Smartphone, Tablet und Co

Wie eine selbstreflexive und selbstbestimmte Mediennutzung gelingen kann

Wie sieht eine bewusste Mediennutzung aus? Wie können Eltern und Erziehende junge Menschen dabei unterstützen, selbstbestimmt und reflektiert mit digitalen Medien umgehen? Darüber sprach das Initiativbüro „Gutes Aufwachsen" mit dem Sozialpädagogen Uwe Holdmann, der in der Fachstelle Suchtvorbeugung der Diakonie Herford tätig ist.

02.03.2023

„Ständig hängst du nur vorm Smartphone rum!“ Das Thema Mediennutzung sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen in Familien. Viele Eltern sorgen sich, dass ihre Kinder zu viel Zeit am Smartphone, Tablet oder PC verbringen. Längere Bildschirmzeiten und Spielphasen an der Spielekonsole bedeuten aber nicht automatisch, dass eine Person abhängig ist. Oft kann es auch eine Phase sein, in der Kinder und Jugendliche digitale Medien intensiv nutzen. Und auch Erwachsene können sich manchmal nur schwer vom eigenen Smartphone oder Computerbildschirm lösen, weil sie gerade in etwas vertieft sind.

Mediennutzung und Selbstregulierung

Kritisch wird es, wenn digitale Medien einen so großen Stellenwert im Leben einnehmen, dass andere Lebensbereiche wie zum Beispiel der Freundeskreis oder die Schule immer mehr vernachlässigt werden und die Nutzung digitaler Medien zu sozialen, emotionalen, gesundheitlichen oder leistungsbezogenen Problemen führt. „Bei einer exzessiven Mediennutzung funktioniert die eigene Selbstregulierung nicht mehr, ich kann mich also selbst nicht mehr gut steuern“, sagt der Diplom-Sozialpädagoge Uwe Holdmann, der in der Fachstelle Suchtvorbeugung der Diakonie Herford – und Teil des Herforder Lokalen Netzwerkes Arbeitsgemeinschaft Soziale Kompetenz und Medien – tätig ist. Mit ihm sprach das Initiativbüro "Gutes Aufwachsen mit Medien" darüber, was eine bewusste Mediennutzung bedeutet und wie Eltern, Erziehende und pädagogische Fachkräfte junge Menschen dabei unterstützen können, selbstbestimmt und reflektiert mit digitalen Medien umzugehen.

Die Arbeit der Fachstelle Suchtvorbeugung der Diakonie Herford

„In der Jugendsuchtberatung arbeiten wir gerne nach MOVE. Das ist ein Multifunktionstool für schwierige Gesprächssituationen mit Jugendlichen. Es geht darum, das Stadium der Veränderungsbereitschaft zu entdecken und dann passgenaue Interventionen zu platzieren. Die motivierende Kurzintervention zielt darauf ab, zur kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsum anzuregen und junge Menschen in ihrer Veränderungsbereitschaft zu unterstützen und zu fördern. Dabei werden sowohl das Konsumverhalten, als auch dessen Veränderung als dynamischer Prozess verstanden“ schildert Uwe Holdmann. Neben der klassischen Suchtberatung wie Drogen- oder Alkoholkonsum, spielt auch das Thema exzessive Mediennutzung verstärkt eine Rolle in der Fachstelle Suchtvorbeugung der Diakonie Herford. „Neben Themen wie 'Mein Kind spielt nur noch Spiele am PC', nehmen wir mittlerweile verstärkt das sogenannte Binge-Watching als Thema war, welches viele Eltern und Erziehende beschäftigt.
Die Fachstelle Suchtvorbeugung richtet sich mit ihren Angeboten im Bereich kompetenter Mediennutzung an eine breite Zielgruppe: Eltern, Erziehende, pädagogische Fachkräfte im schulischen und außerschulischen Bereich sowie Multiplikator:innen aus der Bildung. An Schulen und in Jugendeinrichtungen kommt der sogenannte „What's on“ - Methodenkoffer mit unterschiedlichen, interaktiven Methoden zum Einsatz, der sich für Schulklassen ab der 6. Klasse, aber auch Formate wie Elterninformationsabende eignet. „Über Vorteile und Chancen sowie über Herausforderungen in der Nutzung digitaler Medien können wir zum Beispiel über die sogenannte „Vorteile-Nachteile-Waage“ mit Schüler:innen ins Gespräch kommen. Ziel ist es, das eigene Medienverhalten kritisch zu reflektieren. Zudem versuchen wir so, gemeinsam zu erarbeiten, was eine problematische Mediennutzung bedeutet und wie ein bewusster und selbstreflexiver Umgang mit digitalen Medien gelingen kann“,

sagt Uwe Holdmann.

Interessierte Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter:innen können Schulungen zum Methodenkoffer der Fachstelle Suchtvorbeugung wahrnehmen.

