und Inklusion einseitig von den Eingewanderten erwartet. Die Politik würde eine rassistische Ungleichbehandlung, also eine Segregation, in den Bereichen Gesundheit, Wohnen und Arbeit billigend in Kauf nehmen.

Die utilitaristische Gesellschaft: Deutschlands „neue Gastarbeiter/-innen“

Auch in diesem Szenario spielen Menschenrechte eine untergeordnete Rolle. Da allerdings die Wirtschaft weiterhin auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen ist, würde an einer selektiven Migrationspolitik mit überwiegend kurzfristig angeworbenen Arbeitsmigrant/-innen festgehalten. Selbst bei Geflüchteten würde nach erwünschten Arbeitskräften sortiert. Kurzum: Deutschland hätte wieder „Gastarbeiter/-innen“. Integration würde höchstens für berufsspezifische Zwecke gefördert.

Die teilhabeorientierte Gesellschaft: „Stärker als Viren“

In diesem Fall erhöht die COVID-19-Pandemie bis 2030 das Bewusstsein dafür, dass Migrant/-innen in vielen Bereichen systemrelevant sind. Die Corona-Krise hätte ihre Benachteiligungen stärker sichtbar gemacht, mit dem Ziel, diese von nun an abzubauen. Eine progressive Mehrheit würde die Bundespolitik bestimmen. Migrationspolitik wäre zwar weiterhin selektiv, aber nicht nur nach ökonomischen Überlegungen reguliert. Anstelle von Integration der Eingewanderten wäre gesellschaftlicher Zusammenhalt aller in der Diversitätsgesellschaft Deutschland das Ziel.

„Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig Zuwanderung für den Gesundheitsbereich ist. Deutschland und Europa hätten ohne den Beitrag von Migrantinnen und Migranten die Krise bei Weitem schlechter geschultert“, kommentiert die Projektleiterin, Prof. Dr. Petra Bendel, Leiterin des Forschungsbereichs Migration, Flucht und Integration am Institut für Politische Wissenschaft der FAU. „Bisher errungene Fortschritte in der Integrationspolitik stehen auf dem Spiel, wenn wir Kenntnisse und Ressourcen aus der Integration abziehen.“

„Die Coronakrise verstärkt bestehende Trends in Wirtschaft und Gesellschaft und legt soziale und gesellschaftliche Defizite offen. Es ist wichtig, dass wir durch Covid-19 in der Integration nicht hinter bereits erreichte Meilensteine zurückfallen,“ sagt Christiane von Websky, Leiterin des Bereichs Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator. „Ziel unserer Stiftung ist es, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und diese Studie leistet einen Beitrag dazu, indem sie politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger mögliche Entwicklungen aufzeigt und Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gibt.“

Ausführliche Informationen zur Studie und zum Projekt auf den Seiten der Universität Erlangen-Nürnberg.

Quelle: Stiftung Mercator vom 20.02.2021

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