Jugendforschung

Viktimisierungserfahrungen junger Menschen in Deutschland – Angebotslücken in der Beratung

Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention des DJI präsentierte auf dem Deutschen Präventionstag Ergebnisse zum Thema Opfererfahrungen junger Menschen. Jugendliche bewerten Unterstützung nach Gewalterfahrungen durch Freunde und die Familie am hilfreichsten, nur 3% suchen sich Hilfe in Beratungsstellen.

04.07.2016

Dr. Diana Willems, Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), präsentierte am 6. Juni auf dem Deutschen Präventionstag 2016 in Magdeburg aktuelle quantitative Daten als Teil der ersten Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle des DJI-Surveys "Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten" (AID:A II).

In AID:A II (2014/2015) wurden insgesamt Angaben zu 22.242 Personen erhoben, die als Zielpersonen im Mittelpunkt der Befragung standen (bei diesen handelt es sich um eine Teilstichprobe aus AID:A I (Längsschnitt) und einer Einwohnermeldeamtsstichprobe, 0-32 Jahre). Die Auskünfte stammen jedoch nicht nur von den Zielpersonen selbst, sondern – bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen – auch von den Eltern bzw. Bezugspersonen, so dass es insgesamt eine Gruppe von 32.580 Personen darstellt.

Die präsentierten Daten, aus denen im Folgenden eine Ergebnisauswahl aufgelistet wird, betrachten innerhalb von AID:A II eine Altersgruppe von 12–32 Jahren bei den allgemeinen Angaben zum Erleben von körperlicher Gewalt, bei einzelnen vertieften Fragen eine Auswertung hinsichtlich Personen zwischen 12 Jahre bis unter 18 Jahren.

Viktimisierungserfahrungen junger Menschen

Ziel der Untersuchung zu Opfer- und Tätererfahrungen junger Menschen ist es, sich der Beantwortung u.a. folgender Fragen zu nähern: Welche Bedingungen des Aufwachsens senken beziehungsweise erhöhen die Gefahr von körperlichen Auseinandersetzungen? Entstehen durch Opfererfahrungen Hilfebedarfe und welche personalen Ressourcen und sozialen Unterstützungsformen helfen jungen Menschen?

Den im Survey befragten Jugendlichen wurden u.a. Fragen zu folgenden Themen gestellt:

  • Mobbingerfahrungen (als Täter und Opfer)
  • Erfahrungen als Opfer (und Täter) körperlicher Gewalt
  • Hilfebedarfe und erhaltenen Unterstützungsformen
  • aktuelle Belastung durch das Erlebnis

Im Gesamten nehmen die Analysen Vorbedingungen, aktuelles Erleben und Folgen von Mobbing- und Gewalterfahrungen der befragten Jugendlichen in den Blick.
Als Ergebnis erlauben sie Angaben zu Opfern, Täter, Täter-Opfer-Statuswechsel und Non-Viktimisierung. Sie zeigen die Häufigkeit von Gewalterfahrungen in Abhängigkeit von Alter und sozialer Herkunft auf sowie Angaben zu den Orten von Gewalterfahrungen (z.B. öffentlicher Raum, Nachbarschaft) und Beteiligten (z.B. Person bekannt ja/nein, Person gleichaltrig/älter/jünger).

Unter anderem lassen sich folgende Aussagen den Daten entnehmen:

  • 14% der befragten Jugendlichen berichten von mindestens einer körperlichen Gewalterfahrung.
  • 90% sind bei der ersten Gewalterfahrung unter 21 Jahren, zwei Drittel davon sind männlich.
  • Orte von Gewalterfahrungen sind meist öffentliche Plätze oder Orte in der Nachbarschaft (32%), Discos (17%); Zuhause, Fußball und Schule sind seltener.
  • 62% der Befragten kannten den Einzeltäter.
  • Bei 49% sind Täter und Opfer im gleichen Alter.
  • 22% der Befragten mit Gewalterfahrung haben einen Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss; 12% einen Gymnasialabschluss.
  • Probleme mit Alkohol oder Drogen zu haben, gaben 40% der Jugendlichen mit Opfererfahrung an und 30% derjenigen mit Tätererfahrung an.
  • 77% nahmen eine Unterstützung in Anspruch: davon 85% von Freunden, 55% durch die Familie, 27% durch Polizei/Justiz und nur 3% durch Beratungsstellen.
  • Was die aktuelle Belastung, auch lange nach der Gewalterfahrung angeht, gaben 15% der Befragten an, sich noch heute durch das Ereignis belastet zu fühlen.