Wie Eltern junge Menschen bei einem bewussten und selbstbestimmten Medienumgang begleiten können

Uwe Holdmann spricht sich für eine autoritative Erziehungsmethode aus, mit der Eltern und Erziehende seiner Meinung nach Kinder und Jugendliche bei einer kompetenten und sicheren digitalen Teilhabe unterstützen können. Beim autoritativen Erziehungsstil geht es zum einen darum, klare Regeln aufzustellen, um Orientierung zu schaffen. Die Regeln lassen dabei einen eigenständigen Handlungsspielraum zu und sind nicht als starr zu verstehen, sondern werden kontinuierlich – je nach Entwicklungsstand – angepasst. Bezogen auf den Medienalltag können das zum Beispiel altersgerechte Regeln zur Nutzungszeit digitaler Geräte sein. Zum anderen geht es darum, Kindern mit Fürsorge, Wärme, Zuneigung und Wertschätzung zu begegnen. Das bedeutet, sich also auch mit den Wünschen und Bedürfnissen des eigenen Kindes auseinanderzusetzen und als Ansprechpartner:in für das Kind da zu sein.

„In Puncto Mediennutzung ist es hier also ratsam, als Eltern und Erziehende einen offenen Raum für Austausch und Auseinandersetzung zu schaffen und mit den Kindern in ein aktives Gespräch zu gehen, um an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen teilzuhaben und zu erfahren, warum zum Beispiel ein bestimmtes Spiel gerade viel gespielt wird oder was so faszinierend an bestimmten Apps ist. Gleichzeitig ist es völlig legitim und sogar auch wichtig, als Eltern die eigenen Gedanken, Gefühle und Sorgen im Gespräch zu benennen, damit ein Verständnis füreinander entstehen kann. Neben Übungsräumen in der Familie, ist es für Kinder und Jugendliche auch wichtig, solche Räume in der Schule und im außerschulischen Bereich zu haben, um einen genussvollen Umgang mit Medien zu erlernen.“,

erläutert Uwe Holdmann.

Außerdem sollten sich Eltern und Erziehende ihrer Vorbildrolle bewusst sein und die aufgestellten Medienregeln ebenso einhalten, wie ihre Kinder. Es lohnt sich also durchaus, als erwachsene Begleitperson einmal selbst das eigene Medienverhalten kritisch zu reflektieren, um Kindern und Jugendlichen als Bezugsperson eine bewusste und selbstreflexive Mediennutzung vorzuleben. Dann gelingt es auch leichter, Kindern ein gutes Gespür für die eigene Selbstregulation des Nutzungsverhaltens zu vermitteln.

Für eine gute Begleitung ist es zudem wichtig, als Eltern und Erziehende selbst über Medientrends und Online-Herausforderungen wie zum Beispiel Cybermobbing, Sexting, Cybergrooming und Hassrede, aufgeklärt zu sein. Neben Informationsangeboten und fachlicher Beratung bei externen Anlauf- und Hilfestellen empfiehlt Uwe Holdmann auch, sich mit anderen Eltern auszutauschen.

Balance in der eigenen Mediennutzung finden

Für eine Balance in der eigenen Mediennutzung ist es Uwe Holdmann wichtig, Nachdenklichkeit zu erzeugen:

„Das bedeutet, sich selbst darüber bewusst zu sein, welche digitalen Medien ich nutze und was ich mit ihnen mache. Dazu gehört auch, mein eigenes Verhalten dann neu anzupassen, wenn ich merke, dass mir etwas nicht mehr gut tut. Das lerne ich nicht, wenn es eine reine Verbotskultur und keine Möglichkeit gibt, digitale Medien auszuprobieren und zu erkunden.“

Neben der Vermittlung eines selbstreflexiven Umgangs mit digitalen Medien gestaltet sich eine gute „Life-Media-Balance“ nach Uwe Holdmann, indem alternative Angebote aufgezeigt werden, mit denen sich junge Menschen beschäftigen können. Das können zum Beispiel Sportangebote oder auch Spielenachmittage in der Freizeit sein.

Mehr Informationen

  • Sich selbst weiterbilden und fit für wichtige Medienentwicklungen sein, um Kinder und Jugendliche bei einer kompetenten und sicheren digitalen Teilhabe zu begleiten, können sich Eltern in den Online-Medienkursen von „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht.“
  • Basiswissen und praktische Hilfen rund um das Thema Soziale Medien finden Eltern, Erziehende und pädagogische Fachkräfte in der von jugendschutz.net erstellten Broschüre „Online dabei – aber sicher!“.
  • Ein vielfältiges digitales Angebot für Kinder gibt es auf der Webseite von Seitenstark und der Kindersuchmaschine Blinde Kuh.

 

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