Studie
Gebärdensprache in Sendungen – Ein Gewinn für alle Kinder
Der Bayerische Rundfunk produzierte eine einzigartige Tiersendung für Kinder, die von einem jungen gehörlosen Mann moderiert wurde. Die IZI-Studie befragte 153 Kinder der 2. bis 5. Klasse, darunter gehörlose und Kinder mit Hörbeeinträchtigung. Die Ergebnisse zeigen: Die Sendung in Gebärdensprache fördert Inklusion und wird von allen Kindern positiv bewertet.
25.07.2024
Der Bayerische Rundfunk hat eine bisher einzigartige Sendung für Kinder produziert:
Eine gebärdensprachliche Tiersendung, die von einem jungen gehörlosen Mann moderiert wird. Wie Kinder der 2. bis 5. Klasse diese bewerten, untersuchte die neue Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). Befragt wurden 73 Grundschüler*innen und 80 Schüler*innen aus Förderzentren mit dem Förderschwerpunkt Hören. Insgesamt 153 gehörlose Kinder, Kinder mit Hörbeeinträchtigung oder gehörlosen Eltern und hörende Kinder sahen eine Folge von Jason und die Haustiere, malten Bilder, beantworteten Fragen und diskutierten Details. Im Folgenden die Hauptergebnisse der Befragung.
Die Sendung Jason und die Haustiere – Quarter Horse
In dieser Episode trifft Tierreporter Jason die Quarter-Horse-Züchterin Iris. Sie zeigt ihm Pferde aus ihrer Zucht, von Mutterstuten und Fohlen bis zur Herde der Einjährigen im „Kindergarten für Pferde“. Das Besondere: Jason und Iris sind gehörlos und unterhalten sich per Gebärdensprache. Durch Voiceover-Sprecher*innen können die Zuschauer*innen, die keine Gebärdensprache verstehen, die Sendung „ganz normal“ sehen. Zudem gibt es Untertitel. Wie kommt das bei Kindern an?
Ein gebärdensprachlicher Moderator gefällt
Die befragten Kinder geben Jason sehr gute Noten (Notendurchschnitt: 1,6). Damit wird er fast so gut bewertet wie Checker Tobi. Der 1996 geborene Jason Giuranna hat Piercings und Tattoos. Die Kinder nehmen Jason als einen netten, höflichen und interessierten Menschen wahr, der respektvoll mit Tieren umgeht. Dies ist eine spannende Kombination, die eventuelle Klischees und traditionelle Männerbilder erweitert. Auch Iris wird mit einem Notendurchschnitt von 1,8 gut bewertet und von den Kindern als sympathische und kompetente Pferdeexpertin beschrieben, die in einer guten Beziehung zum Moderator steht.
Die Sendung in Gebärdensprache bestärkt
Die konsequent durchgezogene Unterhaltung in Gebärdensprache finden gehörlose Kinder und Kinder mit Hörbeeinträchtigung ausgesprochen gut. Sie nehmen selbst kleinste Details wahr, zum Beispiel die Visualisierung der Geräusche, wenn das Futter im Eimer klappert und so die Fohlen anlockt. Auch hörende Kinder bewerten dies positiv. Der 9-jährige Anton formuliert es folgendermaßen: „Mir hat am besten gefallen, dass diese Sendung auch jemand schauen kann, der Gebärdensprache spricht.“ Andere Kinder, wie die 9-jährige Nele, finden es „eine Umstellung, dass der Jason gehörlos war“, denn, so erklärt es Karla (9 Jahre), „die Gebärdensprache lenkt mich ein bisschen ab“. Die Gebärdensprache ist ungewohnt, aber die Kinder nehmen die Inklusion durchaus als Mehrwert wahr.
Gelungene Inklusion
Die Analyse, an welchen Stellen Kinder besonders aufmerksam hinschauen und was sie sich aus der Sendung mitnehmen, macht vor allem eines deutlich: Unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Hörbeeinträchtigung leben, wollen Kinder von einer guten Wissenssendung Informationen, die sie interessieren, möchten sie Zusammenhänge begreifen und gemeinsam mit der Identifikationsperson Jason etwas erleben und über Pferde lernen. Durch die Unterhaltungen in Gebärdensprache, lautsprachliches Voiceover und Untertitel wird all dies ermöglicht.
Mutmacher Jason
Vor dem Sehen der Sendung Jason und die Haustiere kann sich etwa jedes fünfte Kind vorstellen, dass ein Mensch, der nicht hören kann, „auf jeden Fall“ eine Kindersendung moderieren kann. Nach dem Sehen der Sendung hat sich dieser Wert verdoppelt, wobei die Kinder aus den Förderzentren Hören im Vergleich zu den hörenden Kindern der Grundschule in ihrer Einschätzung etwas zurückhaltender sind. Der 10-jährige Lian aus der Grundschule formuliert folgendermaßen, was ihm am besten gefallen hat: „Dass man auch mit Gebärdensprache moderieren kann. Weil das ein super Zeichen ist, dass man, egal welche Behinderung [man hat], alles machen kann.“
Neue Wege für noch mehr Inklusion
Die Sendung Jason und die Haustiere zeigt, dass Inklusion in Sendungen mehr sein kann als ein kleines Extrafenster, das sich dazuschalten lässt. Insbesondere im Kinderbereich liegen hier Chancen, überholte Vorstellungen von Menschen mit Beeinträchtigung zu erweitern und Kindern mit und ohne Hörbeeinträchtigung einen spannenden Zugang zum Kennenlernen der Welt zu bieten.
„Das barrierefreie Angebot ist nicht nur eine Bereicherung für gehörlose und hörbeeinträchtigte Kinder. Die inklusive Sendung sensibilisiert auch hörende Kinder, für die es zum Teil die erste Begegnung mit Gebärdensprache und Gehörlosigkeit ist, Themen, denen sie offen und interessiert gegenüberstehen“,
sagt Studienleiterin Andrea Holler.
Institutsleiterin Dr. Maya Götz ergänzt:
„Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, neue Wege der medialen Inklusion zu entwickeln. Kinderfernsehen kann hier Vorreiter sein und die Perspektive auf die Lebenswelt von Kindern mit und ohne Förderbedarf erweitern."
Quelle: Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen vom 28.06.2024
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