Insgesamt wird deutlich, dass besonders familiäre und private Hilfen und Unterstützungen von den Jugendlichen selbst als am hilfreichsten bewertet werden. Beratungsangebote bzw. Opferhilfen spielen bislang eher selten eine entscheidende Rolle – und dies obwohl sich ein bedeutsamer Anteil der jungen Menschen nach der Tat immer noch belastet fühlt.

Opferbezogene Angebote für junge Menschen

Annemarie Schmoll, ebenfalls Mitarbeiterin des DJI, setzte sich mit der Fragestellung auseinander: Welche konkreten pädagogischen Angebote für junge Menschen mit Gewalterfahrungen gibt es und lassen sich unterschiedliche Typen von Angeboten identifizieren?

Hierfür wurden internetbasierte Recherchen zur Angebotslandschaft in Deutschland zu konkreten opferzentrierten Hilfs- und Unterstützungsleistungen für junge Menschen, die Gewalterfahrungen erlitten haben, durchgeführt.

Betrachtet wurden insgesamt 52 Angebote, die sich deutlich als Hilfs- und Unterstützungsangebote für jugendliche Opfer identifizieren ließen.

Die Mehrzahl der Angebote sind hierbei ausgerichtet auf die drei Felder:

  • Gewalterfahrungen im Allgemeinen
  • innerfamiliäre Gewalt
  • sexualisierte Gewalt

Im Zuge der Auswertung ergaben sich vier unterschiedliche Typen der Angebote:

  1. Personenorientierte Angebote (38 von 52)
    Diese zeichnen sich aus durch:
    • Person steht im Fokus
    • Wahrung der Anonymität
    • Handlungskompetenzen sollen wiedererlangt / Handlungsalternativen erarbeitet werden
    • therapeutische Unterstützung / Traumaarbeit
    • auch Eltern- und Familiengespräche
    • oft Angebote der Erlebnispädagogik, Spieltherapie, tiergeschützte Angebote
  2. Verfahrensorientierte Angebote
    • erlittenes Leiden steht nicht im Vordergrund
    • angebotene Leistungen stehen eher in Zusammenhang mit zivil-/strafrechtlichen Verfahren, z.B. Begleitung zu Polizei- und Gerichtsterminen, Hilfestellungen beim Ausfüllen von Formularen
    • Täter-Opfer-Ausgleich, Mediation
    • auch Eltern und Lehrer als Zielgruppe
    • oft ehrenamtlich tätige Juristen
  3. Weitervermittelnde Angebote
    • im Vordergrund steht die Vermittlung zu Hilfeleistungen wie z.B. zu Selbsthilfegruppen oder Selbstverteidigungskursen
    • auch Wissensvermittlung
  4. Vermittler von Kompetenzen
    • Angebote richten sich vor allem an Fachkräfte: (Weiter-)Qualifizierung der im Bereich der Opferhilfe Tätigen
    • indirekte/mittelbare Hilfe für die Betroffenen

Angebotslücken in der Beratung

Es zeigte sich, dass die vorhandene Angebotslandschaft für junge Menschen, die Opfer von Gewalt oder anderen Delikten wurden, sich heterogen und erweiterungsbedürftig gestaltet.

Als ein Ergebnis der Recherche ging hervor, dass insbesondere Angebotslücken existieren für:

  • junge Volljährige,
  • geschlechtsspezifische/-sensible Angebote für Jungen und
  • Opfer homophober Gewalt.

Perspektivisch stellt sich zudem die Frage, wie Hilfs- und Unterstützungsangebote für junge Geflüchtete aussehen könnten.

Hintergrundinformationen AID:A

Der DJI-Survey "Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten" (AID:A) als breit angelegte quantitative Erhebung dient der Sozialberichterstattung zur Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien. Weitere Informationen zu AID:A stehen auf der <link http: www.dji.de external-link-new-window zu weiteren informationen über>Internetseite des DJI zur Verfügung.

Beide Referentinnen der Veranstaltung sind als wissenschaftliche Referentinnen in der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention am Deutschen Jugendinstitut e.V. tätig.

Auf der Internetseite der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention  <link http: www.dji.de external-link-new-window zur internetseite der arbeitsstelle kinder- und>www.dji.de/jugendkriminalitaet sind weitere Informationen und aktuelle Veröffentlichungen zum Thema zu finden. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, sich dort in den Verteiler „Neuerscheinungen“ einzutragen.

Quelle: Vortrag Dr. Diana Willems (DJI) / Annemarie Schmoll (DJI) / 21. Deutscher Präventionstag, Magdeburg vom 06.06.2016

Dr. Diana Willems, Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), präsentierte am 6. Juni auf dem Deutschen Präventionstag 2016 in Magdeburg aktuelle quantitative Daten als Teil der ersten Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle des DJI-Surveys "Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten" (AID:A II).

In AID:A II (2014/2015) wurden insgesamt Angaben zu 22.242 Personen erhoben, die als Zielpersonen im Mittelpunkt der Befragung standen (bei diesen handelt es sich um eine Teilstichprobe aus AID:A I (Längsschnitt) und einer Einwohnermeldeamtsstichprobe, 0-32 Jahre). Die Auskünfte stammen jedoch nicht nur von den Zielpersonen selbst, sondern – bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen – auch von den Eltern bzw. Bezugspersonen, so dass es insgesamt eine Gruppe von 32.580 Personen darstellt.

Die präsentierten Daten, aus denen im Folgenden eine Ergebnisauswahl aufgelistet wird, betrachten innerhalb von AID:A II eine Altersgruppe von 12-32 Jahren bei den allgemeinen Angaben zum Erleben von körperlicher Gewalt, bei einzelnen vertieften Fragen eine Auswertung hinsichtlich Personen zwischen 12 Jahre bis unter 18 Jahren.


Viktimisierungserfahrungen junger Menschen

Ziel der Untersuchung zu Opfer- und Tätererfahrungen junger Menschen ist es, sich der Beantwortung u.a. folgender Fragen zu nähern: Welche Bedingungen des Aufwachsens senken beziehungsweise erhöhen die Gefahr von körperlichen Auseinandersetzungen? Entstehen durch Opfererfahrungen Hilfebedarfe und welche personalen Ressourcen und sozialen Unterstützungsformen helfen jungen Menschen?

Den im Survey befragten Jugendlichen wurden u.a. Fragen zu folgenden Themen gestellt:
-    Mobbingerfahrungen (als Täter und Opfer)
-    Erfahrungen als Opfer (und Täter) körperlicher Gewalt
-    Hilfebedarfe und erhaltenen Unterstützungsformen
-    aktuelle Belastung durch das Erlebnis

Im Gesamten nehmen die Analysen Vorbedingungen, aktuelles Erleben und Folgen von Mobbing- und Gewalterfahrungen der befragten Jugendlichen in den Blick.
Als Ergebnis erlauben sie Angaben zu Opfern, Täter, Täter-Opfer-Statuswechsel und Non-Viktimisierung. Sie zeigen die Häufigkeit von Gewalterfahrungen in Abhängigkeit von Alter und sozialer Herkunft auf sowie Angaben zu den Orten von Gewalterfahrungen (z.B. öffentlicher Raum, Nachbarschaft) und Beteiligten (z.B. Person bekannt ja/nein, Person gleichaltrig/älter/jünger).

Unter anderem lassen sich folgende Aussagen den Daten entnehmen:

-    14% der befragten Jugendlichen berichten von mindestens einer körperlichen Gewalterfahrung.
-    90% sind bei der ersten Gewalterfahrung unter 21 Jahren, zwei Drittel davon sind männlich.
-    Orte von Gewalterfahrungen sind meist öffentliche Plätze oder Orte in der Nachbarschaft (32%), Discos (17%); Zuhause, Fußball und Schule sind seltener.
-    62% der Befragten kannten den Einzeltäter.
-    Bei 49% sind Täter und Opfer im gleichen Alter.
-    22% der Befragten mit Gewalterfahrung haben einen Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss; 12% einen Gymnasialabschluss.
-    Probleme mit Alkohol oder Drogen zu haben, gaben 40% der Jugendlichen mit Opfererfahrung an und 30% derjenigen mit Tätererfahrung an.
-    77% nahmen eine Unterstützung in Anspruch: davon 85% von Freunden, 55% durch die Familie, 27% durch Polizei/Justiz und nur 3% durch Beratungsstellen.
-    Was die aktuelle Belastung, auch lange nach der Gewalterfahrung angeht, gaben 15% der Befragten an, sich noch heute durch das Ereignis belastet zu fühlen.

Insgesamt wird deutlich, dass besonders familiäre und private Hilfen und Unterstütz¬ungen von den Jugendlichen selbst als am hilfreichsten bewertet werden. Beratungsangebote bzw. Opferhilfen spielen bislang eher selten eine entscheidende Rolle – und dies obwohl sich ein bedeutsamer Anteil der jungen Menschen nach der Tat immer noch belastet fühlt.

Opferbezogene Angebote für junge Menschen

Annemarie Schmoll, ebenfalls Mitarbeiterin des DJI, setzte sich mit der Fragestellung auseinander: Welche konkreten pädagogischen Angebote für junge Menschen mit Gewalterfahrungen gibt es und lassen sich unterschiedliche Typen von Angeboten identifizieren?

Hierfür wurden internetbasierte Recherchen zur Angebotslandschaft in Deutschland zu konkreten opferzentrierten Hilfs- und Unterstützungsleistungen für junge Menschen, die Gewalterfahrungen erlitten haben, durchgeführt.

Betrachtet wurden insgesamt 52 Angebote, die sich deutlich als Hilfs- und Unterstützungsangebote für jugendliche Opfer identifizieren ließen.

Die Mehrzahl der Angebote sind hierbei ausgerichtet auf die drei Felder:
a) Gewalterfahrungen im Allgemeinen
b) innerfamiliäre Gewalt
c) sexualisierte Gewalt

Im Zuge der Auswertung ergaben sich vier unterschiedliche Typen der Angebote:

1)    Personenorientierte Angebote (38 von 52)
Diese zeichnen sich aus durch:
- Person steht im Fokus
- Wahrung der Anonymität
- Handlungskompetenzen sollen wiedererlangt / Handlungsalternativen erarbeitet werden
- therapeutische Unterstützung / Traumaarbeit
- auch Eltern- und Familiengespräche
- oft Angebote der Erlebnispädagogik, Spieltherapie, tiergeschützte Angebote

2)    Verfahrensorientierte Angebote
- erlittenes Leiden steht nicht im Vordergrund
- angebotene Leistungen stehen eher in Zusammenhang mit zivil-/strafrechtlichen Verfahren, z.B. Begleitung zu Polizei- und Gerichtsterminen, Hilfestellungen beim Ausfüllen von Formularen
- Täter-Opfer-Ausgleich, Mediation
- auch Eltern und Lehrer als Zielgruppe
- oft ehrenamtlich tätige Juristen

3)    Weitervermittelnde Angebote
- im Vordergrund steht die Vermittlung zu Hilfeleistungen wie z.B. zu Selbsthilfegruppen oder Selbstverteidigungskursen
- auch Wissensvermittlung

4)    Vermittler von Kompetenzen
- Angebote richten sich vor allem an Fachkräfte: (Weiter-)Qualifizierung der im Bereich der Opferhilfe Tätigen
- indirekte/mittelbare Hilfe für die Betroffenen


Angebotslücken in der Beratung

Es zeigte sich, dass die vorhandene Angebotslandschaft für junge Menschen, die Opfer von Gewalt oder anderen Delikten wurden, sich heterogen und erweiterungsbedürftig gestaltet.

Als ein Ergebnis der Recherche ging hervor, dass insbesondere Angebotslücken existieren für:
-    junge Volljährige,
-    geschlechtsspezifische/-sensible Angebote für Jungen und
-    Opfer homophober Gewalt.

Perspektivisch stellt sich zudem die Frage, wie Hilfs- und Unterstützungsangebote für junge Geflüchtete aussehen könnten.


Hintergrundinformationen AID:A

Der DJI-Survey "Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten" (AID:A) als breit angelegte quantitative Erhebung dient der Sozialberichterstattung zur Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien.

Weitere Informationen zu AID:A stehen auf der Internetseite des DJI zur Verfügung.

Beide Referentinnen der Veranstaltung sind als wissenschaftliche Referentinnen in der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention am Deutschen Jugendinstitut e.V. tätig.
Auf der Internetseite der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention www.dji.de/jugendkriminalitaet sind weitere Informationen und aktuelle Veröffentlichungen zum Thema zu finden. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, sich dort in den Verteiler „Neuerscheinungen“ einzutragen.

Quelle: Vortrag Dr. Diana Willems (DJI) / Annemarie Schmoll (DJI) / 21. Deutscher Präventionstag, Magdeburg vom 06.06.2016

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